Freyung. Dem Wunsch des einstigen Hausherrn entspricht die Nachnutzung des Passauer Hofs in Freyungs Stadtmitte nicht ganz. „Ich lege großen Wert darauf, dass die Gastwirtschaft auch nach meiner Zeit erhalten bleibt“, verlautbarte Herbert Schiller 2019 gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n. Vor eineinhalb Jahren hatte der ehemalige Gastwirt, der mehr als ein Vierteljahrhundert in „seinem Hof“ für die Bewirtschaftung verantwortlich zeichnete, dann das Ende des Traditionsgasthauses verkündet. Wie es damit weitergehen soll, blieb lange im Ungewissen. Nun gibt es jedoch konkrete Pläne, gegen die auch Schiller wohl nichts einzuwenden haben dürfte.
Wenn man in Leutkirch im Allgäu das ehemalige Brauereigebäude betritt, riecht es nach frischem Brot. Dem Bäcker kann man genauso bei seinem Handwerk zuschauen wie den 17 weiteren Produzenten regionaler Waren – vom kaltgepressten Öl bis zu handgefertigten Töpferwaren. So sieht sie aus, die „Allgäuer Genussmanufaktur“ – und nach ihrem Vorbild soll es eine solche für den Bayerischen Wald ab 2026 auch in Freyung geben, wie einer Pressemitteilung zu entnehmen ist. Auf Nachfrage teilt die Stadtverwaltung mit, dass der Kontakt zum Allgäu im April dieses Jahres zustande gekommen sei. Bürgermeister Heinrich, der sich seit Jahresbeginn mit dem Konzept „Genussmanufaktur“ befasst habe, war in Urlau zu Besuch.
Stadt Freyung hat Gebäude erworben
Die Stadt habe mit breiter Mehrheit den Kaufvertrag für den Zwischenerwerb des Passauer Hofs beschlossen. „Die Stadtverwaltung will mit externer Unterstützung das Jahr 2023 nutzen, um ein solides Konzept für eine Genussmanufaktur zu erstellen und die Gründung einer neuen Genossenschaft auf den Weg bringen, die dann das Gebäude nach und nach saniert und die Genussmanufaktur betreibt“, heißt es in der Meldung an die regionalen Pressevertreter weiter. Der notarielle Kaufvertrag sei jüngst zwischen dem bisherigen Gebäudeeigentümer (Herbert Schiller, ehem. Freyunger Stadtrat und Bürgermeister-Stellvertreter) und der Stadt geschlossen worden, wie man auf Nachfrage informiert. Zum Kaufpreis wolle sich die Verwaltung nicht äußern. „Lediglich soviel: Der Kaufpreis entspricht dem Wert der Immobilie, der von einem vereidigten und öffentlich bestellten Sachverständigen ermittelt wurde.“
Lisa Späthe, Heimatentwicklerin der Initiative „HeimatUnternehmen Bayern“, die unternehmerische Menschen im ländlichen Raum unterstützt und verbindet, werde das Projekt künftig begleiten. Sie habe bereits erste Interessenten aus dem Kreis der HeimatUnternehmer dafür begeistern können – darunter die junge Glaskünstlerin Elisabeth Ritterswürden aus Zwiesel. „Ich finde die Idee großartig, verschiedene spannende Handwerke an einem Ort zu versammeln und diese sich gegenseitig inspirierende Gemeinschaft einem breiten Publikum zugängig zu machen.“ Gerade für Jungunternehmer und Gründer sei es eine Chance, sich mit überschaubarem Anfangskapital auszuprobieren. Aber auch für erfahrene Unternehmer wie etwa Michael Wühr von der Schweinhütter Woidsiederei, biete die Genussmanufaktur Möglichkeiten, neben der bestehenden Produktionsstätte an einem weiteren Ort zu produzieren.
Dass sich das Allgäuer Modell auf den Bayerischen Wald übertragen lasse, davon zeigte sich deren Gründer überzeugt, als er kürzlich das Gebäude am Freyunger Stadtplatz besichtigte: „Der Passauer Hof eignet sich aus drei Gründen hervorragend als Standort für eine Genussmanufaktur. Das Gebäude liegt mitten in der Innenstadt und zieht somit bei einer Wiederbelebung als Genussmanufaktur Einheimische und Urlauber in den Stadtkern. Der Passauer Hof ist Geschichte und erzählt seine eigene – und die Freyunger haben Geschichten in Verbindung mit dem Passauer Hof persönlich erlebt. Das Haus ist vom Gebäudezuschnitt, den verschiedenen Raumgrößen und vom historischen Gebäudebestand sehr gut geeignet. Eine Genussmanufaktur an diesem Standort im Ortskern ist Stadtmarketing pur“, sagt Christian Skrodzki, ehrenamtlicher Vorstand der Allgäuer Genussmanufaktur eG, Heimatentwickler und HeimatUnternehmer.
Projekt-Entfaltung als „offener Prozess“
Er sei – wie Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich – der Meinung, dass man einem solchen Projekt Zeit geben muss, um sich zu entwickeln. „Es ist ein ganz neues Vorhaben, das davon lebt, dass sich viele unterschiedliche Menschen miteinbringen – handwerklich, künstlerisch und finanziell. Das als offenen Prozess jetzt zu starten macht Sinn, denn viele werden womöglich erst angeregt zu überlegen, ob sie ihre Produktion von zuhause in die Genussmanufaktur verlegen – und das braucht natürlich Vorlaufzeit“, sagt Heinrich. Auch hab sich in der Manufaktur im Allgäu bei einer Vielzahl von Führungen durch das Gebäude nach und nach ein Kreis von interessierten Bürgern gebildet, die sich in der neuen Genossenschaft eingebracht haben. „Jeder, der Lust hat einen Beitrag zu leisten, ist herzlich willkommen“, rührt Heinrich die Werbetrommel.
Das Modell der Genussmanufaktur sieht nicht nur vor, dass die Besucher die Produkte kaufen, sondern dass sie auch deren Herstellung miterleben können. Platz ist für etwa acht bis zwölf Produzenten – je nachdem, welchen Platzbedarf sie jeweils haben. Diese müssen sich dazu verpflichten, eine Mindestzahl an Tagen vor Ort zu sein, damit die Grundpräsenz an Herstellern in der Manufaktur gesichert ist.
Auch nutzbar sind der riesige Eiskeller, der einen Notausgang hat, sowie der großzügige Speicher unterm Dach. „Diese besonderen Räume könnte man hervorragend integrieren“, sagt Lisa Späthe, verweist aber darauf, dass man diese Entscheidungen bewusst in die Hand der künftigen Genossenschaft legen sollte. Diese soll laut Stadtverwaltung innerhalb der nächsten ein bis eineinhalb Jahren initiiert werden. Von wem, ist bis dato noch offen.
Heinrich: „Das ergänzt sich hervorragend“
Und mit diesem Modell einer Genossenschaft kehrt auch der Passauer Hof letztlich wieder zurück zu seinen Wurzeln, denn das im Jahr 1853 erbaute Gebäude war Sitz der damaligen Kommunbrauerei. „Das war die erste Genossenschaft in Freyung, deren Tradition bis ins Jahr 1578 zurückreicht“, wird der Freyunger Rathaus-Chef in der Pressemitteilung weiter zitiert. Das Vorgängergebäude der Kommunbrauerei befand sich am gleichen Platz wie der Passauer Hof. „Damit hat der Ort eine über 300 Jahre währende genossenschaftliche Tradition“, ergänzt der Bürgermeister, der sicher ist, dass das Haus mit dieser „einmaligen Kombination einer Genussmanufaktur“ eine Anziehungskraft wie damals haben wird. „Und das bei Einheimischen genauso wie bei Urlaubsgästen, die gerade an Regentagen solche Angeboten gerne nutzen.“
Vor allem aber würden auch die Produzenten und Künstler selbst profitieren. „Sie haben damit viel mehr Kunden und den persönlichen Kontakt zu ihnen. Sie können sich mit ihren Kollegen untereinander vernetzen, austauschen und auch mal aushelfen.“ Das Alter des Gebäudes sei dabei kein Nachteil. „Wenn man in einem Haus das Historische spürt, dann verleiht es den Räumen Charakter – genauso einzigartig wie es auch die Produzenten und ihre hergestellten Produkte sind. Das ergänzt sich hervorragend“, wirbt Heinrich voller Überschwang.
Mit Rücksicht auf die Bausubtanz
Saniert werden müsse dennoch. „Aber eben mit Bedacht auf die Substanz, bei der man das Alte auch noch sehen darf“, erklärt Lisa Späthe. Als sie Elisabeth Ritterswürden durch das Haus führte und diese den Wandaufbau aus Lehm und Schilf sah, sei sie völlig begeistert gewesen. „Denn letztlich beschränkt sich Ökologie und Nachhaltigkeit nicht nur auf Konsumprodukte, sondern auch auf den Erhalt von historischen Gebäuden, die den Charakter einer Stadt ausmachen“, endet die Pressemittelung der Stadt.
da Hog’n