Regensburg/Eppenschlag. Diese ganze Geschichte ist kein künstlich geschaffenes Werk. Soviel vorab. Auch wenn das Ganze sehr befremdlich daherkommt. Oberst a.D. Maximilian Eder ist, das hat er bei einem Termin vor dem Verwaltungsgericht Regensburg betont, der Ansicht, dass er „in der Realität daheim“ sei. Und das, obwohl er seit fast zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt und an unterirdische Folterkeller für Kinder glaubt. Eine Veröffentlichung in Kooperation mit unserem Partner-Blog regensburg-digital.

„Wenn ich hoffentlich demnächst bald ableben werde, dann bekommt meine Frau wenigstens die 60 Prozent Witwenrente, so lange es keine rechtskräftige Entscheidung gibt“, sagt der hagere Mann mit Brille, grauem Schnauzer und langen weißen Haaren. Und als der Mittsechziger noch mit emotionsloser Stimme anfügt, dass er selbst dafür Sorge tragen werde, dass dieses, sein Ableben, rechtzeitig komme, stöhnt eine Frau in den Zuschauerreihen vernehmlich auf.
Vor der vierten Kammer am Verwaltungsgericht Regensburg sitzt Maximilian Eder. Oberst a.D. der Bundeswehr, Mitbegründer des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und mittlerweile seit bald zehn Monaten in Untersuchungshaft. Wegen des dringenden Tatverdachts, einer rechtsterroristischen Vereinigung aus der Reichsbürger- und QAnon-Szene anzugehören. Der Niederbayer, zuletzt wohnhaft in Eppenschlag, soll Mitglied im Führungsstab der mutmaßlichen Verschwörergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen sein.
Diese Gruppierung hat es sich laut Generalbundesanwalt zum Ziel gesetzt, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“. 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer dieser „Patriotischen Union“ wurden Anfang Dezember 2022 festgenommen. Sie warten seitdem auf ihren Prozess. Darunter auch Eder.
Vor dem Verwaltungsgericht Regensburg ist Eder der Kläger
Doch darum geht es heute nicht. Vor dem Verwaltungsgericht Regensburg ist Eder nicht Angeklagter, sondern Kläger. Es geht um vier, schon lange vor Razzia und Verhaftung verschwundene Waffen Eders. Über deren Verbleib wollte das Landratsamt Freyung-Grafenau genauer Bescheid wissen. Zuvor hatte die Behörde ihm die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen. Wegen einer Trunkenheitsfahrt und Hinweisen auf sicherheitsgefährdende, demokratiefeindliche Bestrebungen – seine Auftritte bei Corona-Protesten oder in Bundeswehruniform beim Hochwasser im Ahrtal.
Da der ehemalige Berufssoldat nur unzureichende und widersprüchliche Angaben zum Verbleib der Waffen machte, verhängte das Landratsamt mehrere Zwangsgeldbescheide über insgesamt 54.000 Euro. Gegen die geht Eder nun mit seinem Rechtsanwalt Alois Fuggenthaler vor. Es ist bereits der zweite Anlauf am Verwaltungsgericht Regensburg. Zu einem ersten Termin war Eder nicht erschienen.
„Aufgewachte“ Unterstützer im Publikum
Über den Messenger-Dienst Telegram hatte Eder im Vorfeld der Verhandlung um Unterstützung gebeten. Und tatsächlich findet sich ein knappes Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörer ein. Eher ältere Semester, die sich in den Verhandlungspausen darüber austauschen, wann und warum sie jeweils „aufgewacht“ sind und darüber, dass man diesem Staat viel zu lange vertraut habe. „Dabei hab ich meinen Opa immer gefragt, warum sie damals so lange zugeschaut haben. Jetzt kommt das wieder“, meint beispielsweise eine Frau.
Es wird darüber debattiert, ob es nun stimme, dass „die Eliten bessere Impfstoffe bekommen“ hätten während der Corona-Pandemie und ob der geimpfte Partner einen durch Berührung tatsächlich „krank machen“ könne. Viel Geraune. Wissendes Nicken. „Die AfD müsste mal vier Jahre an die Macht kommen, dann ginge es wieder aufwärts mit Deutschland“, ist ein stämmiger Mann mit Stirnglatze überzeugt.
Ex-Soldat will Waffen in der Donau entsorgt haben
Im Vergleich dazu klingt das, was Eder vor Gericht mit ruhiger Stimme und in höflichem Ton zu Protokoll gibt, fast schon vernünftig, ein wenig einsichtig. Zunächst jedenfalls. Er habe es damals, als ehemaliger Berufssoldat, der seinem Land über Jahrzehnte gedient habe und immer ordnungsgemäß mit Waffen umgegangen sei, „als demütigend und erniedrigend“ empfunden, wie der Staat mit ihm umgegangen sei. Das Handeln des Landratsamts, ihm die Waffenerlaubnis zu entziehen, möge legal gewesen sein, aber auch „zutiefst ungerecht“. An anderer Stelle bezeichnet Eder es als „zutiefst schändlich, was mir der Staat vorwirft, dass ich Waffen verwenden würde, um Menschen zu töten oder den Reichstag zu stürmen“.
Deshalb, weil er sich einer Obrigkeit, die so mit umgegangen sei, „nicht unterwerfen“ und ihr die Waffen nicht aushändigen wollte, habe er sich entschlossen, diese eigenständig zu entsorgen, „so dass sie keinen Schaden anrichten“. Im Rahmen eines Abschiedsrituals, Eder spricht von „Exerzitien“, habe er sich zwischen Deggendorf und Hengersberg eine geeignete Stelle an der Donau gesucht, wo er einen Plastiksack mit den zerlegten Waffen versenkt habe. Dazu habe er Bier, Glüh- und Rotwein getrunken. In Gedanken an seine Bundeswehrzeit vertieft.
Vom Protest gegen Corona-Maßnahmen zu QAnon
Wo genau an der Donau das war, das wisse er nicht mehr, sagt er. Denn damals, Ende 2021, sei es eine Zeit gewesen, wo er „in wichtigeren Dingen gesteckt“ sei. Und dann erwähnt Eder erstmals seinen Kampf gegen die „satanisch-rituelle Pädophilie“, dem er sich verschrieben habe.
Was Eder mit zunehmender Dauer der Verhandlung beschreibt, ist, auch wenn er es selbst wohl als „Aufwachen“ bezeichnen würde, sein zunehmendes Abdriften in die Verschwörerszene. Anfangs habe er sich bei der Kritik gegen die Corona-Maßnahmen exponiert, wo er den Ex-Polizisten Karl Hilz kennengelernt habe. Der sei anschließend zu einem seiner besten Freunde geworden.
Hilz, der Ende 2021 verstarb – „oder verstorben wurde“, man wisse das ja nie, meint Eder – war ein zentraler Akteur der Querdenker-Szene in Bayern. Er sprach mit Blick auf Corona unter anderem von einer „Plandemie“, sah die politischen Maßnahmen als „Faschismus“ und zog immer wieder Vergleiche mit der NS-Zeit. Hilz war es auch, der ihn „hingestoßen“ habe auf das Thema „satanisch-rituelle Pädophilie“, sagt Eder. Eine weithin anschlussfähige Verschwörungserzählung, auch als „Satanic Panic“ bekannt, die der Ex-Soldat augenscheinlich für bare Münze nahm – und bis heute nimmt.
Jagd nach (vermeintlichen) Missbrauchstätern
Trotz Ermahnungen von Richter Andreas Fischer holt der Kläger weit aus. Er habe eine sechsstellige Summe investiert, um den Kampf gegen diesen Kindesmissbrauch aufzunehmen. Habe Handgeld an Personen bezahlt, die ihm behilflich waren. Habe Überwachungsgerätschaften angeschafft. Seine Erfahrungen bei der Jagd nach Kriegsverbrechern habe er nun für die Jagd nach Missbrauchstätern genutzt. Dabei habe er sein Privatvermögen aufgebraucht, Kredite aufgenommen.
Das sei doch wichtig, meint er immer wieder. Bei der katholischen Kirche, „der traditionellen Form des Kindesmissbrauchs“, habe es ja auch lang keiner geglaubt. Und deshalb habe er das getan, was eigentlich Aufgabe der Behörden gewesen wäre.
Unter anderem gilt Eder den Ermittlungsbehörden auch als Beteiligter an einer Kindesentführung, den angeblichen „Fall Nathalie“, der mittlerweile als beispielhaft gilt für die Verschwörungserzählungen rund um „satanisch-rituellen Missbrauch“. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zur bizarren Welt von QAnon – unterirdische Geheimgefängnisse und Folterkeller für Kinder, an die Eder glaubt und über die er auch öffentlich bei den Corona-Protesten sprach.
Durch Verschwörungsglauben finanziell ruiniert?
Die Verhaftung Ende 2022 war offenbar nur noch der letzte Tropfen, der Eders finanziellen Ruin besiegelte. Denn zusätzlich zu dem Geld, das er im Zuge seines Verschwörungsglaubens ausgab und den Schulden, die er deshalb machte, wurde ihm nun auch noch seine Pension gekürzt.
Er erzähle all das, um klar zu machen, warum ihm das Thema Waffen seinerzeit nicht so wichtig gewesen sei, sagt Eder. Warum er mal angab, sie jemand gegeben haben, aber nicht mehr wisse wem, warum er widersprüchliche Angaben machte. Er habe damals, in der „Hochzeit meiner Corona-Kritik“, wegen des Todes von Karl Hilz und der Belastungen durch seine „Ermittlungen“ in Sachen Missbrauch einfach auch sehr viel Alkohol getrunken, sagt Eder. Erst auf den Rat seines Anwalts hin habe er schließlich erzählt, wie es wirklich war.
Gericht weist Eders Klage ab
Die vierte Kammer am Verwaltungsgericht Regensburg überzeugt all das nicht. Es beurteilt die Bescheide des Landratsamts Freyung-Grafenau als rechtens und weist Eders Klagen im Wesentlichen ab. Als Besitzer von Waffen sei er nunmal auskunftspflichtig. Und er habe die Widersprüche in seinen Angaben auch im Zuge der Verhandlung nicht ausräumen können.
Ihm selbst sei das ohnehin „egal“, hatte Eder im Vorfeld der Urteilsverkündung erklärt. „Wenn Sie mich verurteilen wollen, dann machen Sie das ruhig.“ Er hält nach wie vor das Thema des satanisch-rituellen Missbrauchs für zentral, empfiehlt im Rahmen seiner Aussage mehrere Bücher, die auch von Anwesenden aus den Zuschauerreihen aufmerksam zur Kenntnis genommen werden. Er sei nämlich durchaus „in der Realität daheim“, auch wenn ihm mehrere psychologische Untersuchungen Wahnvorstellungen attestiert hätten.
„Ob die Journalisten es dieses Mal so schreiben werden, wie es wirklich ist?“, fragt eine Frau auf den Zuschauerplätzen, während man auf das Urteil wartet. Eher nicht antwortet jemand. Manche würden eben nie aufwachen. Aber zumindest habe Eder es hier mal alles zu Protokoll gegeben.
Der Verbleib der Waffen bleibt derweil weiter unklar.