Waldkirchen. Es wirkt wie ein mehrfaches Déjà-vu: Das Staatliche Bauamt Passau hat im März die Pläne für einen „obenliegenden Kreisverkehr“ am Verkehrsknotenpunkt im Waldkirchner Norden (im Volksmund: „Monsterkreuzung“ beim Schwaiberger) vorgestellt. Obenliegender Kreisverkehr? War da nicht schon mal was? Richtig: Die Idee schwelt seit mittlerweile fünf Jahren vor sich hin. Eine Entscheidung, ob er gebaut wird, lässt jedoch weiter auf sich warten. Es ist an der Zeit, die Diskussionen endgültig zu beenden, findet Hog’n-Autorin Sabine Simon.
Man schrieb das Jahr 2019, als beim Faschingsumzug am Waldkirchener Marktplatz der „obenliegende Kreisverkehr“ von einer Gruppe aufs Korn genommen wurde: „Staatliches Bauamt schau mal her, so lächerlich wäre der obenliegende Kreisverkehr!“ stand auf dem Plakat inmitten mehrerer Herren, die auf einem Podest über den Köpfen der Zuschauer mit Mini-Motorrädern ihre Runden drehten.
Entscheidung lässt weiterhin auf sich warten
Die Motorradler hätten ihren Faschingswagen aufheben und im Jahr 2023 wieder durch den Marktplatz ziehen können, denn: Aktuell spricht man erneut über den „obenliegenden Kreisverkehr“.
Zehn Jahre dauern die Diskussionen um den umstrittenen Verkehrsknotenpunkt inzwischen an. Vor zwei Jahren berichtete das Onlinemagazin da Hog’n ausführlich darüber, als der Stadtrat beschlossen hatte: Nicht die Bürger sollen die Entscheidung fällen, ob gebaut wird, sondern das Gremium selbst.
Seither wartet das Bauamt auf Nachricht aus Waldkirchen, was der Stadtrat denn nun zu den Kreuzungsumbauplänen sagt. Eine Entscheidung seitens der Räte und Rätinnen lässt jedoch weiterhin auf sich warten.
An den Planungen hat sich nichts geändert
Nun haben Bastian Wufka und Kurt Stümpfl vom Staatlichen Bauamt Passau die Pläne zum „obenliegenden Kreisverkehr“ erneut im Waldkirchner Gemeindeparlament präsentiert. Im Vergleich zu 2018 hat sich daran nichts geändert, wie Sabine Süß, Pressesprecherin des Bauamts, auf Hog’n-Nachfrage bestätigt: „Wir hatten die Planungen im Juli 2018 letztmals dem Stadtrat vorgestellt, seither aber keine Rückmeldung zu der von uns bevorzugten Umbauvariante mit einem obenliegenden Kreisverkehrsplatz bekommen“, schreibt Süß. „Der Bürgermeister hat uns Anfang 2022 um nochmalige Vorstellung im Stadtrat gebeten, um auch den 2020 neu gewählten Stadträten die Möglichkeit zu geben, sich aus erster Hand zu informieren.“
Nun muss endlich und endgültig eine Entscheidung fallen. Es wirkt wie eine Farce, wenn Planungen über mehr als ein Jahrzehnt etlichen Menschen Zeit und Nerven rauben.
Geld lieber an anderer Stelle investieren
Dabei stellt sich die Frage: Haben sich in der Zwischenzeit nicht längst alle mit der gegebenen Situation abgefunden? Braucht es wirklich eine so gigantische und teure Baumaßnahme, die in den Augen vieler gar keine optimale Lösung bringt? Wer ärgert sich eigentlich noch so sehr über die „Monsterkreuzung“, dass man 2,4 Millionen Euro investieren müsste, um diesen Ärger zu beseitigen?
Der Stadtrat muss sich überlegen: Wären diese 2,4 Millionen an anderer Stelle nicht viel sinnvoller investiert? Freilich: Nicht die gesamte Summe muss die Stadt selbst stemmen, aber immerhin ein Drittel. Geld, das eine stetig wachsende Kommune sicherlich an anderer Stelle mühelos investieren könnte: Waldkirchen beginnt gerade damit, Freibad und Eishalle zu sanieren, baut das Breitbandnetz aus, will die Grundschul-Landschaft modernisieren… Das Gremium sollte sich Gedanken darüber machen, ob der Nutzen für die Bürger bei all diesen Maßnahmen nicht um ein Vielfaches höher ist als beim Umbau eines Verkehrsknotenpunktes.
Weniger Verkehr anstreben statt großer Kreuzungen
Hinzu kommt: Der Verkehr in Deutschland befindet sich derzeit in einer Umbruchphase. Die Verkehrswende ist nicht nur ein leerer Begriff, sondern muss endlich umgesetzt werden – auch hier in der Region. Der Verkehrssektor war es, der 2022 die Klimaziele der Bundesrepublik nicht einhalten konnte, seine Emissionen stiegen sogar an. Wer den Klimawandel und seine Folgen für uns alle bekämpfen will, muss dringend einsehen: So wie jetzt kann es im Verkehrsbereich nicht weitergehen.
Das Staatliche Bauamt Passau geht allerdings trotzdem davon aus, dass der Verkehr weiter zunimmt. „Wir beauftragen für unsere Planungen immer externe Verkehrsgutachterbüros. Aktuell arbeiten wir noch mit dem Prognosejahr 2035. Bei diesem ‚Blick in die Zukunft‘ sehen die Verkehrsgutachter weiterhin keinen Einbruch bzw. keine wesentlichen Abnahmen beim Verkehrsträger Straße. Der Straßenverkehr wird weiterhin auf einem konstant hohen Niveau prognostiziert“, teilt Pressesprecherin Süß auf Hog’n-Nachfrage mit.
Verkehrswende ist auch in Niederbayern möglich
Wenn schon das Bauamt nicht umdenkt und sich auf Prognosen verlässt, die keine Verkehrswende kommen sehen – kann dann nicht wenigstens der Stadtrat einschreiten und sagen: „Immer mehr Verkehr wollen wir nicht! Lebenswerter wird unsere Stadt dann, wenn es weniger Individualverkehr gibt!“ Ist es wirklich so undenkbar, dass schon in wenigen Jahren nicht mehr jeder täglich ins eigene Auto steigt? Dass auch die Landbevölkerung irgendwann erkennt, wie sehr sie Natur und Umwelt ausbeutet, wenn sie weiter auf die maximale individuelle Freiheit und Mobilität pocht?
Wenn die Stadt Waldkirchen sich für einen großen Umbau des Verkehrsknotenpunktes entscheidet, zeigt sie damit: In Sachen Verkehrswende ziehen wir hier „hinten“ im Bayerischen Wald nicht mit! Hier setzen wir weiter auf „größer & schneller“! Umdenken hin zu weniger Verkehr, mehr ÖPNV? Hier im Bayerischen Wald doch nicht! Wie soll das denn auch gehen???
Klappen könnte es, wenn man künftig Millionenbeträge nicht in Kreuzungsumbauten steckt, sondern damit den ÖPNV verbessert. Wenn man Fuß- und Radwege ausbaut und Kreuzungen durch weniger Verkehr von Staus befreit, statt durch Brückenkonstruktionen und „obenliegende Kreisverkehre“…
Kommentar: Sabine Simon
______________
–> mehr zum Thema „Monsterkreuzung Waldkirchen“ gibt’s hier zu lesen (einfach klicken)