Straßburg/Deggendorf. Das europäische Parlament mit Sitz im französischen Straßburg ist nicht nur geographisch weit weg. Das liegt wohl auch daran, dass die EU im Bayerwald einen eher negativen Ruf hat. Ebenso ursächlich ist möglicherweise das unkonkrete und somit unklare System der kontinentalen Abstimmungen, die in Deutschland am 9. Juni stattfinden. Die „Woid-Kandidaten“ haben im Vorfeld des Urnenganges die Möglichkeit, Europa im übertragenen Sinne näher an den Woid heran zu bringen. Den Vorstellungsauftakt macht Anton Holler von der FDP.
Bitte stellen Sie sich zunächst einmal unseren Lesern vor.
Mein Name ist Anton Josef Holler, 65 Jahre, Stadtrat im schönen Deggendorf, meiner Geburtsstadt. Ich bin Bäckermeister und Kaufmann, verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Meine familiären Wurzeln liegen im Bayerischen Wald, mit dem ich mich sehr verbunden fühle.
Warum wollen Sie in das Europa-Parlament einziehen?
Die EU ist der Garant für unsere Freiheit und für unseren Wohlstand. Das sollten wir viel mehr wertschätzen und mit wirtschaftlichem Verstand weiterentwickeln.
„Mehr Bürgernähe anstatt mehr Bürokratie“
Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen für einen Einzug ein?
Nicht so hoch, weil mein Listenplatz zu weit hinten ist.
Warum kandidieren Sie dann überhaupt?
Es ist mir wichtig, dass die liberale Vernunft in der EU mehr Gewicht bekommt. Mit meiner Kandidatur unterstütze ich das gerne.
Welche politischen Ideen und Ziele wollen Sie während einer möglichen Amtszeit umsetzen?
Ich stehe für ein starkes Europa zum Wohle der Bürger und für mehr Sicherheit in Europa durch gemeinsame Verteidigung! Aber auch für den Ausbau der europäischen Infrastruktur mit sparsamer und effektiver Mittelverwendung. Wichtig ist mir ebenfalls mehr Freiheit in der Wirtschaft und mehr Freiheit in der Wissenschaft. Ich bin als Stadtrat für die Stärkung der Kommunen und für mehr Bürgernähe anstatt für mehr Bürokratie.
EU ohne großen Nutzen? „…entweder blind oder blöd“
Noch konkreter: Welche Ideen wollen Sie im fernen Brüssel explizit für Niederbayern, den Bayerischer Wald, den ländlicher Raum umsetzen?
Wichtig ist, dass man die Kommunen und damit den Bürger – soweit möglich – selber entscheiden lässt in welche Richtung man sich in Sachen Gewerbeentwicklung, Wohnbaugebiete und Energieversorgung entwickeln will. Ohnehin bin ich der Meinung, dass Niederbayern und der Bayerische Wald – auch weil die Ballungszentren immer unattraktiver werden – im Aufwind sind. Von hier kommen die Besten und die Schlauen bleiben da – oder kommen wieder zurück. Politisch ist es wichtig, die Infrastruktur – Straße, Schiene, schnelles Internet, Schule, Kindergarten und Krankenversorgung – zu stärken. Den Rest schaffen die Niederbayern schon selber.
Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, das EU-Parlament sei ein Gremium ohne größeren Nutzen und ohne größere Bedeutung?
… dass sie entweder blind oder blöd sind. Die EU regelt und finanziert beispielsweise den Donauausbau mit Hochwasserschutz. Das kann ein Landkreis oder eine Kommune auch finanziell nicht schaffen – ebenso den Fernstraßen- und Schienenbau. Gleichzeitig eröffnet uns die EU einen internen Absatzmarkt mit zirka 450 Millionen Einwohnern und regelt den weltweiten Marktzugang.
Was denken Sie: Wie wird die EU in Niederbayern generell wahrgenommen?
Wer sich, wie ich, noch erinnern kann, dass wir in Niederbayern vor 35 Jahren, als bei Furth im Wald, Bayerisch Eisenstein und Philippsreut die Grenzen noch zu waren, am Ende der freien Welt lebten, der hat erlebt, wie sich unsere Region, die jetzt in der Mitte von Europa liegt, positiv verändert hat.
„In der Vergangenheit wurde viel Unsinniges reguliert“
„Die europäische Idee ist gescheitert“ – wie stehen Sie zu dieser Aussage?
So ein Schmarrn! England ist mit dem Brexit grandios gescheitert und erkennt das jetzt auch langsam. Leute, die bei uns den Dexit, also den Austritt aus der EU fordern, sollten doch zuerst erklären, wie Deutschland oder Bayern besser vorankommen wird ohne die Nachbarn als Freunde und Verbündete. Ich lebe gerne in der EU und möchte auf gar keinen Fall in Amerika, Russland oder Asien leben. Wer das anders sieht, der soll bitte gleich dorthin ziehen und uns hier nicht in die Suppe spucken.
„Die Europäische Union ist bekannt für meist unsinnige Vorschriften“ – können Sie dem zustimmen?
Da wurde in der Vergangenheit schon viel Unsinniges reguliert wie die Krümmung der Gurken und der Bananen oder die starren Vorschriften für Land- und Forstwirtschaft. Jetzt konzentriert man sich auf das Wesentliche, hoffe ich.
„Möglichst wenige Entscheidungen nach Brüssel delegieren“
„Das Europa-Parlament ist ein riesiger Wasserkopf mit Abgeordneten, die sich dort eine goldene Nase verdienen“ – was halten Sie von dieser Aussage?
Auch weniger Abgeordnete würden effektiver und günstiger arbeiten. Auf der anderen Seite verstehe ich gut, dass kleine Länder auch angemessen vertreten sein wollen. Wenn die Parlamentarier nicht ordentlich bezahlt werden, sind die wirtschaftlich erpressbar und wir finden nicht die fähigen Personen, die bereit sind, auf andere berufliche Möglichkeiten zu verzichten. Die Lösung ist vermutlich, dass wir möglichst wenige Entscheidungen nach Brüssel delegieren. Vor Ort sieht man manches sicher klarer und die Umsetzung ist auch einfacher.
„Die EU kostet uns Deutsche nur Geld“ ist oft zu hören. Stimmen Sie dem zu?
Der wirtschaftliche Nutzen ist für uns viel höher als die Kosten – siehe England. Der politische Nutzen, also dass wir weltweit mitreden und entscheiden können, ist unbezahlbar.
Abschließend ein kleines Wunschkonzert: Wie sieht das Europa der Zukunft aus?
Das Europa der Zukunft ist wirtschaftlich stark und kann weiter mehr Sozialleistungen wie gute Rente, gute Krankenversorgung, gute Bildung und berufliche wie private Freizügigkeit von der Nordsee bis zum Mittel- oder Schwarzen Meer garantieren. Wir sind das Vorbild für den Rest der Welt, wie man friedlich und respektvoll zusammen lebt. Dass unser Modell funktioniert, sehen wir, weil andere Länder gerne eintreten möchten. Die Spielregeln dazu müssen wir weiter selbst gestalten. Das wünsche ich mir vor allem für die nächsten Generationen – meine Generation hatte schon das Glück.
Vielen Dank für die Antworten – und alles Gute bei der Wahl!
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer