Šumava/Böhmerwald. Auf unserem Streifzug durch die Schicksale und Verdienste berühmter Naturwissenschaftler aus dem Böhmerwald kommen wir diesmal in die Nähe von Oberplan (heute: Horní Planá), nach Hossenreith (heute: Jenišov), wo der berühmte Arzt und Chemiker Adolf Martin Pleischl (1787–1867) geboren wurde. Obwohl der frühe Lebensweg von Pleischl wegen der Armut der Familie sicher nicht einfach war, bekam der kleine Adolf Martin – durch Unterstützung von seinen Eltern und Freunden – eine breite Wissensgrundlage, die es ihm ermöglichte, in eine höhere Schule zu gehen und mit außergewöhnlicher Bravour ein universitäres Studium zu absolvieren.
Pleischls universitäre Laufbahn
Im Jahre 1815 schloss Adolf Martin Pleischl an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag das Medizinstudium ab. Er übernahm schon im Jahre 1819 die Leitung der Lehrkanzel für allgemeine und pharmazeutische Chemie und wurde zum ordentlichen Professor ernannt. An der Prager Universität wirkte er bis 1837 und bestimmte die universitäre Lehre und Forschung in der Chemie maßgeblich.
Die von Pleischl im Jahre 1820 publizierte hervorragende und demgemäß breit rezipierte umfangreiche Schrift „Das chemische Laboratorium an der K. K. Universität zu Prag“ dokumentiert in originellen wissenschaftlichen Reflexionen nicht nur die geschichtliche Verankerung, sondern auch die bedeutende Stellung des sich auf Grundlage großer Unterstützung schnell entwickelnden universitären Faches der Chemie. Zur Zeit von Pleischls Wirken in Prag kam es zum Umbau und zur Erweiterung des chemischen Laboratoriums an der Universität, wodurch umfangreichere und mannigfaltigere Experimente durchgeführt werden konnten, z. B. mit Hilfe von Luft- und Wasserpresse, von Druckgefäßen, und bezogen auf die Chemie der Gase, auf die Elektrizität und den Magnetismus.
Seine Vorliebe für die Entdeckung der Geheimnisse der Chemie konnte Pleischl im Rahmen seiner Tätigkeit an der Prager Universität auf eine intensive Weise entwickeln. Er hat darauf aufbauend seine große Begeisterung für dieses Fach an seine Studenten auf eine prägende Weise weitergegeben:
Seine Vorlesungen wurden von zahlreichen, den verschiedensten Erdtheilen angehörigen Studierenden besucht, und nicht allein Mediziner und Apotheker, sondern auch Juristen, Techniker, Oekonomen und Offiziere zeigten den größten Eifer, unter seiner Leitung der Naturgesetze Spur zu verfolgen. Seine gründliche wissenschaftliche Theorie suchte er auf die zweckmäßigste Weise durch praktische Anwendung, in unmittelbare Anschauung umzuwandeln; überhaupt aber ging sein Bestreben wesentlich dahin, den Geist seiner Schüler derart zu bilden, daß er mit regem Sinne für das Höhere sich unabhängig und selbstständig in der Wissenschaft bewegen lerne … (Wiskoczill 1854: 16)
Die Analysen des Trink- und Heilwassers
Pleischls akademische Tätigkeit verband sich aber nicht nur mit seiner pädagogischen und forschungsbezogenen Tätigkeit an der Prager Universität. Sondern er engagierte sich – im Auftrag der böhmischen Behörden – auch sehr intensiv im Bereich der chemischen Analysen der Qualität und damit verbunden der Inhaltsstoffe des Wassers sowie im besonderen der Mineralquellen sowohl in Prag selbst und in der Nähe von Prag, aber auch in anderen Orten Böhmens.
Ein wichtiges Arbeitsfeld wurden für Pleischl die westböhmischen Kurorte Karlsbad (heute: Karlovy Vary), Marienbad (heute: Mariánské Lázně), Franzensbad (heute: Františkovy Lázně) und Teplitz (heute: Teplice), wo er gründliche Analysen der Heilquellen durchführte und auf Grundlage seiner Untersuchungen in großem Umfang die dort möglichen Wasser-Therapien propagierte. Zu seinen diesbezüglichen großen Leistungen gehört die Entdeckung bis dahin unbekannter wichtiger Bestandteile der Karlsbader Quellen – des Kaliums, des Broms und des Jods.
In Prag war es Adolf Martin Pleischl ein großes Anliegen, die „sicheren Grundlagen zu einer medizinischen Topographie Prags“ zu schaffen – und er fing an, chemische Analysen des Grundgesteins von Prag – des Übergangstonschiefers – durchzuführen. Ebenso untersuchte er das Wasser der Moldau, die Qualität des Wassers in den Wasserleitungen und in den öffentlichen Brunnen sowie – wie bereits erwähnt – auch die Zusammensetzung des Wassers der Prager Mineralquellen.
Pleischls Wiener Zeit und seine Entdeckung des „gesunden“ Emails
Im Jahre 1838 wechselte Pleischl an die Universität Wien, wo er bis 1848 tätig war. In Österreich gründete er – aufgrund seiner Entdeckung des gesundheitlich unschädlichen, metallfreien Emails im Jahre 1836 – eine Fabrik zur Herstellung von Küchengeschirr aus Eisenblech mit dem vor Korrosion schützenden „gesunden“ Überzug aus Email. Dieses neue korrosionsfreie und damit gesundheitsunschädliche Geschirr fand nicht nur eine schnelle Verbreitung, sondern wurde auch bei einigen internationalen Industrie-Ausstellungen ausgezeichnet.
Pleischls viel zu früher, aus unklaren Gründen im Jahre 1848 erzwungener Abschied von der Universität Wien führte ihn dazu, sich durch einen „Nachruf an seine Schüller“ von seinen Studenten zu verabschieden. In diesen Zeilen spiegelt sich noch einmal nicht nur sein äußerst enges „Vehrhältnis zu seinen Schüllern“, sondern auch die bereits angedeutete immens große Begeisterung für seine universtitätspädagogische Tätigkeit. Seine Worte belegen eine besonders ausgeprägte, ganzheitliche Sicht auf die Natur, die nach Pleischls Verständnis von einem göttlichen Rahmen umgeben ist:
Zu den schönsten Stunden meines Lebens zähle ich aber Diejenigen, welche ich lehrend in Ihrer Mitte, in der Mitte meiner Schüller zubrachte. Während dieser Stunden waren alle Sorgen, alle Mühen, aller Kummer des Lebens in Lethe’s Fluthen versenkt, der Geist schwelgte in den Geheimnissen der Natur und ihrer Enthüllung durch die Wissenschaft. […] Stets wies ich Sie, meine Freunde, auf die Natur hin, als die sichtbare Offenbarung des unsichtbaren Gottes, und zeigte Ihnen in der Wirklichkeit und wissenschaftlich, daß Er Alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet, wie es im Buche der Weisheit der Seher geahnet. (Wiskoczill 1854: 26)
Die unter Wasser verschwundene Gedenkstätte
Eine Gedenktafel für Adolf Martin Pleischl wurde im Jahre 1882 an seinem Geburtshaus in Hossenreith angebracht. Durch die Unbillen des Schicksals – in diesem Fall durch den Bau des Stausees Lipno – versank das Dorf Hossenreith und somit auch Pleischls Geburtshaus im Jahre 1958 im Moldau-Wasser, dessen chemische Zusammensetzung Pleischl an die 130 Jahre davor als erster genauer untersucht hatte. Heute gibt es für diesen so verdienstvollen berühmten Naturwissenschaftler im Böhmerwald keine Gedenkstätte.
Lenka Ovčáčková