Wenn man einem Paar, das kurz vor der Ehescheidung bei der Eheberatung sitzt, einen Zaubertrick verraten könnte, der ihre Beziehung mit 100-prozentiger Sicherheit rettet – was würden die Betreffenden wohl dazu sagen? Wie viel Engagement fänden sie akzeptabel, wie umständlich dürfte es sein, wie kostspielig? Ich denke, nicht wenige würden selbst Kompliziertes und Aufwändiges akzeptieren. Und ebenfalls nicht wenige würden sich das Ganze auch gern etwas kosten lassen. Und nicht mal wenig – eigentlich.
Uneigentlich aber erstaunlicherweise dann auch wieder nicht. Doch „first things first”, wie der Engländer sagt. Daher: Fangen wir von vorne an. Schauen wir uns um und betrachten ruhig zuerst uns selbst. Doch auch bei anderen werden wir fündig. Denn was tut man nicht alles, um beim anderen Geschlecht überhaupt erst einmal landen zu können? Was für ein Aufwand wird betrieben und was für Kosten, die nicht einen Augenblick gescheut werden, nimmt man in Kauf, ohne groß darüber nachzudenken, wenn es dem Ziele dienlich ist, einen Mann oder eine Frau überhaupt erst einmal „an den Haken zu kriegen”!
„Wenn’s schee macht…”
Doch ist der „Fisch” dann an „Land”, geht’s auf einmal los mit Knausrigkeit und Kleinlichkeit. Dabei wäre das Rezept so simpel. Denn das, was am Anfang höchst erfolgreich funktioniert hat, das könnte man ja einfach weiterführen. Was ist daran denn gar so schwer?
Jetzt gibt es aber auch einige Menschen, die sagen: „Gewitter reinigt die Luft“. Oder andere, die gar nichts dagegen haben, wenn Zuhause immer wieder mal „dicke Luft herrscht“. Das wäre doch nichts als menschlich, hört man. Schließlich hat man sich selber auch nicht immer im Griff, will – ordinär gesagt – dann und wann einfach auch mal „die Sau rauslassen”- und sei es nur verbal.
Und da wir doch alle gleich sind – ist doch nur menschlich, sagten wir ja schon -, darf das der Partner eben auch dann und wann. Und wenn keiner ein Wort auf die Goldwaage legt, dann ist’s ja gleich darauf auch wieder gut. So wird’s gesehen. Das mag jetzt nicht jedermanns Sache sein – die meine wär’s nicht – aber Geschmäcker sind verschieden. Und wie sagte meine Oma schon: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen…” Soll heißen: Wem der Sinn nach solcherart Kommunikation in der Beziehung steht, dem sei’s vergönnt und Gottes Segen dazu und meinen – von mir aus – auch noch. Ich muss mich ja nicht dazugesellen, und, wie’s so schön heißt in Bayern: „Wenn’s schee macht…”
Ein endloses Schwarzer-Peter-Spiel
Schön sieht’s dann allerdings oftmals nicht aus. Und das sage nicht ich, das sagen die Beteiligten selbst. Was wird da nicht rumgemeckert und geschimpft, über kalte Teller beim Essen und offene Zahnpastatuben, über falsch herum aufgehängtes Toilettenpapier und das einer – und keineswegs immer nur die Männer! – mal wieder den Klodeckel auflässt. Oder, wenn man den Gang zum Balkon im Winter wegen der Kälte scheut, dass das Küchenfenster immer nur gekippt wird beim Rauchen.
Jetzt kann man natürlich fragen :„Was ist denn so schlimm daran, all diese Dinge einfach nicht zu tun?” Aber das ist nichts als ein endloses Schwarzer-Peter-Spiel, denn diese Karte kann man ohne Ende hin- und herreichen, schließlich kann die andere Person genauso fragen, nur umgekehrt: „Was ist denn so schlimm daran, wenn man diese Dinge tut?”
Nochmal zurück: Am Anfang hat’s noch interessiert, wo genau der andere gerne am Buckel gekratzt werden wollte – und das war meistens an einer anderen Stelle, wo es einen selber im Fall der Fälle gejuckt hat – und nicht nur das, sondern noch ganz andere Sachen haben wir nur zu gerne berücksichtigt, wenn wir wussten, dass wir damit dem anderen eine Freude bereiten können. Einfach auch, weil wir damit dann uns selbst ebenfalls eine Freude bereitet haben.
„Einfach die Klappe zumachen“
Doch nicht lange und dieses „Freude-Verhalten” wurde irgendwann, bei manchen schneller, bei anderen langsamer, aber bei den meisten doch unweigerlich dann zu einem „Freud’schen Verhalten” (im Sinne des Freud’schen Versprechers): Man versucht das eine (es „recht” machen) und kann das andere (das „eigentlich keine Lust dazu haben”) dann doch nicht verbergen! Woher diese fehlende Lust kommt, bleibt mir allerdings ein Rätsel.
Denn der Lohn wäre doch eigentlich nicht wenig: „Ich hab dir deinen Teller angewärmt, Schatz”, serviert mit einem bezaubernden Lächeln, sollte nicht nur das Essen warm halten. Oder einfach mal das Fenster für zwei Minuten ganz öffnen, damit nicht nur der Rauch entweicht, sondern „dicke Luft” gar nicht erst entsteht. Und es gab Zeiten, da freuten sich die Herren noch, wenn die Damen etwas „Textiles” fallen ließen – hier ein Taschentuch -, denn das war eine willkommene Gelegenheit, einen Gefallen erweisen zu können – worauf bei soviel Aufmerksamkeit dann ab und zu wohl noch ganz andere Textilien gefallen sind…
Und der simple Zaubertrick für die Ehe? Das Klopapier einfach umdrehen oder die Zahnpastatube einfach zuschrauben, egal wer, und nicht nur am Klo – wenn nötig – „einfach die Klappe zumachen”. Denn wie heißt es so schön in einem alten Right-said-Fred!*-Song: „Don’t talk, just kiss…”
Holger Lipp
* „Right said Fred„: Name einer brit. Popband, gegr. 1989, „So don’t talk, just kiss“: Popsong derselben Band, 1991