Mitterfirmiansreut/ FRG. Fünf Fragen, die aus Sicht von Kreisrat und Grünen-MdL Toni Schuberl lange unbeantwortet blieben, sind nun seitens Landrat Sebastian Gruber öffentlich erwidert worden. Worum geht’s? Um den beschlossenen wie umstrittenen millionenschweren Umbau und die Erneuerung des Skizentrums Mitterdorf zu einem ganzjährigen Freizeitangebot (da Hog’n berichtete mehrfach). Ein Dauer-Thema, das Befürworter Gruber und Kritiker Schuberl genauso wie viele andere Vertreter aus Politik und Gesellschaft die vergangenen Wochen und Monate medienwirksam beschäftigte.
Schuberl verfasste im März einen Offenen Brief, indem er fünf Fragen an den Landrat formulierte – und sich irritiert darüber zeigte, dass der oberste Behördenleiter einer von den Kreis-Grünen organisierten Gesprächsrunde zum geplanten Ausbau des Skizentrums Mitterdorf ferngeblieben war. Im Folgenden sind nun die Antworten Grubers (gleichzeitig Vorsitzender des Zweckverbands Skizentrum Mitterfirmiansreut-Philippsreut), die da Hog’n auf Nachfrage von Seiten der Kreisbehörde zugeschickt bekommen hat, auszugsweise wiedergegeben. Ebenso eine Stellungnahme dazu, um die wir Kreisrat Schuberl gebeten haben.
„Weiterer Anstieg der Wintertemperaturen um 2,0 Grad angenommen“
Schuberls erste Frage: Welche durchschnittliche Erwärmung des Klimas im Bereich des Landkreises Freyung-Grafenau legt der Zweckverband seinen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu Grunde?
Grubers Antwort: Wie bereits im Rahmen der Kreistagssitzung im Dezember 2021 ausführlich dargestellt, wird ein weiterer Anstieg der Wintertemperaturen um 2,0 Grad gegenüber dem Durchschnitt der 20 Winter von 2001/2002 bis 2020/2021 angenommen. In diesem Szenario wäre mit der projektierten, modernisierten Beschneiungsanlage die eingeplante Anzahl an Betriebstagen erreichbar.
Schuberls zweite Frage: Welche Veränderungen im Wintersport und dem Verhalten und den Vorlieben der Gäste prognostiziert der Zweckverband für seine Wirtschaftlichkeitsberechnungen?
Grubers Antwort: Ab dem Winter 2032/2033 wird mit einer jährlichen Abnahme der Nachfrage im Wintersportbetrieb von 1,5 Prozentpunkten gerechnet. In 20 Jahren wird mit rund 76.000 statt 91.000 Eintritten im Kern-Skibetrieb gerechnet. Basis für diese, der kaufmännischen Vorsicht geschuldeten Einschätzung, sind die Berücksichtigung des demografischen Wandels (zunehmende Alterung der Bevölkerung und dadurch abnehmender Anteil aktiver Skifahrer) und des Umstandes, dass weniger Schnee in den Quellgebieten der Gäste die Partizipation am Schneesport ebenfalls dämpfen wird.
Zugleich gibt es aber auch den gegenläufigen Effekt, dass sich die reduzierte Nachfrage auf weniger, dann noch schneesichere Skigebiete konzentrieren wird. Dieser Prozess ist bereits im Gange. Mitterfirmiansreut kann hier als eines der vergleichsweise schneesichersten Skigebiete der Region profitieren.
Zudem werden in den nächsten Jahren wohl auch noch einzelne, kleinere Lifte in der Region leider den Betrieb einstellen müssen, u.a. wegen nicht mehr einzuhaltender Vorgaben an Sicherheit und Technik sowie fehlender Beschneiung. Mit einer absolut gesehenen, rückläufigen Nachfrage im Skizentrum Mitterdorf wir mit einem zeitlichen Verzug von zehn Jahren gerechnet.
„Weitestgehend garantierte Schneesicherheit“
Schuberls Frage drei: Welche Zielgruppenanalyse hat der Zweckverband bezüglich der Sommerattraktionen durchgeführt?
Grubers Antwort: Das vom Zweckverband beauftragte Ingenieurbüro Klenkhart&Partner hat in Zusammenarbeit mit dem Büro Montenius Consult einen umfassenden Plan für Mitterfirmiansreut erarbeitet, welcher die Entwicklungen des Ski- bzw. künftigen Ganzjahresgebietes für die Zukunft aufzeigt.
Wesentliche Basis dieser Planungen war eine umfassende Ist-Zustandsanalyse des Bestandsgebietes. Dabei wurde erhoben, welche Hauptzielgruppen aktuell beworben werden, ob das Gebiet für diese beworbenen Zielgruppen geeignet ist oder ob besser weitere, andere Zielgruppen beworben werden sollten und welche Zielgruppen mit den künftig geplanten Attraktionen angesprochen werden sollen. Des Weiteren erfolgte vonseiten des Büros Montenius Consult eine umfassende Marktanalyse und Bewertung des Angebotes der umliegenden (auch tschechischen und österreichischen) Mitbewerber.
Diese Markt- und Zielgruppenanalysen haben ergeben, dass die bisher beworbenen Hauptzielgruppen – Familien mit Kindern, Einsteiger sowie Menschen mit Handicap – für ihre Bedürfnisse im Winter nahezu optimale Verhältnisse in Mitterfirmiansreut vorfinden. Zusätzlich stellt die Fokussierung auf diese Hauptzielgruppen ein überregionales Alleinstellungsmerkmal dar. In weiterer Folge wurde untersucht, welche der potenziell denkbaren Attraktionen Sommer wie Winter – unter Berücksichtigung dieser vorgegebenen Zielgruppenorientierung – bestmöglich umgesetzt werden können. Besondere Berücksichtigung fanden dabei topographischen Rahmenbedingungen, Eigentumsverhältnisse und möglichst schonende Eingriffe.
Eine weitestgehend garantierte Schneesicherheit ist Grundvoraussetzung für jeglichen Winterbetrieb in einem Skigebiet. Dem Standort Mitterfirmiansreut kommt dabei sein von Natur aus klimatisch begünstigter Standort zugute. Trotzdem muss die Schneesicherheit durch eine Ertüchtigung der Beschneiungsanlage (mehr Effizienz, weniger Energieverbauch, aktuellster Stand der Technik) abgesichert werden.
„Enge Einbindung von Menschen mit Handicap“
Durch die Errichtung von zwei modernen Sesselbahnen, welche hinsichtlich ihrer technischen Ausführung mit höchstmöglichem Standard bzgl. Kindersicherheit umgesetzt werden sollen, erfolgte hier eine zielgruppenorientierte Planung (…). Zusätzlich erfolgte bisher und auch weiterhin eine enge Einbindung von Menschen mit Handicap bzw. den entsprechenden Beauftragten im gesamten Planungsprozess. Zuletzt wurde das geplante Projekt am 22. Februar 2023 mit der Behindertenbeauftragten des Landkreises Freyung-Grafenau sowie vier Vertretern von Rollstuhlverbänden, welche selbst bereits seit Jahren aktiv als Mono- bzw. Bi-Skifahrer im Skigebiet Mitterfirmiansreut Skifahren, im Detail diskutiert.
Dabei wurden Verbesserungsvorschläge der unmittelbar Betroffenen in den weiteren Planungsprozess mit aufgenommen und vereinbart, dass auch während der Bauphase eine Einbeziehung von Behindertenvertretern erfolgen wird, um wichtige, kleine Details, welche eine optimale Nutzung durch Mono- und Bi-Skifahrer im Winter bzw. Rollstuhlfahrer und Blinde im Sommer erleichtern, zeitgerecht umsetzen zu können.
Mit den Vertretern der Behindertenverbände wurde auch das geplante Sommerkonzept besprochen und diskutiert. Großen Anklang fand, dass bei sämtlichen Projektierungen und künftigen Attraktionen darauf Rücksicht genommen wird, dass diese künftig auch von Rollstuhlfahrern und Blinden genutzt werden können. Wertvolle Hinweise der Betroffenen fließen auch in die Detail- und Ausführungsplanung mit ein. Besonders positiv hervorgehoben wurde seitens der Vertreter der Behindertenverbände die Flyline sowie die Aufwertung des Naherholungsraumes „Naturspeichersee Almwiese“ mit einer Wassererlebniswelt sowie einem rollstuhltauglichen Weg auf der Dammkrone.
„Nur das letztlich vorgeschlagene Konzept macht Sinn“
Zusammenfassend haben sich die Vertreter der Behindertenverbände am Ende der Besprechung wie folgt geäußert: Grundsätzlich gab es ein großes Lob für das Team in Mitterfirmiansreut, das heute schon bestmöglich versucht, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu berücksichtigen. Den anwesenden Vertretern der Behindertenverbände ist kein vergleichbares Gebiet bekannt, in welchem Inklusion derart und aus tiefster Überzeugung gelebt wird, wie in Mitterfirmiansreut (…).
Eine positive Rückmeldung gab es auch für die behindertengerechte Ausführung der Haupt-Sommerattraktion, der Flyline, da diese Attraktion hinsichtlich ihrer Ausführung (Zugänglichkeit), dem Erlebniswert (Schweben durch Wald) und die Ausführung mit einem Sitzgurt optimal für die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern und Blinden ausgerichtet ist.
Des Weiteren wurde bei der Detailplanung weiterer Parkplätze wiederum auf Hauptzielgruppen Rücksicht genommen. Die zusätzlichen Parkplätze sind allesamt im unmittelbaren Nahbereich des Junior-Skizirkus, also einem der beiden Haupteintritte ins Ski- und künftige Ganzjahresgebiet, vorgesehen (…). Auch die weiteren, geplanten Parkplätze entlang der Zufahrtsstraße zum Junior-Skizirkus sind wegen der damit verbundenen Verkürzung der Fußwege von den Parkplätzen zur Kasse bzw. zum Eintritt in das Skigebiet sowie im Sommer zum Naherholungsraum Naturspeichersee Almwiese, ein weiteres Positivkriterium, insbesondere für die Hauptzielgruppe Familien mit Kindern (…).
Eine ebenfalls im Rahmen der Gesamtplanung durchgeführte Analyse, welche potentiell möglichen Sommerattraktionen am Almberg tatsächlich Sinn machen, hat klar ergeben, dass nur das letztlich vorgeschlagene Konzept (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) Sinn macht.
Aktuelle Auftragssumme: rund zwölf Millionen Euro
Schuberls vierte Frage: Welche konkreten Vergaben sind bereits erfolgt und in welcher Höhe?
Grubers Antwort: Folgende Vergaben wurden bisher getätigt:
- Planungsleistungen/Projektsteuerung/Vermessungsarbeiten/Gutachten
- Sicherheits- und Gefahrenanalyse Arbeitnehmerschutz für den Bau der geplanten Seilbahnen
- Vermessungsarbeiten
- 4er- sowie 6er-Sesselbahn (vorbehaltlich der erforderlichen Genehmigungen)
Die aktuelle Auftragssumme beläuft sich auf rund zwölf Millionen Euro.
„Es gab keine Eilbedürftigkeit“
Schuberls fünfte Frage: Was war die konkrete Begründung für die Eilbedürftigkeit der Entscheidung im Kreistag im Dezember 2021?
Grubers Antwort: Für das Projekt an sich gab es zum genannten Zeitpunkt (Dezember 2021) keine Eilbedürftigkeit. In der Sitzung des Kreistags vom 13.12.2021 wurde dem Gremium die Beschlussfassung zur Zustimmung zur Antragstellung Förderantrag vorgelegt. Im Beschluss hieß es u.a.. „Der Kreistag befürwortet grundsätzlich die vorgestellten Ganzjahresplanungen im Skizentrum Mitterdorf und stimmt der Antragstellung im Rahmen der derzeit geltenden Richtlinien zur Förderung von Seilbahnen und Nebenanlagen in kleinen Skigebieten zu.“ Dieser Beschluss wurde mit 43 Ja- und drei Nein-Stimmen gefasst.
Der Freistaat Bayern bot zum damaligen Zeitpunkt – im Rahmen der Richtlinien zur Förderung von Seilbahnen und Nebenanlagen in kleinen Skigebieten – eine Fördermöglichkeit. Hierbei war auch der Zweckverband Wintersport antragsberechtigt, mit der Aussicht auf bis zu 30 Prozent Förderung der förderfähigen Kosten. Auch das wurde im Rahmen der Sitzung am 13.12.2021 ausführlich erläutert.
In den Vorgesprächen mit der Regierung von Niederbayern wurde grundsätzliche Förderfähigkeit signalisiert. Antragsfrist war entsprechend Ziffer 3.3 der Richtlinien zur Förderung von Seilbahnen und Nebenanlagen in kleinen Skigebieten der 31.12.2021. Gemäß der o.g. Richtlinie konnten die Regierungen befristet für vorliegende oder neue Anträge bis zum 31.12.2021 je nach Unternehmensgröße ausnahmsweise Fördersätze von bis zu 30 Prozent gewähren.
Aufgrund des Zuwendungsbescheids vom 21.12.2021 beträgt der Fördersatz 30 Prozent der förderfähigen Kosten in Höhe von 19.221.000 Euro (Gesamtkosten ohne Erweiterung und Rodung Beschneiungsteich). Die Höhe der Förderung beträgt 5.766.000 Euro.
„Ihre Fraktion und Sie persönlich nicht“
Die Beschlussfassung zur Umsetzung des Projektes erfolgte – auch in dieser Sitzung ohne Eilbedürftigkeit – in der Kreistagssitzung am 28.03.2022. Sie waren bei dieser Sitzung nicht anwesend, Sie haben sich entschuldigt. Im Rahmen dieser Sitzung wurde das aktualisierte Projekt und die Finanzierung abermals umfangreich vorgestellt. Es wurde u.a. folgender Beschluss gefasst: „Der Kreistag stimmt der Ausweitung auf einen Sommerbetrieb und der Umsetzung des Projekts durch den Zweckverband Wintersportzentrum Mitterfirmiansreut-Philippsreut zu.“ Dieser Beschluss wurde mit 42 Ja- und sieben Nein-Stimmen gefasst.
Zwischen den beiden Kreistagssitzungen im Dezember 2021 und im März 2022 bestand drei Monate, ein Vierteljahr, Zeit und Möglichkeit, mit den Verantwortlichen und Planern in Kontakt zu treten, die Gegebenheiten vor Ort zu besichtigen o.ä. Diese Möglichkeit haben Fraktionen des Kreistags in Anspruch genommen, Ihre Fraktion und Sie persönlich nicht.
„Gemeinsam das Beste daraus machen“
„Als Gesprächsgrundlage bin ich mit den Antworten von Landrat Gruber zufrieden, da man damit etwas anfangen kann“, teilt der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Freyung-Grafenauer Kreistag gegenüber dem Hog’n auf Nachfrage mit. Deshalb werde sich Schuberl öffentlich auch nicht im Detail zu den Antworten äußern, sondern erst das persönliche Gespräch abwarten.
„Nur kurz soviel: Ein zukünftiger Betrieb ist nur noch mit massiver Ausweitung der Beschneiung möglich, trotzdem werden langfristig die Gästezahlen zurückgehen.“ So lautet Schuberls Fazit, das er aus Grubers Antworten zieht – und fügt hinzu: „Man holt also aus dem Skigebiet ein letztes Mal noch raus, was geht. Das könnte mittelfristig sogar funktionieren. Die Entscheidung ist gefallen und jetzt kommt es darauf an, gemeinsam das Beste daraus zu machen.“
Ausdrücklich begrüßen möchte der Grünen-Politiker die Einbindung von Vertretern der Menschen mit Handicap. „Ich freue mich, dass auf diese wichtige Nutzergruppe besonderes Augenmerk gelegt worden ist.“
Stephan Hörhammer