Zell/Prackenbach. Es gibt Tiere, die ein sehr gutes, wohlbehütetes und umsorgtes Leben führen dürfen. Und es gibt Tiere, mit denen es das Schicksal weniger gut gemeint hat – was vor allem seinen menschlichen Haltern angelastet werden kann. Karl Schweiger und seine Frau Angela kümmern sich seit vielen Jahren um genau diese Vierbeiner, um ihnen einen würdevollen Lebensabend zu bereiten.
Freudig kommt ein großer, grauer, zotteliger Hund zum Zaun und wedelt mit dem Schwanz. Um ihn herum tapsen Tauben auf dem sandigen Boden herum und gurren dabei gemächlich. In der Ferne hört man das Wiehern eines Pferdes. „Tiergnadenhof“ steht auf einem kleinen Holzschild, das sich langsam im Wind hin und her dreht. „Hallo, schön dass da seids“, grüßt freundlich ein schlanker, mittelgroßer Mann mit grauen Haaren und Strohhut, als er das Tor öffnet.
„Das ist unser Humpelchen“
In idyllischer Lage „auf der Zell“ bei Prackenbach hat Karl Schweiger, 73 Jahre alt, ein Paradies für Tiere geschaffen. Rund 100 Schafe, Ziegen, Ponys, Schweine, Hühner, Schwäne, Enten und einiges mehr genießen derzeit ihr Leben auf dem Gnadenhof. Vor allem ehemalige Nutztiere, wie Angela Schweiger betont. Die 51-jährige Frau mit langen braunen Haaren, Sonnenhut und bunt gemusterter Sommerhose unterstützt ihren Ehemann seit 2018 bei seinem Traum und hat die Gründung eines gemeinnützigen Vereins initiiert, der auch Spenden für die Tiere annehmen kann. „Ganz oder gar nicht“, habe sie damals beschlossen.
Leichten Schrittes geht Karl Schweiger voraus, vorbei an zwei liebevoll dekorierten Bauernhäusern, denn das Ehepaar lebt mit und auf dem Hof, ebenso wie zwei weitere Vereinsmitglieder. „Das ist unser Humpelchen“, stellt er ein kleines, schwarzes Pony vor, eines von vier Minishettys. Der „Opa“ sei er, 25 Jahre alt, leide an einer Stoffwechselkrankheit. „Deshalb haben die anderen ihn nicht akzeptiert und er braucht seinen eigenen Auslauf.“ Neugierig schnuppert das Pony. Als es kein Leckerli gibt, macht es kehrt und stolziert zur anderen Seite des Zaunes, wo seine drei Artgenossen namens Blue, Lambo und Amadeus gemeinsam mit Hühnern, Ziegen und Schafen in einem riesigen Auslauf mal Sonne, mal Schatten genießen.
Über 54.000 Quadratmeter misst das komplette Grundstück, ein Großteil davon sind Wiesen, auf denen die tierischen Bewohner im Einklang mit der Natur leben können. Eine Menge Arbeit stecke dahinter, betont Angela Schweiger. Zum Beispiel werde das ganze Grundstück mindestens einmal am Tag von Hinterlassenschaften gesäubert. Doch solch ein Hof sei immer schon sein Traum gewesen: Karl Schweiger kehrte mit 40 Jahren von seinem damaligen Leben als Berufsmusiker ab – und kaufte das Anwesen auf der Zell. Bis 2018, bis zur Gründung des Vereins „Tiergnadenhof Zell e.V.“, baute er ihn alleine auf, finanzierte und bewirtschaftete ihn.
„Da kommen Lotte, Liese und Michaela“
Die bewegendste Vergangenheit hat wohl die mittlerweile vierjährige Schweinedame Rickie: Als fünf Wochen altes Ferkel rettete sie sich auf dem Weg zum Mastbetrieb durch einen Sprung vom Tiertransporter. „Wie genau ihr das gelungen ist, weiß keiner so genau“, sagt Angela Schweiger. Eine Frau habe sie in einem Kreisverkehr in Geiselhöring gefunden und die Polizei verständigt. Vom Tierheim aus sei sie dann auf den Tiergnadenhof gekommen.
Schweinedame Roserl und drei Hängebauchschweine lebten damals bereits hier. „Aber wir mussten Rickie leider in ein extra Gehege umsiedeln, die anderen haben sie nicht akzeptiert. Roserl hätte sie wahrscheinlich auch aufgefressen“, beschreibt die 51-Jährige voll Bedauern. Das sei bei Schweinen manchmal so. Die Mutter der Hängebauchschweine habe Rickie Gesellschaft geleistet und sei ein regelrechter Mama-Ersatz geworden. Damit sich die anderen Schweine an sie gewöhnen konnten, habe man alle etwa mit Maggi-Kraut eingerieben, um gleichen Duft zu simulieren. „Auch mit Matsch mussten wir Rickie regelmäßig einschmieren, damit sie keinen Sonnenbrand bekommt. Ihre Haut war ja nichts gewöhnt.“ Mit 20 Jahren starb die Hängebauch-Ersatz-Mutter, seither leben alle Schweine gemeinsam in einem Gehege – und genießen ihr Leben.
„Da kommen Lotte, Liese und Michaela“, ruft Karl Schweiger. Etwa 100 Meter weiter, vorbei an dem matschigen Gehege, wo unter anderem die Schweine wohnen, bietet sich ein eindrucksvoller Anblick. Die Schafherde, die es sich im Schatten der Bäume gemütlich gemacht hatte, setzt sich zunächst langsam in Bewegung und galoppiert dann mit lautem Hufgetrappel den grünen Hang herunter.
Ganz vorne Schweigers drei Lieblinge, die er mit Streichel- und Kuscheleinheiten begrüßt. Als ein Bauer seine Schafherde auflöste und zum Schlachter fuhr, wurden die drei nur ein paar Tage alten Lämmer zu spät im Heu entdeckt. Die Bäuerin habe sich ihrer erbarmt und hat sie die ersten Wochen mit der Flasche aufgezogen. Seit sie selbst fressen können, leben sie hier.
„… weil einfach alles teurer geworden ist“
Der Hof wird laut Angela Schweiger bis heute rein ehrenamtlich betrieben und ist auf Spenden angewiesen. „Jetzt besonders, weil einfach alles teurer geworden ist.“ Damit meint sie vor allem die Tierarzt- und Futterkosten. Doch auch Kosten für Reparaturen und Instandhaltung von Hütten und Zäunen fallen regelmäßig an. Die Teuerungen zu stemmen, sei derzeit sehr schwierig. Vieles werde privat finanziert.
Gegen eine freiwillige Spende, auch in Form von Futter wie getrocknetem Brot oder Obst und Gemüse, könne der Hof zu den Öffnungszeiten gerne besichtigt werden. „Die Tiere freuen sich alle, wenn sie gestreichelt werden“, weiß Angela Schweiger. Auch Schulklassen oder Kindergärten seien herzlich willkommen, sollten sich jedoch vorher anmelden.
Seit einiger Zeit gibt es eine eigene eingetragene Marke namens „ZellVieh“. Die Vereinsmitglieder fertigen selbst Deko- und Geschenkartikel an und nähen Kleidung, Taschen und Mützen. Sie besuchen mit ihrem eigenen Stand verschiedene Festivals und Märkte, wobei der Gewinn in die Kasse des Tiergnadenhofes fließt. Durch Käufe und auch durch Spenden kann zum Paradies der Tiere beitragen werden.
Lisa Brem
Wer den Tiergnadenhof von Karl und Angela Schweiger unterstützen möchte, kann dies beispielsweise mit einer Spende machen. Die Bank- bzw. PayPal-Daten lauten:
Tiergnadenhof Zell e.V.
IBAN: DE 34 743691460007415869
BIC: GENODEF1RZK
Raiffeisenbank Konzell/Rattiszell
Verwendungszweck: 100% für Tiere
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