Freyung-Grafenau/Regen/Passau. Ähnlich wie schon während der Flüchtlingskrise 2015/16 ist der „Migrationsdruck“ im Bayerischen Wald aufgrund der Grenznähe zu Tschechien und Österreich deutlich zu spüren. Asylbewerber wurden zuletzt u.a bei Schweinhütt, Waldkirchen, Neureichenau und Wegscheid von den Schleusern einfach „abgeladen“. Fast täglich melden die Beamten derartige Vorgänge, weshalb es innerhalb der Bevölkerung rumort, was vor allem das rechte Spektrum zu instrumentalisieren weiß. Doch wie ernst ist die Situation tatsächlich? Bzw.: Ist die Flüchtlings-Lage außer Kontrolle geraten?

Ein Bild, das in seiner Schlichtheit schockiert: Menschlichkeit spielt bei den Schleusern keine Rolle. Einzig der wirtschaftliche Aspekt ist Antriebsfeder. Foto: Bundespolizei

Das Onlinemagazin da Hog’n wendet sich mit diesen Fragen zunächst an die Behörde, die unmittelbar mit illegal in Deutschland neu angekommenen Migranten zu tun hat – nämlich die Bundespolizei (BuPo). Jürgen Bockstedt, Sprecher der BuPo-Inspektion Passau, nimmt der Thematik sogleich etwas Wind aus den Segeln – und kontert somit der Meinung vieler, dass die derzeitige Konstellation an die große Flüchtingswelle von vor sechs bzw. sieben Jahren erinnert. „Die Situation ist nicht vergleichbar mit Herbst 2015 bzw. Frühling 2016, allein schon aufgrund der damals größeren Zahl der unerlaubten Einreisen“, unterstreicht der Beamte.

2022: 15.369, 2023: 17.127 Fälle

Entsprechendes Zahlenmaterial – wenn auch etwas kurzfristiger im Vergleich – belegt diese Aussage. Die für die grenzpolizeilichen Aufgaben im Freistaat Bayern zuständige Bundespolizeidirektion München, der auch die Passauer Inspektion untergeordnet ist, hat von Januar bis August 2023 insgesamt 17.127 unerlaubte Einreisen registriert. Im Vorjahreszeitraum waren es 15.369 Fälle. Im Rahmen einer Pressemitteilung liefert die Behörde weitere Zahlen

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Monatlich stellten die Beamten im Zeitraum Januar 2021 bis August 2023 jeweils die folgende Anzahl unerlaubt eingereister Personen in Bayern fest:

  • Januar 2021 / 2022 / 2023: 881 / 1.380 / 1.936
  • Februar 2021 / 2022 / 2023: 998 / 1.243 / 1.288
  • März 2021 / 2022 / 2023: 1.042 / 1.438 / 1.751
  • April 2021 / 2022 / 2023: 1.011 / 1.778 / 1.797
  • Mai 2021 / 2022 / 2023: 928 / 1.781 / 1.952
  • Juni 2021 / 2022 / 2023: 1.238 / 2.685 / 2.099
  • Juli 2021 / 2022 / 2023: 1.355 / 2.286 / 2.673
  • August 2021 / 2022 / 2023: 1.401 / 2.778 / 3.631
  • September 2021 / 2022: 1.511 / 3.685
  • Oktober 2021 / 2022: 2.050 / 4.157
  • November 2021 / 2022: 1.742 / 3.510
  • Dezember 2021 / 2022: 1.542 / 2.508

Migrations-Brennglas auf Südost-Bayern gerichtet

Ja, es ist ein Anstieg auszumachen. Aber es ist keine „Explosion“ feststellbar. Wobei, zugegeben, das Migrations-Brennglas aus bereits genannten topographischen Gründen auf die grenznahen Regionen in Südost-Bayern gerichtet ist. Dort die Lage als dramatisch zu beschreiben, liegt nicht fern, wenn man die Bilder von in Kofferräumen und Kombis gepferchten Menschen sieht.

„Regelmäßig werden die Beamten Zeugen davon, unter welch gefährlichen Umständen Menschen wie Ware transportiert werden.“ Foto: Bundespolizei

Die Bundespolizei reagiert darauf bereits seit September 2015 mit mobilen Grenzkontrollen, die „lageabhängig und flexibel“ stattfinden, wie Jürgen Bockstedt berichtet, der weitergehend erklärt: „Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zu Einsatzstärken aus taktischen Gründen grundsätzlich nicht äußern.“

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571 Schleuser verhaftet

Maßnahmen würden von offenen und verdeckten Binnengrenzfahndungen über Grenzkontrollen und Ermittlungen bis hin zu bi- und trinationalen Streifen reichen. „Die Ermittler der Bundespolizei sind spezialisiert darin, Schleusernetzwerke zu erkennen, zu identifizieren und zu zerschlagen. Ein wichtiger Baustein ist hier die überregionale und internationale Zusammenarbeit“, führt der BuPo-Sprecher weiter aus.

So hätte die Bundespolizei allein in Bayern von Januar bis Juli 2023 insgesamt 571 Schleuser festgenommen. „Die Ausbeutung der Schleusungswilligen haben Beamte Tag für Tag vor Augen. Regelmäßig werden sie Zeugen davon, unter welch gefährlichen Umständen Menschen wie Ware transportiert werden. Umso wichtiger ist es, skrupellosen Schleusern das Handwerk zu legen.

Regionale Politiker wenden sich an Berliner Führung

Der Bayerische Wald war zuletzt mehr und mehr Drehort derartiger dramatischer Szenarios. Das ist inzwischen auch an höheren Stellen, genauer gesagt in München und allen voran Berlin, angekommen. Sebastian Gruber, Landrat von Freyung-Grafenau, hat darauf im Rahmen eines Schreibens an Innenministerin Nancy Faeser aufmerksam gemacht. Seine Regener Amtskollegin Rita Röhrl schlägt nun einen ähnlichen Weg ein: Sie verschickte einer Pressemitteilung zufolge eine Kreistagsresolution an den Bundeskanzler, die Bundesinnenministerin und die Vertreter der Fraktionen im Deutschen Bundestag.

„Die massiv ansteigenden Zahlen an Geflüchteten bereiten den Bürgern große Sorge“, schreibt Regens Landrätin Rita Röhrl. Foto: Hog’n-Archiv

Darin betont sie, dass, wie in der jüngsten Sitzung des Gremiums beschlossen, die deutliche Mehrheit der Kreisräte die Brüsseler Erklärung der Bayerischen Landrätinnen und Landräte zur Asyl- und Migrationspolitik aus dem Jahr 2022 und den Appell der bayerischen Landrätinnen und Landräte an die Bundesrepublik vom 15. September dieses Jahres vollumfänglich unterstützt.  „Die massiv ansteigenden Zahlen an Geflüchteten und Schutzsuchenden aus aller Welt bereiten mir und den Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises Regen große Sorge“, schreibt Röhrl.

„Noch ist es nicht zu spät, eine Reform zu erwirken“

Sie weist darauf hin, dass die „überbordende Einwanderung“ das Schaffen neuer Kapazitäten und Unterkünfte erfordert und kritisiert die Einrichtung der geplanten Unterkunft in Rabenstein. „Dies schürt Unsicherheiten über die Zukunft des Ortsgefüges, über den sozialen Zusammenhalt und die Stabilität der Ortsteile insgesamt“, äußert sich die Landrätin weiter. Sowohl die Kreisverwaltung als auch die Bürgerinnen und Bürger selbst würden an ihre Grenzen stoßen. Dabei gehe es nicht um Ablehnung oder gar Missgunst gegenüber den Asylsuchenden, es mangele an Verhältnismäßigkeit bei der Aufnahme und Verteilung der Geflüchteten.

Die Politiker in Berlin sollten dabei die Stimmen der unteren Verwaltungsbehörde nicht ungehört lassen. Rita Röhrl: „Noch ist es nicht zu spät, eine Reform im Rahmen der geltenden Unionsrechtslage zu erwirken.“

Helmut Weigerstorfer

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