Bad Kötzting. Auf der saftig grünen Wiese liegt eine Kuh in der Sonne und leckt mit rauer Zunge ihr Baby liebevoll den Rücken. Ein durchaus gewohnter Anblick. Dass es sich bei dem „Baby“ jedoch um einen ausgewachsenen vierjährigen Bullen handelt, überrascht da schon mehr. „Da geht mir einfach das Herz auf, wenn ich die beiden beobachte und sehe, dass die Tiere noch eine jahrelange Bindung zueinander haben“, sagt Stefan Freimuth. Denn die Kälber bleiben auf sein Geheiß nach der Geburt bei den Muttertieren.

„Da geht mir einfach das Herz auf“: Mutter mit „Baby“, einem ausgewachsenen vierjährigen Bullen (Bildmitte). 

Das und vieles mehr sind die Motoren, die den 41-jährigen Angus-Rinderzüchter auf seinem Hof in Steinbühl im Ortsteil Buchberg, knapp zehn Kilometer von Bad Kötzting entfernt, antreiben. Bauer und Tierfreund aus tiefster Überzeugung ist er. Tierfreund deshalb, weil das Wohl seiner zwanzig Angusrinder (davon ein paar Wagyus) und seiner drei Schweine für ihn oberste Priorität hat. Das beginnt grundsätzlich bei der Haltung und Fütterung – und endet mit der Schlachtung und Fleischverarbeitung. Seine Tiere genießen hier das sprichwörtliche Paradies auf Erden.

Bauer mit Leib und Seele

Der Hof in Alleinlage umfasst eine Grünfläche von zehn Hektar, dazu kommen 14 Hektar Wald, ein Wohnhaus, Stallungen und Nebengebäude. Bereits Vater Josef Freimuth begann 1990 mit der Rinderzucht, seit vierzehn Jahren ist nun Sohn Stefan der Chef – natürlich mit der nötigen familiären Unterstützung. „Wir sind eine große Familie und helfen uns gegenseitig“, weiß Freimuth jun. zu berichten. Anders würde es auch gar nicht funktionieren.

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Sauberkeit ist ein weiteres wichtiges Thema für ihn. „Ich möchte nicht mit Gummistiefeln auf meinem Hof durch die Lett’n waten müssen“, sagt er. Der Hof ist ordentlich asphaltiert und gepflastert. Auch die Tiere sind reinlich. „Bei ihnen ist mir die Hygiene genauso wichtig. Die Haut eines Lebewesens ist ja keine Plastikfolie, sondern durchlässig – und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fleischqualität nicht beeinträchtigt wird, wenn das Tier bis oben hin voller Dreck ist“, führt er weiter aus. Ein nachvollziehbarer Gedanke.

Stefan Freimuth mit den drei Schweinen, die sich auf dem Buchberghof recht wohlfühlen.

Ebenso sind auf dem Hof etliche Kameras installiert. Jedoch nicht etwa, um Einbrecher zu überführen oder abzuschrecken. Zum einen kann der Kunde (auf Wunsch) so jederzeit sehen, wie die Tiere auf dem Buchberger Hof leben. Zudem kann er selbst die Schlachtung mitansehen, um sich davon zu überzeugen, dass diese wirklich – wie versprochen – vonstattengeht, sprich: das Tier nicht leiden muss. Zum anderen kann Freimuth per Kamera beobachten, was auf der Weide oder im Stall gerade los ist. Der Freilauf ist für die Rinder im Sommer genauso wie zur kalten Jahreszeit offen. Sie können also nach Herzenslust Frischluft tanken oder sich im Stall aufhalten. Auch den Schweine steht dort eine große Fläche samt großzügigem Freilauf, den sie ebenso beliebig aufsuchen können, zur Verfügung.

Fleisch von „glücklichen Angusrindern“

Was den Kötztinger Rinderzüchter froh macht: „Wenn mir meine Kunden berichten, wie gut ihnen mein Fleisch schmeckt. Denn dann weiß ich, dass ich hier alles richtig mache.“ Seine Kundenliste ist lang und immer wieder gibt es Neuzugänge. Es sei für ihn daher schwierig, stets alle Kunden zu bedienen, da nur drei- bis viermal pro Jahr geschlachtet wird. Doch unterm Strich bekommen alle Interessenten ein Stück Fleisch seiner „glücklichen Angusrinder“ ab.

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Was macht aber nun das gute Stück Fleisch vom Buchberghof aus? Wichtig ist, dass es zwischen drei und sechs Wochen in der hofeigenen Kühlung hängt, bevor es verarbeitet wird, weiß Stefan Freimuth. Je länger das Fleisch reift, desto geschmackvoller und zarter ist es am Ende. Die Beschaffenheit des Rindfleischs ist dabei sehr kurzfaserig, der Geschmack mutet sehr eigen und fein an. Hinzu kommt die außergewöhnliche Marmorierung.

„Konkurrenz kenne ich nicht“

Inzwischen gibt es einige Bauern, die Freimuths Philosophie in puncto Rinderhaltung teilen. Hierbei sieht er den Konkurrenzgedanken jedoch völlig außen vor: „Jeder von uns hat seine Kunden und oft können wir nicht alle auf einmal bedienen. Dann hilft man sich gerne gegenseitig aus. Es ist für jeden genügend Marktanteil da“, sagt er. Das heißt: Es gibt genügend Menschen, die bereit sind einen fairen Preis für die Ware zu bezahlen.

Eine von mehreren Kameras, die auf dem Freimuth-Hof angebracht sind.

Der Nebenerwerbslandwirt selbst befindet sich in der komfortablen Lage, nicht vom Fleischverkauf leben zu müssen. Stefan Freimuth arbeitet in Teilzeit als Informationselektroniker und zeichnet für die Brandmeldeanlagen großer Gebäude verantwortlich. „Meine beiden Berufe ergänzen sich ideal“, teilt der 41-Jährige mit. „Wenn ich oft gestresst von der Arbeit heimkomme, geh ich in den Stall zu meinen Rindern – und alles fällt von mir ab. Dort kann ich wieder auftanken.“ Im Sommer ist er täglich etwa drei Stunden mit Hofarbeit beschäftigt, im Winter sind es fünf.

Neue Geschäftsidee: Rinder-Leasing

Der Begriff „Auto-Leasing“ dürfte wohl jedem bekannt sein. Aber „Rinder-Leasing“? Das ist neu! Wie sieht dieses Modell in der Praxis aus? „Zwischen dem Kunden und mir wird ein Leasingvertrag geschlossen. Er kauft ein acht Wochen altes Kalb, für das er monatliches Futtergeld und Haltungskosten bezahlt“, erklärt Stefan Freimuth und fügt hinzu: „In einem Mindestalter von 24 Monaten, maximal 36, wird das Rind geschlachtet und der Kunde erhält im Anschluss das gesamte Tier zerlegt, wobei der Leaser selbst mit dem Metzger ausmacht, was er haben möchte.“ Das Leasing hat sich zu einem beliebten Modell für einige Fleischliebhaber entwickelt, wobei Freimuth nicht zu viele Tiere verleasen möchte, damit für seinen eigenen Kundenstamm noch genügend zum Verkauf übrigbleibt.

Der Sonntag davor ist ein greislicher Tag

So beschaulich die Weidenidylle auch anmutet – irgendwann steht der „Tag X“ bevor: der Schlachttag. In der Regel ein Montag. „Der Sonntag davor ist immer ein greislicher Tag – da geht’s mir gar nicht gut“, schildert Freimuth sein Innenleben. Doch ohne Schlachtung gibt’s nun mal kein Fleisch auf den Teller. Diese läuft bei ihm jedoch so tierverträglich und glimpflich wie möglich ab, das heißt: stress- und schmerzfrei.

„Ich bin es ihnen schuldig, dass sie ihr Leben auf dem Hof beenden dürfen.“

Davon, die Rinder direkt auf der Weide zu erlegen, wie es manche Bauern praktizieren, hält der Züchter wenig. „Ich habe mich dagegen entschieden, denn wenn das einmal nicht gutgeht, hat man ein riesiges Problem.“ Er würde seine Tiere auch nie zur Schlachtung weggeben -„das käme mir wie Verrat vor. Ich bin es ihnen schuldig, dass sie ihr Leben auf dem Hof beenden dürfen. Außerdem wüsste ich nicht, was woanders mit ihnen passiert – da will ich mit dabei sein“, erklärt er. Wie kann also eine Schlachtung möglichst „human“ vonstatten gehen?

Freimuth separiert dafür die schlachtreifen Rinder bereits Monate vor dem Tag X von der Herde und stellt sie auf einen gesonderten Weideabschnitt. Binnen weiterer zwei Wochen führt er das Rind in die so genannte Schlachtbox, wo es Heu und Leckerli zu fressen gibt. Dort hält sich das Tier ein paar Stunden auf, bis es wieder auf die Weide kommt. Am Tag der Schlachtung verspürt es somit keinerlei Stress, wenn es in die Box geführt wird. Mit Bolzenschuss und Öffnung der Halsschlagader maximal eine Minute danach spürt das Tier quasi keinen Schmerz. „Und genau das merkt man dem Fleisch an. Wie ich selbst weiß und mir meine Kunden immer wieder bestätigen, ist zwischen meinem und konventionellem Fleisch ein riesiger Geschmacksunterschied.“

Direktvermarktung ab Hof

In enger Zusammenarbeit mit einer Viechtacher Metzgerei wird das Tier vom Buchberger Hof dann verarbeitet. „Man muss erstmal einen Metzger finden, der all meine Einfälle mitmacht“, berichtet Freimuth und lacht. Doch genau den hat er gefunden. Es gibt nicht nur die Klassiker wie Steak, Gulasch, Roulade, Hackfleisch oder Braten, sondern auch ausgefallenere Fleischspezialitäten wie Flat-Iron-Steak, Hanging Tender oder ein Fledermaus-Steak. Wie bei Starkoch Lucki Maurer lautet auch Freimuths Motto „From Nose to Tail“ („von der Nase bis zum Schwanz„) – was bedeutet, dass das gesamte Tier verwertet werden soll und es keine so genannten Abfallprodukte gibt. Das ist ebenfalls eine Wertschätzung dem Tier gegenüber.

Der Blick in den Kochtopf des Gasthaus‘ Fuchs in Mauth offenbart, dass hier qualitativ hochwertiges Fleisch der Freimuth’schen Rinder zubereitet wird.

Der Rinderbauer arbeitet auch eng mit dem Gasthof Fuchs in Mauth zusammen. Dort wird den Gästen gerne mal Exotisches vom Rind kredenzt, wofür die Wirtsleut‘ die Innereien der Freimuth’schen Rinder ankaufen. So stehen etwa vietnamesische Reisnudelsuppe mit Fleischeinlage vom Rinderschwanz oder in Rotwein geschmorte Kalbsbacken gerne mal auf der Speisekarte. „Für mich ist der Endkunde wichtig, denn er ist schließlich der treueste Kunde. Ich möchte gar nicht in größerem Stil an Restaurants verkaufen“, verdeutlicht Stefan Freimuth.

Etwa 100 bis 120 Fleischliebhaber zählen zu seinem Kundenstamm. Erst wenn ein Tier geschlachtet wurde, weiß er genau, wie viel Fleisch zum Verkauf steht. Dann erstellt er eine Bestellliste mit Stücken, die sein Metzger für ihn zubereitet. Per WhatsApp-Status oder Telefonaten weiß die Kundschaft dann genau, was wann angeboten wird – und die Bestellungen gehen in Buchberg ein. Der Verkauf erfolgt ab Hof.

Konventioneller Betrieb vs. Bio-Landwirtschaft

Das Thema Rinderhaltung, Schlachtung, Haltungsformen, Tierwohl-Label etc. gehören seit Jahren zu den großen gesellschaftlichen Streitthemen. Natürlich ist es für den Endverbraucher einfach zu sagen, dass echtes Tierwohl stets gegeben sein soll. Doch die Realität sieht oft anders aus und stellt für viele Bauern häufig ein Ding der Unmöglichkeit in Sachen Umsetzung dar.

„Ich bin in der angenehmen Situation, dass ich nicht von der Landwirtschaft leben muss“, erklärt Stefan Freimuth dazu und ergänzt: „Doch wenn vom Betrieb alle Rechnung gezahlt werden müssen, geht es oft nicht anders. Die konventionellen Landwirte produzieren schließlich den Großteil der Fleisch- und Wurstwaren, die die Bevölkerung verzehrt, also brauchen wir sie.“ Ein schwieriges, wahrscheinlich kaum lösbares Thema.

Buchberger Hof – weit mehr als nur Rindfleisch

Beim 41-Jährigen geht es inzwischen nicht nur ums Fleisch. Über das Startup MyCabin vermietet er drei Natur-Campingstellplätze auf seinem Grundstück in wunderschöner Lage, einer davon direkt neben dem Fischweiher. „Ich wollte erst gar nicht, aber die Jungs haben nicht mehr lockergelassen – und mittlerweile finde ich es toll“, erzählt er. Per Google Maps sind die Konstanzer Plattformbetreiber auf seine traumhafte Alleinlage – ideal für naturliebende Camper – aufmerksam geworden. Seitdem reisen Leute von überall nach Steinbühl – mit und ohne Kinder. Sogar eine Familie aus Paris hat so ihren Weg in den Bayerischen Wald bereits gefunden.

Und auch das städtische Ferienprogramm machte auf dem Angushof schon Halt: Zwölf Kinder verbrachten fast einen ganzen Tag lang damit, ein Insektenhotel zu bauen, Brot zu backen, Butter selbst herzustellen sowie das Gelände und den Wald zu erforschen. Zu essen gab es, was an diesem Tag von den Kinderhänden unter Aufsicht, Anleitung und Mithilfe produziert wurde. So erschloss sich einigen Buben und Mädchen die Frage, wo die Lebensmittel, die sie verzehren, ursprünglich herkommen, wie von selbst.

Offen für Neues sein. Und: „Geht nicht, gibt’s vielleicht schon – aber man muss es erst einmal ausprobieren, bevor man sagt: Gibt’s nicht!“ Drauf beruht Stefan Freimuths Philosophie – und man darf gespannt sein, was er sich noch so alles einfallen lässt…

Melanie Zitzelsberger


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