Schönsee. Was macht den Bayern zum Bayern, was den Tschechen zum Tschechen? Richtig! Seine Kultur. Diese umfasst alles, was der Mensch erschaffen hat. Ihr Kern beinhaltet die Art und Weise, wie das Zusammenleben gestaltet ist. Sie umfasst die „Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung“, wie dem Wörterbuch zu entnehmen ist. Das Centrum Bavaria Bohemia (kurz: CeBB) in Schönsee im Nordosten des Landkreises Schwandorf kümmert sich seit 2006 um die Verbindung kultureller Einflüsse dies- und jenseits der bayerisch-böhmischen Grenze.
Das CeBB befindet sich – und der Standort wurde ganz bewusst gewählt – genau in der Mitte der 358 Kilometer langen gemeinsamen Grenze zwischen Bayern und Tschechien. Untergebracht wurde es in einem ehemaligen Brauhaus in der knapp 2.500-Seelen-Gemeinde Schönsee. An sieben Tagen in der Woche ist das Haus, das Raum für verschiedene Ausstellungen sowie allerlei Infomaterialien in puncto Grenzregion bietet, für die Öffentlichkeit zugänglich, wie Ivana Danisch berichtet.
Die 34-Jährige stammt aus Neuhaus in Südböhmen (nahe der österreichischen Grenze) und kam im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Nach dem Besuch von Realschule und Gymnasium hat sie sich für den Studiengang „Deutsch-tschechische Studien“ in Regensburg entschieden. Nach ihrem Abschluss war sie mehrere Jahre in der Event- und Gastrobranche tätig. Seit Mai 2019 arbeitet sie im CeBB und zeichnet heute für dessen Programm- und Projektmanagement verantwortlich. Wir haben uns mit Ivana Danisch über die Kultur-Einrichtung und deren Möglichkeiten der kulturellen Zusammenarbeit unterhalten.
Begegnung und Austausch im Mittelpunkt
Kurz erklärt: Was ist das CeBB?
Das CeBB ist eine Art Kultur-Drehscheibe. Wir befinden uns mit dem CeBB buchstäblich in der Mitte des Geschehens und können uns somit in alle Richtungen bewegen. Wir sind ein Mittelpunkt, ein Informationszentrum an der bayerisch-böhmischen Grenze. Wir sind Ansprech- und Kooperationspartner für die Kulturschaffenden auf bayerischer und tschechischer Seite.
Wie schaut die Unterstützung seitens des CeBB für die Kulturschaffenden dies- und jenseits der Grenze konkret aus?
Unser Ziel ist es, die bestehende Grenze durch die grenzüberschreitende Kulturarbeit verschwinden zu lassen. Wir wollen vor allem diejenigen unterstützen, die beiderseits der Grenze aktiv sind. Wenn deutsche und tschechische Akteure gemeinsam etwas gestalten, bieten wir ihnen hier eine Plattform. Das CeBB bietet Raum für regionale, gesellschaftliche und historische Themen. Der Sinn und Zweck ist die Begegnung, der Austausch im Sinne der Völkerverständigung, die Erinnerungsarbeit, das Vermitteln von Entwicklungsimpulsen für die Grenzregion – auch im touristischen Sinne.
Im Rahmen unserer Koordinierungsstelle, die das CeBB seit 2017 bildet, bieten wir allen Kulturschaffenden aus Deutschland und Tschechien auch eine Beratungsplattform hinsichtlich Projekten an, die nicht nur das CeBB betreffen, sondern auch von außen kommen. Wir vermitteln ebenso Kontakte, wenn etwa ein Verein aus Bayern einen tschechischen Partner sucht. Das ist auch dringend nötig, da sich Kontakte generell nicht so einfach knüpfen lassen. Seit 2016 haben wir mehr als 700 Kulturschaffende beraten. Daraus sind bis heute mehr als 50 Kooperationsprojekte entstanden. Mit unseren Vernetzungsmöglichkeiten konnten wir somit bereits in vielen Fällen Hilfestellung leisten.
Für uns ist es wichtig, eine gute Atmosphäre der Nachbarschaft zwischen Bayern und Tschechien zu schaffen. Ebenso eine Zukunftsperspektive für die bayerisch-tschechische Grenzregion. Umso wichtiger sind uns regionale Akteure, die gemeinsam mit uns eine europäische Integration entwickeln können.
„Ein sehr schönes Zeichen der Verbundenheit“
Wie sehr ist eigentlich die Grenze zwischen dem böhmischen und dem bayerischen Raum noch vorhanden?
Sie ist leider immer noch spürbar. Die Leute fahren immer noch lieber nach Nürnberg oder München, anstelle nach Pilsen oder Prag. Die Grenzschließung in der Zeit der Pandemie hat natürlich vieles wieder zurückgeworfen. Dies muss nun erst wieder etwas aufgearbeitet werden.
Doch jene Zeit hatte auch etwas Positives: Verschiedene Kulturakteure hatten sich zusammengesetzt und haben die Aktion „Samstage für Nachbarschaft“ gegründet. Dabei trafen sich Leute aus Tschechien und Deutschland an den Wochenenden entlang der Grünen Grenze, um gemeinsam ein Picknick zu machen. Dabei blieb freilich jeder Teilnehmer auf seiner Seite der Grenze. Sie haben musiziert, es gab Kaffee und Kuchen. Daraus entstand im Nachhinein eine Ausstellung im Nationalmuseum in Prag. Die Menschen ließen es nicht zu, dass die Kontakte nicht mehr stattfinden. Das war ein sehr schönes Zeichen der Verbundenheit.
In der Tat. Dennoch: Woran liegt es – unabhängig von Corona -, dass die Menschen meist auf ihrer Seite der Grenze bleiben?
Die Sprachbarriere ist immer noch ein Problem, klar. Und auch in anderen Bereichen kommt es ab und an noch zu Schwierigkeiten. Doch diese Probleme kann man lösen, indem man Begegnungsformate schafft, sprich: Leute kommen in einem bestimmten Rahmen zu einem bestimmten Thema zusammen. Dabei können einige Vorurteile, die in so manchen Köpfen noch vorherrschen, abgebaut werden. Die Menschen erleben dabei, dass man gar nicht so unterschiedlich tickt.
„Ein, zwei Generationen brauchen wir noch Zeit“
Woran liegt es, dass heute viele Tschechen gut Deutsch sprechen, umgekehrt aber nur wenige Deutsche Tschechisch?
Bis vor einigen Jahren war Deutsch die erste Fremdsprache in der Schule. Das Angebot Deutsch zu lernen war sehr groß, weil Deutschland ein großes Nachbarland ist, das viele Perspektiven bietet, wenn man die Sprache beherrscht. An einigen Schulen in der Grenzregion wird Tschechisch unterrichtet. Aber die Deutschen haben im Laufe der Zeit auch mitbekommen, dass viele Tschechen gut Deutsch können – und haben daher keinen wirklichen Anlass dafür gesehen, Tschechisch zu lernen. Es wäre freilich schöner, in der Grenzregion wirklich an jeder Schule Tschechisch als Wahlfach anzubieten, damit die zukünftigen Erwachsenen wenigstens sprachlich eine Grundlage haben.
Wie präsent ist die Vergangenheit – sprich: das, was sich während und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zugetragen hat – noch in den Köpfen der Menschen?
Ich denke, wir werden noch ein paar Jahre benötigen, damit die Vergangenheit irgendwann einmal passé ist. Ein, zwei Generationen brauchen wir noch Zeit, damit die Vergangenheit ruhen kann. Wir können dies beschleunigen, indem wir ein gutes bayerisch-böhmisches Netzwerk schaffen und Verbindungen aufbauen.
Das CeBB bietet auch Praktika an: Welche sind das genau?
Wir bieten dreimonatige Praktika an. Die Praktikanten haben dabei die Möglichkeit, selbst die Kulturszene kennen zu lernen, Veranstaltungen zu planen und durchzuführen sowie einen Einblick in die bayerisch-böhmischen Beziehungen zu bekommen. Da wir generell recht aktiv sind – wir haben im vergangenen Jahr 110 öffentliche Veranstaltungen organisiert -, können Praktikanten vieles lernen und viele Kontakte knüpfen.
„Ohne sie würde es nicht gehen“
Welche weiteren Aktionen gibt es noch im Rahmen des CeBB?
Es geht von Lesungen über Ausstellungen und Vernissagen bis zu Diskussionsforen und Filmvorführungen. Wir haben verschiedene Arbeitsgruppen und veranstalten Ausflüge, sogenannte Kultur-Touren, etwa ins Theater oder zu einem Konzert. Ganz besonders erwähnenswert ist, dass unsere Veranstaltungen alle zweisprachig sind und von Dolmetschern begleitet werden. Wir bieten auch Sprachkurse für Erwachsene an, um der Sprachbarriere entgegen zu wirken.
Es gibt auch einen Trägerverein, richtig?
Ja, das ist der Bavaria-Boehmia e.V. mit mehr als 500 Mitgliedern. Unser erster Vorsitzender ist der Landrat des Landkreises Schwandorf, Thomas Ebeling. Wir sind sehr froh darüber, dass wir viele ehrenamtliche Helfer haben, die uns bei unserer Arbeit unterstützen. Ohne sie würde es nicht gehen, weil wir nur ein sehr kleines Team bilden.
Wird vom CeBB auch eine Art Subkultur gefördert?
Bei unseren Veranstaltungen stehen regionale Künstler im Fokus. Gerne auch Künstler, die neu sind, noch jung sind. Wir bieten ihnen eine Plattform an ihre Kunst darzustellen. Im Rahmen eines vergangenen Projekts durften etwa deutsche und tschechische Sprayer gemeinsam mit Kindern künstlerisch aktiv werden. Ebenso laden wir gerne Musiker ein, die unter anderem bei Ausstellungen oder ähnlichen Veranstaltungen ihre alternative Musik präsentieren. Die Vielfalt liegt uns am Herzen.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer