FRG. Freyung-Grafenaus Landrat Sebastian Gruber hat sich in einem eindringlichen Schreiben an die für Migration und Flüchtlinge zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser gewandt. Es geht darin um die aus seiner Sicht dramatische Migrationssituation, die sich in jüngster Vergangenheit insbesondere auch in der Grenzregion FreyungGrafenau mehr und mehr zuspitzt. Sein eindringlicher Appell an die Ministerin lautet: „Sie müssen nun das Heft des Handelns in die Hand nehmen.“

Landrat Sebastian Gruber ist seit 2020 auch Vorsitzender des Bezirksverbandes Niederbayern im Bayerischen Landkreistag. Im Mai 2023 wurde er zudem zum Dritten Vizepräsidenten des Bayerischen Landkreistags gewählt. Foto: Landratsamt FRG

„Der Landkreis Freyung-Grafenau kommt bis heute seiner Verantwortung zur Aufnahme und Unterbringung von Menschen mit Fluchthintergrund nach“, konstatiert Gruber eingangs seines Scheibens. Aktuell sind ca. 1.800 Personen unterschiedlicher Herkunft im Landkreis untergebracht. „Die Unterbringung alleine fordert uns täglich, die Kapazitäten sind schon lange knapp, die Lage ist deshalb extrem angespannt“, schildert Gruber und versichert: „Alle arbeiten auf Anschlag, die Belastung ist seit Jahren extrem hoch.“ Themen wie soziale Betreuung, die Integration, die Folgen für die Gesellschaft, notwendige Plätze in der Kinderbetreuung und in Schulen, ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung und die gesamte Koordination seien neben dem sprichwörtlichen „Dach über dem Kopf“ von besonderer Bedeutung.

„Ungezügelter Zufluss – allen voran von illegaler Migration“

Doch in all den genannten Bereichen sei die Situation trotz hochqualifizierter Aufstellung sehr angespannt. „Ja, der Bund überfordert die Kommunen und die Bevölkerung“, weiß Gruber. Seine Kritik: „Leider gibt es auf Bundesebene keine offene und umfangreiche politische Debatte zu Asyl, zu Erwerbsmigration, zu illegaler Zuwanderung. Stattdessen haben wir aktuell einen ungezügelten Zufluss – allen voran von illegaler Migration – nach Europa. Der Migrationsdruck ist daher immens, Tendenz steigend. Die Lage vor Ort, gerade in Freyung-Grafenau, ist dramatisch.“

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Zwei von den Geschleusten wurden in den Kofferraum eines Fahrzeugs gepfercht. Foto: Bundespolizei Passau

Verschiedene Zahlen würden dies untermauern: Die Bundespolizeiinspektion Passau hat entlang der niederbayerisch-österreichischen Grenze von Simbach am Inn (Landkreis Rottal-Inn) bis zum Dreiländereck Deutschland – Tschechische Republik – Österreich zwischen dem 7. und 10. September – also innerhalb von nur vier Tagen – insgesamt 359 Migranten und 28 Schleusungen festgestellt (da Hog’n berichtete). Alleine im Landkreis Freyung-Grafenau wurden in der ersten Septemberwoche rund 150 Migranten aufgegriffen, zum großen Teil aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. „Es vergeht aktuell kein Tag, ohne dass es Aufgriffe gibt“, berichtet Gruber. Hinzu komme eine Dunkelziffer.

Aus Gesprächen mit Geflüchteten sei zu vernehmen, dass sich aktuell viele Türken – im Besonderen Kurden – auf den Weg nach Deutschland machen. „Diese steuern, das als wichtige Hintergrundinformation, Regionen in ganz Deutschland an, in denen bereits Verwandte und Bekannte leben, z.B. Dortmund, Gelsenkirchen, Frankfurt usw. Gleiches gilt auch für Afghanen, Syrer und andere Nationalitäten“, schreibt der Landrat an die Bundesministerin. Auch wenn die Situation aktuell zunächst ein Problem der Grenzregionen sei: „Aufgrund der Kausalkette wird es aber ein ebenso großes, wenn nicht noch größeres Problem der Metropolen im gesamten Bundesgebiet.“

„Schutzbedürftige werden immer willkommen sein“

Dennoch gebe es viel Anerkennung für die Bundes- und Landespolizei. „Ich bedanke mich ausdrücklich bei den örtlich Verantwortlichen, die bis an die Grenzen der Belastbarkeit zuverlässig ihren Dienst verrichten. Aktuell wird mit Sicherheit ein Großteil der Kapazitäten ausschließlich für dieses Thema gebündelt“, lobt Gruber – und fordert von Bundesministerin Faeser: „Insofern ist es dringend notwendig, dass gerade Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich die Bundespolizei vor Ort kurzfristig mit zusätzlichen Kräften unterstützen. In jedem Fall ist umgehend ein noch dichteres Kontrollnetz notwendig, ansonsten verschärft sich die Situation weiter. Sie leiten das dafür zuständige Ministerium, Sie müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen!“

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Sebastian Gruber hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu eingeladen, sich einen Überblick über die aktuelle Flüchtlingssituation vor Ort zu verschaffen. Foto: Oliver Tamagnini

Trotz aller Herausforderungen betont Gruber, „dass ich im Kontext dieses Briefes und Anliegens nicht von Menschen spreche, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Diese brauchen und müssen auch weiterhin Hilfe in Europa, in Deutschland und vor Ort bekommen“. Gruber verspricht: „Schutzbedürftige werden in unserem Landkreis immer willkommen sein.“ Gerade Fragen der illegalen Migration würden vor Ort mitunter am drängendsten und am intensivsten geführt und seien schlussendlich eine Belastungsprobe für die gesamte Gesellschaft, so Gruber. Vom authentischen Lagebild in Freyung-Grafenau könne sich die Bundesministerin nun ein eigenes Bild machen:

„Gemeinsam an konkreten Lösungen arbeiten“

„Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich lade Sie sehr herzlich ein“, schreibt Gruber. Ein solcher Termin sei sinnvoll, um mit Verantwortlichen verschiedener Behörden zu sprechen, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und einen umfassenden Eindruck in einer markanten Grenzregion zu bekommen. „Als Landrat trage ich Verantwortung für besondere Menschen, die es verdient haben, dass Sie als zuständige Ministerin in Berlin die Probleme ernst nehmen und, gemeinsam mit allen Beteiligten, an konkreten Lösungen arbeiten.“

da Hog’ng


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