Freyung. Bei der Eröffnungsfeier der Landesgartenschau 2023 bezeichnete der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Freyung als „ökologische Hauptstadt Bayerns“. Was für viele auf den ersten Blick nach einem Kompliment für die kleine Stadt am großen Wald klingt, hatte in Wirklichkeit einen viel tiefer gehenden Sinn: Nach intensiver Recherche liegen dem Hog’n exklusiv interne Dokumente aus den höchsten Kreisen der Stadtverwaltung vor, die schier Unglaubliches offenlegen: Wenige Wochen vor Beginn der Landesgartenschau wurde Freyung – ohne Wissen der Öffentlichkeit – heimlich nach Berlin eingemeindet!
Was sich zunächst nach einem Treppenwitz anhört, ist bei näherer Betrachtung nicht zu übersehen. Bei einem kleinen Ausflug nach Freyung fallen etliche Maßnahmen und Veränderungen ins Auge, die seit der Eingemeindung in Windeseile umgesetzt worden sind. Das Ambiente der beschaulichen Kleinstadt und sogar die Mentalität ihrer Bewohner scheint sich in letzter Zeit rasant verändert zu haben.
Von der schläfrigen Kleinstadt zum Kulturkiez
Beispielsweise wurden Im Stadtzentrum die altehrwürdigen, dunkelbraunen Sitzbänke in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom örtlichen Bauhof ausgetauscht. Stattdessen zieren nun hippe, nachhaltige Liegen, hergestellt aus alten Paletten, die in den Trend-Farben grün, pink, rot und orange bemalt wurden, den Ortskern. Zudem wurden die örtlichen Gehwege mit ähnlich angesagter Straßenkunst verschönert, die ebenfalls aktiv Werbung für den neuen Stadtteil Berlins macht: Das Hashtag #freyungerleben soll internen Plänen zufolge dafür sorgen, dass auch Bürger aus Stadteilen wie Marzahn, Charlottenburg oder Tempelhof den neuen Kiez im Bayerwald erkunden und kennenlernen.
Zu diesem Zwecke wurden am Eingang des Stadtplatzes aus alten Bauzäunen und bunten Bändern auch zwei hübsche Tore errichtet, die laut Installationskünstlerin Helga Hinterdobler das Brandenburger Tor auf zeitgemäßem Level neu interpretieren sollen.
Ein umfunktionierter und fancy dekorierter Schiffscontainer vor dem Freyunger Kurhaus dient derzeit noch als Ersatz für ein geplantes Museum für moderne Kunst, das laut den uns vorliegenden Dokumenten in Bälde direkt neben der Volksmusikakademie im Langgarten errichtet werden soll. Auch für die Biodiversität wurde seit der Eingemeindung etwas getan: Vor der örtlichen Sparkasse wurden mehrere Insektenhotels platziert, die die lokale Artenvielfalt schützen sollen. Obgleich diese Hotels ab sofort offiziell auf Berliner Boden stehen, dürfte diese Aktion sicher auch die Befürworter des 2018 in Bayern gestarteten Volksbegehrens „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“ (im Volksmund: „Rettet die Bienen!“) glücklich stimmen.
Aus internen Kreisen heißt es, man wolle mit all diesen Maßnahmen bekannten Szene-Stadtteilen wie Friedrichshain oder dem Prenzlauer Berg Konkurrenz machen – und die Attraktivität des Stadtteils Freyung für weitere Berliner Bürger und Touristen dauerhaft steigern.
Es tut sich was im ÖPNV…
Die Organisation des Freyunger Verkehrssektors wurde ebenso dem neuen Bedarf entsprechend generalüberholt. Nachdem in bestimmten Ortsteilen wie Geyersberg bereits erste Pkw-Fahrverbote umgesetzt worden sind, setzen nun zahlreiche Freyunger auf ein für sie oft noch ungewohntes Verkehrsmittel – das Fahrrad. Gut zu sehen ist dies vor allem bei den „Abstellpraktiken“, die manchmal noch etwas unbeholfen wirken: Manche Bürger parken ihren Drahtesel sogar im beschaulichen Grün von Verkehrsinseln (siehe Foto).
Auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr geht es in Freyung seit der Eingemeindung nach Berlin stetig bergauf. Als der hiesige Citybus zum 1. April endgültig eingestellt worden war, gab es im Stadtgebiet nur noch die „Freyfahrt“, eine Mischung aus Rufbus und Sammeltaxi. Hier wurde nun überraschend nachgebessert: Seit dem Eröffnungstag der LGS gibt es einen völlig kostenlosen, eng getakteten Busverkehr! Mit dem sog. Gartenschau-Shuttlebus gelangt man im 15-Minuten-Takt bequem von A nach B. Doch nicht nur mit einem gut funktionierenden Busnetz soll Freyungs ÖPNV attraktiver gemacht werden – es gibt noch weit größere Pläne, die einer verkehrstechnischen Revolution gleichen!
Laut den uns vorliegenden Geheimpapieren ist für 2025 der Anschluss Freyungs an das Berliner U-Bahn-Netz geplant. Aktuelle Konzepte sehen vor, die Linie U4 bis nach Freyung zu verlängern. Praktischerweise befindet sich auf der Strecke bereits die Haltestelle „Bayerischer Platz“, was den Neubürgern aus dem Bayerwald die Orientierung wohl erleichtern dürfte. Auch ein Standort für die erste Freyunger U-Bahnhaltestelle ist bereits gefunden worden: Angedacht ist, den Stadtplatz zu untertunneln – und zwischen Kirche und Stadtplatzcenter einen unterirdischen Bahnhof anzulegen, der eine zentrale Anbindung an das U-Bahnnetz garantieren soll.
Einzelne Details noch ungeklärt
Ein nicht unerhebliches Problem stellt hingegen der Freyunger Ortsteil Kreuzberg dar. Da der Name innerhalb Berlins bereits prominent vergeben ist, wird für dafür nun ein neuer Name gesucht. Dabei soll es den Bürgern ermöglicht werden, bis zum 25. September Vorschläge zur Umbenennung einzureichen. Die anschließende Abstimmung darüber ist für den 3. Oktober, den Tag der deutschen Einheit, angesetzt – und wird mit Spannung erwartet. Der dialektale Name „Greizberg“ ist als Vorschlag laut offiziellen Regularien übrigens nicht zulässig, da hiermit eine eindeutige Unterscheidbarkeit zum bestehenden Berliner Kreuzberg nach wie vor nicht gewährleistet wäre.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in Freyung in den nächsten Jahren entwickeln wird. In jedem Fall setzt die Eingemeindung neue, positive Anreize für die Stadtentwicklung, die Freyung hoffentlich zu einer gelungenen Integration in die Berliner Stadtlandschaft verhelfen. Dass gerade Markus Söder, der sonst so gerne gegen Berlin wettert, den entscheidenden Starthinweis für unsere Recherche zur heimlichen Eingemeindung gegeben hat, ist wohl pure Ironie des Schicksals…
Satire: Florian Fink