Dass das Ende der Weimarer Republik und die Machtergreifung Hitlers auch im Bayerischen Wald spürbar war, davon berichtet Toni Schuberl..

Grafenau/Zenting. Dass die Nationalsozialisten nach dem Ende der Weimarer Republik, in der es erstmals eine parlamentarische Demokratie in Deutschland gab, auch im Bayerischen Wald Fuß fassten und ihr Unwesen trieben, davon berichtete da Hog’n bereits im Rahmen der Serie „Nazi-Täter ausm Woid„. Mit der Frage, wie sich der Übergang zur NS-Diktatur speziell im Grafenauer Land vollzog, hat sich der Zentinger Landtagsabgeordnete und Historiker Toni Schuberl intensiv befasst:

Der Blick in ein Schaufenster in Zenting, das das Bild Adolf Hitlers ziert. Fotoarchiv: Karl Himpsl

Vor 90 Jahren endete die Weimarer Republik. Zwar saß die NSDAP Anfang des Jahres 1932 nur mit 18,3 Prozent Stimmanteil im Reichstag, doch ihre private Terrorarmee von SA und SS hatte bereits die Herrschaft über die Straßen errungen. Im April 1932 versuchte die Weimarer Republik noch einmal kurz, die nationalsozialistischen Gruppierungen zu be­­kämpfen – und verbot endlich SA und SS. In Folge dieses Verbots gab es auch in unserer Region Haus­durchsuchungen bei bekannten Nazis, deren Berichte sich in den Unterlagen des Staatsarchivs Landshut finden lassen.

Hausdurchsuchungen – in die eine, dann in die andere Richtung

Werbung
       

Für die SA im Be­reich Titt­ling, Witzmannsberg, Enzersdorf, Rappenhof, Preying, Sal­­­den­burg und Thurmansbang, dem SA-Sturm 25/III/16, wurde beim SA-Truppverwalter aus Saldenburg am 15.4.1932 eine Hausdurchsuchung durch die Gendarmerie Thurmansbang durchgeführt, die weder Waffen noch eine Mit­­­glie­der­liste hervorbrachte. Der Sturm 25 soll damals jedoch bereits eine Stär­ke von 85 Mann erreicht haben.

Werbung
       
Die Hans-Schemm-Schule in Zenting. Die Inschrift am Anbau lautete: „Mit Hitler marschieren wir“. Fotoarchiv: Karl Himpsl

Es gab auch bei einem Nazi in Biberbach sowie beim Ortsgruppenführer der NSDAP in Spiegelau und dem Scharführer der Grafenauer Ortsgruppe vom SA-Sturm 77/III/4 Hausdurchsuchungen. Doch dieses letzte zaghafte Aufbäumen hielt dem Druck konservativer und militaristischer Kräfte nicht lange stand. Bereits zwei Monate später wurde das Verbot aufgehoben und die Terroreinheiten der Nazis waren wieder erlaubt. Die Reichstagswahl im Juli 1932 verhalf der NSDAP zu einem Anstieg auf 37,4 Prozent. Am 30.1.1933 wurde Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Innerhalb weniger Monate wurden nun alle Reste der Demokratie beseitigt.

Doch noch einmal fand eine Reichstagswahl statt, die für den 5.3.1933 angesetzt war. Hitler, der zwar bereits die Regierungsgewalt erhalten hatte, fehlte noch eine Mehrheit im Reichstag. Vor dieser Wahl gab es noch einen Wahl­kampf mit unterschiedlichen Wahlversammlungen, etwa in Thur­mans­bang. Es war die letzte Wahl, bei der noch mehrere Parteien zu­ge­lassen waren. Die Vernichtung der an­deren Parteien ist jedoch be­reits vorbereitet worden. Auch jetzt gab es wieder Hausdurchsuchungen, aber diesmal in die andere Richtung.

Der letzte Tag der Demokratie

Schon am 6.2.1933 wurde durch die Gen­­dar­merie Thurmansbang das Haus des KPD-Ortsgruppen­füh­rers in Eggenreut durch­sucht. Er ist ver­däch­tigt wor­den, ein Maschinengewehr zu be­sitzen. Gefunden wur­de statt­dessen eine Mitgliederliste der KPD, die für die kom­mende Verfolgung nützlich war. Am 4.2.1933 war im Gasthaus Wagner in Thannberg eine Wahlver­samm­­lung der KPD mit ca. 50 Personen. Der Redner wurde be­reits vom Gendarmen gewarnt, sich zurückzuhalten mit der Kri­tik an der aktuellen Regierung, sonst werde die Versammlung auf­ge­löst.

Feier am Dorfplatz von Zenting vor der Schlosserei Anton Vollath während der NS-Zeit. Fotoarchiv: Karl Himpsl

Bei Wahlversammlungen der Parteien in der Weimarer Re­pub­lik durften auch sogenannte Diskussionsredner einer an­deren Par­tei reden, um widersprechen zu können. Gegen die KPD tra­ten zwei Nazis, der Lehrer von Thannberg und ein Mann aus Eging auf. Da Letzterer mit einem kommunistischen Bauern aus Schlinding zu streiten anfing, ließ der Gendarm das Lokal räumen. Am nächsten Tag, am 5.2., hatte die KPD erneut eine Versammlung, diesmal im Gast­haus Meier in Thurmansbang mit ebenfalls ca. 50 Anwesenden. Es ist erstaunlich, dass diese Versammlungen zu diesem Zeitpunkt noch soviel Zulauf erhielten.

Noch am 26.2.1933 gab es in Thurmansbang und Thannberg vier Wahl­­kampf­ver­an­staltungen. Die KPD war in der Gastwirtschaft Mei­er, die NSDAP zur selben Zeit im Gasthaus Müller in Thur­mans­bang – und die SPD im Gasthaus Wagner in Thannberg. Nach der SPD gab es an diesem Tag noch eine weitere Ver­an­stal­tung der KPD in Thannberg. Es gab weder Zusammenstöße noch Zwischen­fälle. Dies war der letzte Tag der Demokratie. Ei­nen Tag später, in der Nacht vom 27. auf den 28.2. brannte der Reichs­tag und mit der Reichstagsbrandverordnung vom 28.2. wur­den die Grund­rech­te außer Kraft gesetzt und die Jagd auf die An­hänger der an­de­ren Parteien durch die Nazis begann. Am 8.3. gab es beispielsweise Haus­durchsuchungen bei Kommunisten im Bereich von Thurmansbang.

Einschüchterung, noch nicht Vernichtung

Die Wahl am 5.3.1933 brachte den Nazis deutschlandweit mit 43,9 Prozent zwar nicht die erhoffte absolute Mehrheit, aber in einer Koalition mit den Konservativen der „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“, geführt von der DNVP, eine Mehrheit. Im Bezirksamt Grafenau wählten 3.803 Personen die NSDAP, 2.078 die Bayerische Volkspartei, 1.565 den Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbund, 1.407 die SPD, 899 die KPD und 170 die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Durch die sofortige Annullierung der Mandate der KPD hatte die NSDAP sogar noch vor der ersten Sitzung des neuen Reichstags rechnerisch eine eigene absolute Mehrheit erlangt. Am 23.3.1933 entmachtete sich der Reichstag gegen die Stimmen der SPD selbst. Im Juli 1933 wurden alle Parteien außer der NSDAP verboten, so dass die Reichstagswahl im November 1933 nur noch eine Liste aufwies.

Die Inhaftierung in einem KZ diente zu diesem Zeitpunkt der Einschüchterung der politischen Geg­ner. Foto: Jordan Holiday/ pixabay

Zwischen dem 15.3. und dem 9.12.1933 wurden im Bezirksamt Gra­­fenau 104 Personen in „Schutzhaft“ genommen und in ein Kon­­zentrationslager gesperrt, darunter auch zwei Kommunisten aus Thurmansbang. Die Gefangenen die­ser ersten Verhaftungswelle wurden nach einiger Zeit meist wie­der entlassen. Die Inhaftierung in einem KZ diente zu diesem Zeitpunkt der Einschüchterung der politischen Geg­ner, um die weitere Zer­schla­gung der Demokratie zu er­mög­li­chen, und noch nicht der Vernichtung. Als in den folgenden Mo­na­ten die Vermögen von SPD, KPD, dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und anderen verbotenen Organisationen ein­ge­zogen werden sollten, waren im Bezirksamt Grafenau von die­sen Verbänden keinerlei Überreste mehr vorhanden.

Toni Schuberl

Alle weiteren Informationen sowie Quellenangaben finden sich in der Zentinger Dorfchronik, die von Toni Schuberl und Rudolf Himpsl verfasst wurde (ab Seite 284).


Dir hat dieser Artikel gefallen und du möchtest gerne Deine Wertschätzung für unsere journalistische Arbeit in Form einer kleinen Spende ausdrücken? Du möchtest generell unser journalistisches Schaffen sowie die journalistische Unabhängigkeit und Vielfalt unterstützen? Dann dürft ihr das gerne hier machen (einfach auf den Paypal-Button klicken).


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert