Passau. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein„, singt Reinhard Mey über das Glücksgefühl, dem Alltag der Erde zu entschweben. Kaum einer weiß wohl besser als Michael Neukirchinger, wie es sich über den Wolken wirklich anfühlt, denn: Vor 25 Jahren machte sich der Passauer mit seinem Heißluftballon selbstständig – und stieg seither mehr als 2.300 Mal auf.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft hat er eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen: über 20.000 Passagiere begeisterte sein Unternehmen „Bayernhimmel“ auf Fahrten in den Bayerischen Wald, über die Alpen oder bis nach Mailand. Mehr als 54.000 Kilometer legte der 54-Jährige in rund 3.400 Fahrtstunden zurück. Und er hat noch vieles vor: „Meine Faszination ist ungebrochen wie am ersten Tag“, sagt der passionierte Ballonfahrer.
Und auch die Söhne sind mit von der Partie
Alles begann mit einem Gutschein, den der Niederbayer seinerzeit zum 27. Geburtstag geschenkt bekam: eine Freifahrt im Heißluftballon. Einlösen wollte ihn der Jubilar aber nicht so recht: „Solange ich nicht mit selbst Hand anlegen kann, steige ich in keinen Ballon“, sagte er sich damals. Und so ließ er sich kurzerhand zum Ballonpiloten ausbilden. Als er sein Zeugnis erhielt, war der Gutschein zwar schon längst abgelaufen. „Aber meine Begeisterung war geweckt“, erinnert sich Neukirchinger. Und so kam eins zum anderen: Mit 28 Jahren kaufte er seinen ersten Ballon, ein Jahr später gründete er sein Unternehmen.
Bereut hat der Passauer seine Entscheidung seitdem keine Sekunde: „Es hat mehrere Jahre gedauert, bis alles ins Laufen kam, aber seitdem läuft es hervorragend“, freut er sich. Zwei Ballons gehören heute zu(m) „Bayernhimmel“: einer für sieben und einer für zwölf Personen. Das Investment ist nicht unerheblich: Der größere der beiden kostete rund 120.000 Euro. Seit einigen Jahren stehen auch die Söhne Felix und Maxi am Brenner: Sie machten bereits mit 17 und 16 ihre Ballonfahrerlizenz und sichern so den Fortbestand des Betriebs.
Michael Neukirchinger fährt am liebsten über die Alpen. „Das ist gleichzeitig die anspruchsvollste Route – sie muss akribisch vorbereitet sein“, sagt er. Möglich ist diese Fahrt nur im Winter zwischen November und Februar unter besten Wetterbedingungen. Notwendig ist dafür eine so genannte Nordföhnlage. Nur dann sind die Wind- und Thermikbedingungen so geartet, dass sie den Ballon von der Nordseite der Alpen bis nach Süden tragen.
Über die Zugspitze hinweg bis zum Gardasee
Eine Alpenüberquerung dauert rund vier Stunden. Der Gasvorrat würde für sechs Stunden reichen. Beim Aufstieg auf etwa 6.000 Meter sinkt die Lufttemperatur auf ca. 20 bis 30 Grad Minus. Im Korb selbst ist es aufgrund der Sonneneinstrahlung und des Brennerbetriebs mit Temperaturen um den Gefrierpunkt allerdings deutlich milder. Zusätzlicher Sauerstoff aus der Flasche gleicht die „dünne Luft“ aus. Die Standardroute des niederbayerischen „Königs der Lüfte“ führt über die Zugspitze, dann weiter nach Innsbruck und entlang der Brennerautobahn nach Süden – über die Dolomiten hinweg bis hin zum Gardasee und sogar bis nach Verona.
Bei der ganz großen Fahrt über die Alpen sind stets zwei Piloten an Bord. Michael Neukirchinger nimmt nur fünf Passagiere mit. Die weiteste Fahrt führte den Niederbayern einmal von Passau aus bis südlich von Mailand. Sie dauerte rund fünfeinhalb Stunden. „Der Ballon ist dann rund 175 Stundenkilometer schnell, aber die Geschwindigkeit merkt man kaum im Ballon, man fährt ja mit dem Wind“, erzählt der erfahrene Pilot. Wer das exklusive Erlebnis der Alpenüberquerung im Ballon einmal genießen möchte, zahlt bei Bayernhimmel inklusive Übernachtung am Gardasee rund 1.300 Euro pro Person.
Besonders beliebt sind die Starts in Passau, die an der Veste Oberhaus hoch über der Dreiflüssestadt mit einem atemberaubenden Panorama-Blick beginnen: Der Pilot bringt den Ballon dann auf 3.000 Meter Höhe – mit Blick auf die Alpen und den Moldau-Stausee im Böhmerwald, folgt dem Lauf der Donau oder steuert den Ballon zu den Gipfeln des Bayerischen Waldes. „Was die Passagiere oft am meisten begeistert, ist die weite Sicht von über einhundert Kilometern“, weiß der Ballon-Unternehmer zu berichten. Auf Wunsch der Mitfahrer können diese auch ihren Heimatort einmal aus der Vogelperspektive betrachten. Die Preise pro Fahrt liegen bei rund 220 Euro.
„Beste Werbung für Bayern“
Anekdoten aus 25 Jahren am Brenner kann Michael Neukirchinger reichlich erzählen: Einmal bot sich eine Zwischenlandung am Dachsteingletscher an. Zwar hätten alle Passagiere ein Foto gewollt – „aber keiner traute sich auszusteigen, weil alle Angst hatten, entweder in eine Gletscherspalte zu fallen oder nicht mehr rechtzeitig in den Ballon zu kommen“, erinnert sich der 54-Jährige, der neben dem Ballonfahren als Metallbauer tätig ist.
Bei einer Fahrt im Sommer sei er mit seinem Ballon einmal einem mobilen Eiswagen hinterhergefahren, berichtet er. Auf Wunsch seiner Fahrgäste landete er kurzentschlossen, damit die Passagiere sich mit allerhand Eiscreme versorgen konnten. Gern erinnert er sich ebenso an eine Reisegruppe aus China. „Wir konnten uns zwar überhaupt nicht verständigen, aber der Film, der damals während der Fahrt entstand, läuft bis heute im chinesischen Staats-Fernsehen – und ist beste Werbung für Bayern.“
da Hog’n/ obx-news