Haidmühle/ Nove Udoli. Gut sechs Wochen liegt der bestätigte Wolfsriss bei Jandelsbrunn (da Hog’n berichtete mehrfach) nun zurück. Seitdem brodelt in der Gemeinde die Gerüchteküche. Ein Wolf soll unweit des Skilifts bei Oberfrauenwald dabei beobachtet worden sein, wie er ein totes Reh über die Straße zog. In Rosenberg und Wolfau sei ebenso ein Exemplar gesichtet worden. Rund um Wollaberg habe man immer wieder Wolfsgeheul vernommen. Gar von einem Rudel ist die Rede. Die Angst gehe um in Jandelsbrunn, vor allem ältere Bürger würden sich nicht mehr allein hinaus in die Natur zum Spazierengehen trauen.
„Warum werden da nicht mehr Infos an die Bewohner gegeben?“, fragt sich ein Hog’n-Leser mit der Bitte an die Redaktion, hier genauer nachzuforschen. „Ich finde, jeder Anwohner dort hat das Recht auf Aufklärung.“ Ein durchaus berechtigter Einwand. Denn von offizieller Seite, etwa vom Landratsamt Freyung-Grafenau, wo die Untere Naturschutzbehörde angesiedelt ist, gab es weder während noch im Nachgang des Jandelsbrunner Vorfalls Bekanntmachungen, Warnhinweise oder sonstige Informationen.
Nur das LfU darf Auskünfte erteilen
Der Grund für das Schweigen: Die Wolfsthematik liegt im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU), wie die Presseabteilung der Kreisbehörde informiert. Daher werden seitens des Landratsamts keine Medienanfragen, die den Wolf betreffen, beantwortet. Wir wollten unter anderem wissen, ob es nach Bekanntwerden des Jandelsbrunner Wolfsriss‘ seitens der Kreisverwaltung eine offizielle Reaktion dazu gebe. Ob es generell die Aufgabe des Landratsamts sei, nach Vorfällen wie jenem zumindest die ansässigen Nutztierhalter zu unterweisen, sie zu warnen oder zu kontaktieren. Ob man sich mit dem LfU nun abstimmen werde und ob die durch den Wolf entstandenen Schäden dem jeweiligen Nutztierhalter erstattet werden. Die Antwort: Die Zuständigkeit liegt beim Landesamt für Umwelt.
Dieses teilt nach Weiterleitung unserer Fragen nur recht allgemein mit, dass bei Nutztierrissen neben den lokalen Behörden auch Interessenverbände und Vertreter von Nutztierhaltern über den Sachverhalt informiert werden. Ebenso, dass auf der Internetseite des LfU alle Nachweise und Verdachtsfälle bei Nutztierrissen zeitnah veröffentlicht werden. „Das Bayerische Landesamt für Umwelt rät allen Nutztierhaltern der Region, ihre Tiere vor Übergriffen durch den Wolf z. B. mit einer wolfsabweisenden Zäunung zu schützen“, informiert der LfU-Sprecher weiter – und bleibt konkrete Antworten schuldig.
Der Jandelsbrunner Fall vom 21. März liege innerhalb der Kulisse der „Förderrichtlinie Investition Herdenschutz Wolf“. Heißt: „Nutztierhalter, deren Flächen innerhalb der Förderkulisse liegen, können Investitionen für die Einrichtung wolfsabweisender Zäune gefördert bekommen.“ Schäden, die Nutztierhaltern durch Wolfsrisse entstehen, könnten durch die „Ausgleichsregelung Große Beutegreifer“ kompensiert werden.
Der Fall Nové Údolí
Indes wurde Hog’n-Informationen zufolge im Haidmühler Gemeinderat vor Kurzem ein weiterer Wolfsriss thematisiert, der sich im Oktober vergangenen Jahres unmittelbar hinter der bayerisch-böhmischen Grenze ereignet hat. Die Informationen dazu seien von Seiten Haidmühles tschechischer Nachbargemeinde Tusset (Stožec), die sich bekanntermaßen im Nationalpark Šumava befindet, weitergereicht worden. Auf einer Weidefläche nahe des Grenzorts Nové Údolí wurden mehrere Waldschafe vom Wolf getötet. Das Szenario soll dem des Jandelsbrunner Vorfalls geglichen haben. Entsprechendes Bildmaterial wurde den Räten präsentiert.
Im Gremium der Haidel-Gemeinde wurde im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung u.a. über die Frage diskutiert, ob man die Bürgerschaft darüber informieren solle oder nicht. Bürgermeister Heinz Scheibenzuber teilte auf Hog’n-Anfrage zunächst mit, dass er sich dazu mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt abstimmen müsse. Die Öffentlichkeit solle dann zu einem späteren Zeitpunkt informiert werden. Auf weitere Nachfrage erklärte der Haidmühler Rathaus-Chef, dass hinsichtlich des Wolfsriss‘ bei Nové Údolí „alles im grünen Bereich“ sei, ohne jedoch näher darauf einzugehen, was dies konkret bedeute. „Dazu darf ich nichts sagen“, so Scheibenzuber. Die Frage, warum ein Ereignis, das sich im Oktober 2022 zugetragen hat, erst jetzt auf der Tagesordnung des Gemeinderats erscheint, könne er ebenso wenig beantworten.
Das Landesamt für Umwelt erteilt zum Fall Nové Údolí – auch stellvertretend für das Landratsamt Freyung-Grafenau – so gut wie keine Auskunft. „Genetische Untersuchungen liegen nicht vor“, heißt es lediglich von Seiten der staatlichen Umweltbehörde. Und: Wie auch schon im Fall Jandelsbrunn könne in einem Radius von zehn Kilometern um den Ort des Wolfsriss‘ ein sog. Ereignisgebiet ausweisen werden – unabhängig von Landesgrenzen. Sprich: Schutzmaßnahmen für Nutztier-Kleinherden werden auch im Raum Haidmühle gefördert.
Helga Finiková, Bürgermeisterin der Gemeinde Stožec, teilt dem Hog’n gegenüber mit, dass man von den Angriffen der Wölfe wisse. „Wir haben zwei Rudel hier im Bereich Stožec und sie sind auch in der Umgebung von České Žleby immer wieder mal zu sehen. Im vergangenen Jahr wurde hier der Angriff eines Wolfes auf einen Jagdhund bestätigt, der seinen Verletzungen erlag. Deshalb haben die Menschen aufgehört, mit den Hunden spazieren zu gehen.“ Die Kommunen, informiert Finiková weiter, versuchten dieses Problem zu bekämpfen, „aber sie können nichts tun“. Der Wolf sei als kritisch bedrohte Art geschützt, so dass man das Wolfsproblem mit den Vertretern des Nationalparks Šumava diskutieren müsse.
Beinahe täglicher Wolfskontakt
Dass das Thema Wolf auch auf tschechischer Seite ein heikles ist und zwischen Wolfsbefürwortern und Wolfsgegnern immer wieder zu großen Spannungen führt, dürfte diesseits der Grenze hinlänglich bekannt sein. Gerade Nutztierhalter haben im Böhmerwald in regelmäßigen Abständen mit dem Raubtier zu tun. Hog’n-Informationen zufolge hat unter anderem ein größerer, nur wenige Kilometer hinter der Grenze gelegener Zuchtbetrieb bereits mehrere Kühe verloren. Der verantwortliche Leiter des 400 Rinder starken Betriebs, der seine Tiere im Sommer entlang des Grenzkamms zwischen Philippsreut und Haidmühle weiden lässt, spricht von beinah täglichem Wolfskontakt.
Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz erläuterte vor Kurzem in der BR-Talksendung „Münchner Runde“ mit dem Titel „Angst vor Wolf und Bär – töten oder schützen?“ (ab Minute 52), dass die Wölfe sich grenzüberschreitend in großen Radien fortbewegen. Dabei sagte sie, „dass der Wolf, der in Traunstein erschossen werden sollte, (…) am selben Tag der Freigabe in Tschechien überfahren worden ist“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um denjenigen Wolf, der auch die Rinder des Großbetriebs gerissen hatte.
Abschießen oder schützen? Diese Frage wird wohl weiterhin Politiker, Nationalparkverantwortliche, Nutztierhalter, Landwirte Jäger und Vertreter von Tierschutzverbänden dies- und jenseits der bayerisch-böhmischen Grenze beschäftigen. Die Position der bayerischen Staatsregierung steht laut neuer bayerischer Wolfsverordnung fest: Sie will den Schutzstatus der Vierbeiner senken und Abschüsse von auffälligen Wölfen erleichtern. Die Klage des Bund Naturschutz ist bereits eingereicht. Ergebnis offen…
Stephan Hörhammer
- „Schlachtfeld“ bei Jandelsbrunn: War es ein Wolf? Video?
- Wolf unter Verdacht: „Ermittlungen“ nach „Massaker“ laufen
- Wolf oder Hunde? Im Fall Jandelsbrunn herrscht Gewissheit
- Alle weiteren Antworten auf wolfspezifische Fragen (wie z.B. Ausgleichzahlungen bei Nutztierrissen, Herdenschutzmaßnahmen oder weitere Informationen zur Untersuchung von Nutztierrissen) gibt es hier (einfach klicken).
- Mit Zäunen gegen den Wolf: Herdenschutz für Schafe und Nutztiere