Bischofsmais. Sein Bürgermeister-Büro ist voller persönlicher Dinge. Auszeichnungen und Fotos an den Wänden, ein beinahe überladener Schreibtisch. Es wird schnell deutlich, dass Walter Nirschl seit seinem Amtsantritt als Gemeinde-Oberhaupt von Bischofsmais viel Zeit in diesen Räumen verbracht hat. „Wenn ich was mache, dann g’scheid“, lautet einer seiner Leitsätze. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n wirkt der 63-Jährige aufgeräumt. Er spricht wie ein Mann, der sich selbst gut einschätzen kann – und der weiß, was Verantwortung bedeutet.
Der gelernte Maler und spätere Tiefbau-Polier, der im Ortsteil Seiboldsried wohnt, äußert sich auch zu heiklen Themen ohne Berührungsängste, weil er weiß, dass in der Kommunalpolitik Entscheidungen bereits am nächsten Tag neu bewertet werden müssen – und in der Ahnung, dass er 2026 in Pension gehen wird. Selbst eine Landratskandidatur hat er ausgeschlagen, da er der festen Überzeugung ist, dass „alles seine Zeit hat“ – und demnächst die Familie im Mittelpunkt steht…
Vergleiche zu früheren Jahren einfach nicht möglich
Herr Nirschl, wie würden Sie den derzeitigen Zustand der Gemeinde Bischofsmais möglichst kurz und knapp beschreiben?
Wir haben eine liebens- und lebenswerte Gemeinde. Die Infrastruktur passt. Die Nähe zu Regen und Deggendorf ist ein großer Vorteil. In maximal zehn Minuten ist man von Bischofsmais aus auf der Autobahn. Der Tourismus ist zwar zurückgegangen, weil wir zwei Sorgenkinder haben – das ehemalige Siemens-Hotel und den Ferienpark. Ansonsten hat sich die Gemeinde gut entwickelt, was vor allem auch am Gewerbe liegt, das sich zu unserem zweiten Standbein neben den Urlaubern entwickelt hat.
Steht Bischofsmais heute besser da als 2008, als Sie übernommen haben?
Solche Vergleiche sind nicht möglich. Alles hat seine Zeit. Ein Beispiel: Zu Beginn meiner Amtszeit haben wir eine Grundschule samt integrierter Teil-Hauptschule gebaut. Am Tag der Einweihung wurde uns die Hauptschule genommen. Die durch den Bau entstandenen 4,5 Millionen Euro Schulden waren also eine Last ohne Gegenwert. Keiner hatte daran Schuld. Kurze Zeit später hat sich ein großer Betrieb verabschiedet, der rund eine Million Euro Gewerbesteuer jährlich gezahlt hat.
„Habe mir kein Denkmal geschaffen“
Das ging ja gleich „gut“ los…
… kann man so sagen (schmunzelt). Ich habe erst einmal die Schattenseiten des Bürgermeister-Daseins kennengelernt. Meine eigentliche Devise – ‚Ich baue nix mehr, nur noch die Schulden ab‚ – habe ich nach sechs Wochen über den Haufen geworfen. Und das ist bis heute geblieben, weil solche Vorgaben einfach nicht umsetzbar sind. Auf zu viele Dinge hat man einfach keinen Einfluss. Seitdem habe ich Wert darauf gelegt, gezielt und mit Augenmaß zu investieren.
Wo sieht man in der Gemeinde einen „typischen Nirschl“?
Sowas gibt es nicht. Ich habe mir kein Denkmal geschaffen. Lieber habe ich in die Infrastruktur investiert. Im Hauptort wurde in Sachen Kanalisation seit 1972 nichts mehr gemacht. Diese haben wir nach und nach saniert – unter anderem durch viele Förderungen. So konnten wir dem Bürger 70 Prozent der Kosten ersparen. Aber das sind halt Dinge aus dem alltäglichen Leben, die man nicht unbedingt sieht.
Anfängliche Probleme mit Büroarbeit: „Bin eher der Praktiker“
Aber dennoch ihre Leistung?
Nicht unbedingt. Aus meiner Sicht baut man innerhalb einer funktionierenden Gemeinde auf das auf, was der Vorgänger gemacht hat. Nur so ist eine langfristige Entwicklung möglich.
Außer es gibt Konflikte beim Übergang.
Wir haben fünf Fraktionen im Gemeinderat, was viel für eine Kommune unserer Größe ist. Es gibt aber kein Parteidenken. Es wird viel diskutiert, es gibt aber nur ein Miteinander. Deshalb finden wir oft einen Konsens. Mir ist es wichtig, dass wir an einem Strang ziehen. Das heißt aber nicht, dass der Bürgermeister die Richtung vorgibt. Freilich: Ich bin der, der in der Verantwortung steht. Aber das muss ja nicht heißen, dass andere Meinungen nichts wert sind. Dahingehend hat sich zu meiner Zeit als Tiefbau-Polier nichts geändert.
„Mich gibt’s nur mit 150 Prozent“
Nur die Büroarbeit ist dazu gekommen.
Genau. Zugegeben: Mit dieser habe ich mich zu Beginn schwer getan. Aber genau deshalb hat man ja seine Verwaltung. Ich bin eher der Praktiker. Und mich gibt’s nur mit 150 Prozent. Wenn ich als Bürgermeister aufhöre, will ich in den Spiegel schauen und sagen können, dass ich meine maximale Leistung erbracht habe. Da brauche ich keine Meinungen von außen, das mache ich mit mir selber aus.
Eine klare Meinung.
Steht man in der Verantwortung, ist es immer so, dass man es manchen recht macht und anderen nicht. Es ist auch so, dass man mit etwas Abstand Entscheidungen anders treffen würde, weil sich die Rahmenbedingungen verändert haben. Alles hat seine Zeit, wie schon vorhin erwähnt.
„Wir müssen und leider neu verschulden“
In welchen Bereichen hat sich Ihrer Meinung nach in jüngster Zeit am meisten getan?
Im Gewerbegebiet – und bei den Schulden. Zu Beginn meiner Amtszeit hatten wir eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1.600 Euro. Jetzt sind wir bei 900 Euro. Wobei wir uns nun leider neu verschulden müssen, weil wir einen Kindergarten für fünf Millionen Euro bauen. Eine wichtige Investition in die Zukunft. Außerdem entsteht ein Trail-Park für fast drei Millionen und ein Hochbehälter für zwei Millionen Euro.
Und in welchen Bereichen gibt es Nachholbedarf?
Im Tourismus. Vor allem der Ferienpark und das ehemalige Siemens-Hotel sind Sorgenkinder. Das Schlimme daran: Als Gemeinde sind uns an beiden Orten die Hände gebunden.
„Einzige Möglichkeit: Platt machen“
Dazu später mehr. Vorher noch: Bischofsmais ist touristisch geprägt – und war einst ein Urlaubermagnet. Die Zeugen dieser Hochzeit sind inzwischen zu Schandflecken verkommen. Das niedergebrannte Charm-Hotel, der Ferienpark. Und in beiden Fällen rührt sich wenig. Ist die Gemeinde deshalb auf Dauer „entstellt“?
Nein. Es wird immer wieder eine Lösung geben. Ich hätte für den Ferienpark bereits eine Perspektive. Aber dazu müssen die über 200 Eigentümer, die teilweise sogar aus Russland kommen, mit ins Boot geholt werden. Und das ist alles andere als einfach. Im Siemens-Hotel wurde eine Versteigerung beantragt.
Und dennoch ist man bei beiden Objekten auf Zufall und Schicksal angewiesen?
Wir hätten für den Ferienpark einen symbolischen Euro geboten – und das wären noch 99 Cent zu viel gewesen (schmunzelt). Diese Plattenbauten aus den 70er Jahren energetisch zu sanieren, ist schier unmöglich. Die einzige Möglichkeit aus meiner Sicht: diesen Schandfleck platt machen. Die Gemeinde hätte daraus ein Baugebiet entwickelt. Aber naja, wie vorher erwähnt: Schwierig…
„Dieser Tag wird für immer in Erinnerung bleiben“
Also kein Licht am Ende des Tunnels?
Nein, momentan nicht. Leider.
Thema Charm Hotel: Was ist los in Habischried?
Das erste Gutachten vor dem großen Feuer ist am Tag des Brandes beim Gericht eingegangen. Inzwischen auch das Gutachten, das nach dem Feuer erstellt wurde, samt Schadensschätzung. Die genaue Höhe weiß ich leider nicht. Nur soviel: Die Gemeinde wird weiterhin die Versteigerung vorantreiben. Außer der belgische Insolvenzverwalter zaubert einen Käufer aus dem Hut und die Kosten der Gemeinde, die da oben u.a. für die Sicherung der Brandruine entstanden sind, werden übernommen.
Wie blicken Sie heute auf den Brand zurück?
Ich ziehe meinen Hut vor den 400 Feuerwehrleuten, die im Einsatz waren und verhindert haben, dass das Feuer auf den Wald übergreifen konnte. Wäre das passiert, hätten wir eine Katastrophe gehabt. Bis nach Bischofsmais wären dann die Bäume abgebrannt. Dieser Tag wird in der Gemeinde für immer in Erinnerung bleiben. Sowas vergisst man nie.
Ein Tourismus-Revival wird es nicht geben
Es ist also selbst mit purem Optimismus nicht vorstellbar, dass die einstigen Aushängeschilder tatsächlich ein Revival erleben?
Genau. Wir hatten in unserer Hochzeit bis zu 400.000 Übernachtungen pro Jahr. Jetzt sind wir bei 70.000. Wir haben inzwischen gute Häuser für Urlauber: das Waldferiendorf, die Wastlsäge, viele kleinere Vermieter und wahnsinnig viele Tagesgäste am Geißkopf. Da sind wir wieder bei meinem Lieblingsspruch: Alles hat seine Zeit.
Zu Ihnen persönlich: Es ist Halbzeit der aktuellen Amtsdauer. Demnächst müssten Sie sich langsam aber sicher festlegen, ob Sie noch einmal zur Wahl antreten. Wie schaut’s aus?
Ich höre auf! Alles hat seine Zeit (schmunzelt). Bereits bei der Wiederwahl 2020 ist diese Entscheidung festgestanden. Mit dem Alter verändert sich das Blickfeld, es wird kleiner. Der Altersunterschied zu den jüngsten Bürgern wird zu groß. Deshalb höre ich auf, bevor ich aufgehört werde (schmunzelt)…
Landrats-Kandidatur? „Ich wurde darauf angesprochen“
Die logische Konsequenz ihrer langjährigen Zeit als Bürgermeister wäre doch eine Landrats-Kandidatur. Im September stehen Wahlen…
Nein (atmet tief durch).
Gab es denn Gedankengänge in diese Richtung?
Ja, die gab es. Ich bin jedoch ein Familienmensch. Wenn ich 2026 aufhöre, habe ich 52 Jahre meines Lebens gearbeitet. Ich habe inzwischen einige kleine körperliche Wehwehchen. Und ja, ich wurde wegen einer Landrats-Kandidatur angesprochen. Ich musste aber nicht lange überlegen. Ab 2026 stehen meine Kinder und Enkelkinder im Mittelpunkt. Alles hat seine Zeit. Man muss auch wissen, was man kann.
Inwiefern?
Das Bürgermeisteramt habe ich mir 2008 im Vorhinein zugetraut. Aber Landrat – zum jetzigen Zeitpunkt. Ich weiß nicht. Zwei Kliniken, zwei Gymnasien, es sind 700 Leute zu führen im Landratsamt. Um das alles zu managen, braucht man wesentlich mehr Zeit wie ein Bürgermeister. Zudem ist die Verantwortung um einiges größer. Für sowas bin ich zu alt…
Alles hat seine Zeit! Danke für Ihre Zeit – und alles Gute für die Zukunft!
Interview: Helmut Weigerstorfer