Endlich ist der Steuerbescheid in der Post. Doch das Schreiben sollte nicht voreilig abgelegt werden. Auch nicht, wenn es eine Steuererstattung gibt. Es ist wichtig, den Bescheid binnen eines Monats auf Herz und Nieren zu prüfen. „Nur wer innerhalb der Monatsfrist Einspruch einlegt, kann teure Fehler noch ausbügeln“, wird Jana Bauer vom Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine (BVL) im Rahmen einer Pressemitteilung zitiert.
Eine gründliche Prüfung des Steuerbescheids ist nötig. Das belegt die aktuelle Statistik des Bundesministeriums der Finanzen (BMF): Von den im letzten Jahr über 5,6 Millionen bearbeiteten Einsprüchen wurden knapp 3 Millionen 2021 erledigt. 63,4 Prozent der Einsprüche waren erfolgreich, rund 16 Prozent der Einsprüche hatten keinen oder zumindest teilweise keinen Erfolg.
Worauf muss ich besonders achten?
Zunächst sollten Steuerpflichtige Punkt für Punkt vergleichen, ob das Finanzamt alle Ausgaben anerkannt hat, die sie in ihrer Steuererklärung geltend gemacht haben. Wurden beispielsweise die mit dem Job zusammenhängenden Kosten in der richtigen Höhe berücksichtigt? Gehen Spenden und Kinderbetreuungskosten ab? Wurden die neuen Behinderten- und Pflegepauschbeträge korrekt abgezogen? Sind sämtliche Altersvorsorgebeiträge berücksichtigt?
„Wurden Posten zu Unrecht gekürzt oder gar gestrichen, sollte das nicht ohne Weiteres hingenommen werden“, rät Jana Bauer. „Steuerpflichtige sollten schnellstens dagegen schriftlich Einspruch bei ihrem Finanzamt einlegen.“
Übrigens: Ist der Fehler offensichtlich, dann genügt in der Regel ein einfacher „Antrag auf schlichte Änderung“ per Anruf, E-Mail oder Brief. Das geht meist schnell und unkompliziert.
Kann ich mich auf Musterprozesse berufen?
Steuerpflichtige sollten immer zuerst prüfen, ob in der strittigen Frage schon ein Verfahren bei einem obersten Gericht - also beim Bundesfinanzhof, Bundesverfassungsgericht oder beim Europäischen Gerichtshof – anhängig ist. „Darauf können sie sich in ihrem Einspruch berufen“, erklärt Bauer. „So klinken sie sich ohne viel Aufwand in das Musterverfahren ein“. Der Vorteil: Geht der Prozess zugunsten der Klägerin oder Klägers aus, gewinnen sie mit.
Im Einspruch ist dann nur auf das anhängige Musterverfahren zu verweisen. Zugleich wird das Ruhen des Einspruchsverfahrens bis zur gerichtlichen Entscheidung beantragt. Dann bleibt der Punkt im Steuerbescheid bis zur Entscheidung offen.
Kann ich noch nachträglich Ausgaben geltend machen?
Mit einem Einspruch lassen sich auch nachträglich Posten abrechnen, die in der Steuererklärung vergessen wurden wie zum Beispiel für haushaltsnahe Dienstleistungen aus der Nebenkostenabrechnung der Wohnung oder freiwillig gezahlte Beiträge in die Rentenkasse. Auch eigene Fehler lassen sich mit dem Einspruch korrigieren.
Wie lange ist ein Einspruch möglich?
Der Einspruch muss innerhalb eines Monats, nach dem der Steuerbescheid in Post war, schriftlich beim jeweils zuständigen Finanzamt eingehen. Das kann auch elektronisch über das Elster-Online-Portal oder per E-Mail erfolgen.
Kommt der Steuerbescheid – wie üblich – mit der Post, gilt er am dritten Tag als bekannt gegeben. Ist der Bescheid zum Beispiel vom 11. November 2022 datiert, muss der Einspruch spätestens am 14. Dezember 2022 beim Finanzamt eingegangen sein. Falls dieses Datum auf einen Feiertag oder ein Wochenende fällt, verschiebt sich die Monatsfrist für den Einspruch auf den nächsten Werktag. Das gleiche gilt, wenn die Einspruchsfrist an einem Feiertag oder Wochenende endet.
Was passiert nach einem Einspruch?
Nach dem Einspruch kann das Finanzamt den kompletten Steuerbescheid noch mal aufrollen und entsprechend ändern. Lehnt das Finanzamt den Einspruch ab, fordert es meist im Vorfeld auf, die Erfolgsaussichten des Einspruchs zu überdenken und den Einspruch zurückzunehmen. Nach der Statistik des BMF wurden rund 20 Prozent der Einsprüche zurückgenommen. Kosten entstehen nicht.
Gebühren fallen erst an, wenn Steuerpflichtige gegen die Einspruchsentscheidung beim Finanzgericht klagen. „Das finanzgerichtliche Verfahren ist mit mehr Aufwand als der Einspruch und mit einem Kostenrisiko verbunden“, erläutert Bauer. Lauf BMF-Statistik gab es im Jahr 2021 nur rund 56.000 Klagen.
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