Mitterfirmiansreut/Freyung. „PS: Dies ist ein Offener Brief.“ Mit diesen Worten schließt Toni Schuberl, Landtagsabgeordneter der Grünen und Fraktionsvorsitzender im Kreistag des Landkreises Freyung-Grafenau, sein Schreiben an Landrat Sebastian Gruber. Darin zeigt er sich irritiert, enttäuscht, ja verärgert darüber, dass der oberste Behördenleiter – trotz Einladung – einer jüngst von den Kreis-Grünen organisierten Gesprächsrunde zum geplanten Ausbau des Skizentrums Mitterdorf ferngeblieben ist.
Mit einer Antwort auf Schuberls Zeilen, die auch den Medien zugesandt wurden, sei jedoch nicht zu rechnen – auf Offene Briefe reagiere Gruber grundsätzlich nicht, heißt es. Doch ganz so prinzipientreu scheint der Landrat dann doch nicht zu sein, wie ein kurzer Blick in die Vergangenheit offenbart…
„Es war ein offenes Gespräch“
Doch von vorne. Vor gut einer Woche lud der Kreisverband der Grünen anlässlich eines Vor-Ort-Termins von MdL Christian Zwanziger (Grünen-Sprecher für Landesentwicklung und Tourismus) verschiedene Beteiligte zu einer Gesprächsrunde ein, um sich noch einmal mit dem 20-Millionen-Projekt kritisch auseinander zu setzen und sich auszutauschen. Mit dabei waren unter anderem Gudula Lermer, Leiterin des Forstbetriebs Neureichenau, besagter Landtagsabgeordneter aus Erlangen, Karel Kleijn vom Bund Naturschutz, Grünen-Kreisvorsitzender Alexander Rohde und MdL Toni Schuberl.
Nicht mit dabei war ein Vertreter des Zweckverbands Skizentrum Mitterfirmiansreut-Philippsreut, dessen Vorsitzender Landrat Sebastian Gruber in Personalunion ist. Dieser hatte die Einladung abgelehnt – aufgrund „wahlkampfstratetigscher Hintergedanken bei kurzfristigen Gesprächseinladungen“, wie die örtliche Presse seitens Gruber rückgemeldet bekommen hatte. Woraufhin MdL Schuberl folgende Zeilen in Form eines Offenen Briefes an ihn verfasste:
„(…) mit großer Verwunderung habe ich Dein Ablehnungsschreiben gelesen. (…) Es war keine Veranstaltung im Zusammenhang mit der Wahl und war ein offenes Gespräch.
„Gut beraten, sich nicht nur mit Ja-Sagern zu umgeben“
Der Bayerische Landtag ist der Haushaltsgesetzgeber und derjenige, der die fast sechs Millionen Euro Zuschuss für die Sanierung von Mitterdorf gewährt. Da empfinde ich es als eine ziemliche Missachtung des Geldgebers, wenn der geförderte Zweckverband zwei Vertretern des Landtags das Gespräch verweigert. Christian Zwanziger ist der tourismuspolitische Sprecher der zweitgrößten politischen Kraft im Land. Die Bayerischen Staatsforsten sind der Grundeigentümer der Flächen, die der Zweckverband für sein Projekt braucht. Ich kann nicht für andere sprechen, aber es erscheint mir auch in diese Richtung nicht sehr wertschätzend zu sein, das Gespräch zu verweigern. Der Bund Naturschutz und wir Grünen sind seit Jahrzehnten Anwälte von Umwelt- und Naturschutz und fühlen uns in dieser Angelegenheit nicht gehört. Deine Ablehnung hat dieses Gefühl noch gesteigert.
Sollte sich das Projekt nicht amortisieren, was wir ja eben bezweifeln, dann haften Landkreis und Gemeinde Philippsreut. Der Zweckverband sollte sich die Zeit nehmen, mit Politikern von vor Ort und zwei Kreisräten zu sprechen.
In der heutigen Zeit scheitern Großprojekte regelmäßig, wenn sie hinter verschlossenen Türen vorangetrieben werden, ohne Kritiker anzuhören. Das ist aus der Zeit gefallen und weder besonders modern, noch transparent und demokratisch. Wir haben nie einen kompletten Verzicht auf das Projekt gefordert, wir haben nie gegen das Skigebiet als solches gesprochen. Aber wir haben Kritikpunkte an der Art der aktuellen Planungen. Wäre es nicht auch aus Deiner Sicht sinnvoll, sich dies im Detail anzuhören? Niemand ist gut beraten, sich nur mit Ja-Sagern zu umgeben.
Offene Fragen
Wenn Du schreibst, wir könnten uns „schriftlich“ an Dich wenden, dann genügt das nicht. Wir sollten miteinander und nicht übereinander reden. Dazu braucht es aber auch persönlichen Kontakt und nicht nur die Möglichkeit, sich Briefe zu schreiben. Bis Du zu einem gemeinsamen Gespräch bereit bist, muss ich mich damit begnügen, Dir meine Fragen schriftlich zu schicken.
- Welche durchschnittliche Erwärmung des Klimas im Bereich des Landkreises Freyung-Grafenau legt der Zweckverband seinen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu Grunde?
- Welche Veränderungen im Wintersport und dem Verhalten und den Vorlieben der Gäste prognostiziert der Zweckverband für seine Wirtschaftlichkeitsberechnungen?
- Welche Zielgruppenanalyse hat der Zweckverband bezüglich der Sommerattraktionen durchgeführt?
- Welche konkreten Vergaben sind bereits erfolgt und in welcher Höhe?
- Was war die konkrete Begründung für die Eilbedürftigkeit der Entscheidung im Kreistag im Dezember 2021? (…)“
„…und ich werde das auch weiterhin so handhaben“
Gruber erwiderte daraufhin gegenüber der Zeitung, dass er inhaltlich noch nie auf einen Offenen Brief geantwortet habe – „und ich werde das auch weiterhin so handhaben“. Er hätte sich – wie bei anderen Themen auch – in der Vergangenheit einem Gespräch mit Schuberl zum Thema Skizentrum Mittedorf nicht verwehrt. Genauso wenig würde er dies jetzt tun. Zudem verlautbarte der Landrat, dass es seitens des Fraktionsvorsitzenden der Kreistags-Grünen ihm gegenüber bis zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Gesprächsanfragen oder Kontaktaufnahmen gegeben habe. Er habe sich als Zweckverbandsvorsitzender zuständigkeitshalber um die Beantwortung des jüngsten Einladungsschreibens angenommen. Sollte Schuberl sich gerne mit ihm über den Ausbau des Skizentrums austauschen wollen, ließe sich dafür gewiss ein Termin finden. Gruber sei gesprächsbereit.
Auch da Hog’n wollte wissen, wie der Landrat zu Toni Schuberls Schreiben steht. Die kurze wie knappe Antwort darauf: „Offene Briefe werden von der Pressestelle allgemein nicht beantwortet.“ Auf erneute Nachfrage, aus welchen Gründen Behördenleiter Gruber und seine Presseabteilung so verfahren würden, teilt man uns folgendes mit:
„Offene Briefe an die Behördenleitung oder die Pressestelle werden von uns in der Regel nicht beantwortet oder kommentiert, da die Medien oder die Verfasser hierauf keinen presserechtlichen Anspruch i.S.d. Bayer. Pressegesetzes haben und es somit im Ermessen der Behörde liegt, ob hierzu eine Stellungnahme erfolgt.“ Der Landrat habe dem Abgeordneten und Kreisrat Schuberl bereits angeboten, sich mit ihm direkt im gemeinsamen Gespräch zu diesem Thema auszutauschen.
Offene Briefe aus der Vergangenheit
Während also der Landrat behauptet, er habe noch nie auf einen Offenen Brief geantwortet, weist dessen Pressestelle darauf hin, dass es Ermessensache sei, ob eine jeweilige Stellungnahme erfolge. Fakt ist: Als sich der Waldkirchener Mitbegründer des „Aktionsbündnis‘ gegen Krankenhaussterben in Bayern“ sowie heutige SPD-Ortsvorsitzende Andreas Tausch im Jahr 2018 mit einem Offenen Brief an Gruber und die Mitglieder des Kreistags wandte, die Schließung des Waldkirchener Krankenhauses zurückzunehmen, reagierte der Landrat in Form einer öffentlichen Stellungnahme – auch wenn er dies freilich nicht direkt an Tausch gerichtet, der die Debatte ins Rollen gebracht hatte, formulierte.
Fakt ist auch, dass Gruber den Offenen Brief der SPD Freyung-Grafenau im September vergangenen Jahres auf Hog’n-Anfrage erwiderte. Dieser richtete sich an Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter, Passaus Landrat Raimund Kneidinger, Oberbürgermeister Jürgen Dupper – und Sebastian Gruber. Es ging um dabei um den Stand der Dinge in Sachen Potenzialanalyse für den Ilztalbahn-Regelbetrieb.
Und ebenso Fakt ist, dass Landrat Gruber in der Vergangenheit bereits Offene Briefe verschickt hat, wie zum Beispiel im Januar 2015, als er sich bezüglich flächendeckender Mobilfunkverbindungen im Landkreis Freyung-Grafenau an den damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer wandte. Darin bat er den Regierungschef um Hilfe beim Ausbau des Mobilfunknetzes im ländlichen Raum, den er aufgrund der momentanen Situation als „krass benachteiligt“ sah.
Reden wäre Gold…
Im Falle des Skizentrums Mitterdorf spielt es im Grunde genommen aber auch gar keine Rolle, wer wann und zu welchem Zweck Offene Briefe schreibt bzw. diese (nicht) beantwortet. Vielmehr geht es darum, dass beide Seiten miteinander (endlich) in Kontakt treten, um auf einen möglichst gemeinsamen Nenner zu kommen – und das Vorhaben unter Einbeziehung aller diskussionswürdigen Gesichtspunkte, die vor allem auch klimarelevante Bedenken betreffen – offen und transparent zu besprechen. Dabei sind weder parteipolitisch bzw. wahlkämpferisch motivierte Geplänkel noch abschottungsgeprägtes und wegduckendes Elfenbeinturm-Gehabe der Sache zuträglich…
Stephan Hörhammer
P.S.: Wie da Hog’n erfahren hat, möchte MdL Schuberl sich gerne noch einmal in ähnlicher Konstellation (wie oben und – falls gewünscht – auch nicht-öffentlich) mit Landrat Gruber zum Austausch treffen – und dabei die noch offenen fünf Fragen (siehe oben) beantwortet wissen.