Ensmannsreut. Das größte Geschenk machten sich Josef und Stefan Parockinger selbst – in Form einer neuen Halle mit schier gigantischen Ausmaßen. Senior- und Juniorchef des in Ensmannsreut ansässigen Zimmereibetriebes erfüllten sich zum 50-jährigen Firmenjubiläum mit dem überdachten Vorfertigungsbereich einen großen Traum, der nun nach langen Jahren doch noch Realität geworden ist.
„Er steht immer wieder ungläubig, aber irgendwie auch stolz vor dem Neubau – er kann das noch nicht so richtig wahrhaben“, erzählt Josef Parockinger über seinen Vater, der den gleichen Vornamen trägt. Beide Josefs sowie Sohn bzw. Enkel Stefan sind stolz auf den erreichten Status Quo des Familienbetriebs in „Emsnreid“, wie das kleine Dorf zwischen Waldkirchen und Grainet landläufig genannt wird. Sie wissen aber auch, dass die neue Halle, das Geschaffene insgesamt, eine Verpflichtung für die Zukunft darstellt.
Im von Arbeit und noch mehr Arbeit geprägten Alltag bleibt oft nur wenig Zeit für jene, manchmal durchaus emotional aufgeladene Gedankengänge. Und gerade ein Firmenjubiläum bietet sich dabei an für einen Blick zurück – aber auch nach vorne…
Die Firma: ein gewachsener Familienbetrieb
1972 – unter vollkommen anderen Rahmenbedingungen als gegenwärtig – hat Josef sen. den Zimmereibetrieb in Ensmannsreut damals gegründet. Erste Werkstatt war das Familienanwesen. Das ist auch heute noch so, allerdings haben sich die Gebäudenutzungen enorm weiterentwickelt bzw. verändert. Auf der einen Straßenseite ist das Büro im Erdgeschoss zu finden, darüber wohnen die Parockingers. Direkt daneben errichtet derzeit Stefan ein Einfamilienhaus. Und noch ein Häuschen weiter steht die neue Halle. Auf der anderen Straßenseite befindet sich die nun ehemalige Produktionsstätte, die inzwischen als Lager und Heimat der Spenglerei genutzt wird.
Privat- und Berufsleben der Handwerkerfamilie sind eins. Das ist heute so. Und so war es auch schon in den Jahren nach der Gründung. „Mein Vater, ein gelernter Schreiner, und die ganze Familie musste erst einmal reinwachsen in das Geschäft“, blickt Josef Parockinger zurück auf eine Zeit, in der er gerade zweistellige Lebensjahre erreicht hatte. Das Einzugsgebiet damals war sehr regional, eher lokal – also auf den unmittelbaren Umkreis von Böhmzwiesel beschränkt. „Und es war selbstverständlich, dass jeder mitgeholfen hat – auch ich.“
Arbeiten mit Holz „ein unbandig’s Gefühl“
Das Herzblut, die investierte physische und psychische Kraft, die Zeit ohne Feierabend und Urlaub haben sich ausgezahlt: Schon früh mussten zwei Angestellte her; zudem immer wieder Lehrbuben, die zu Gesellen ausgebildet wurden – und teilweise immer noch im Zimmereibetrieb beschäftigt sind. In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren galt es als Ausnahme jemanden anzustellen. Die Bewerber standen Schlange. Es war eine Auszeichnung, quasi nebenan eine Arbeitsstelle zu finden. Zugleich stiegen die Parockingers in puncto gesellschaftlicher Etikette.
Selbstherrlichkeit allerdings war und bleibt ein Fremdwort für die „Emsnreida“ Geschäftsleute. Bodenständigkeit ist das Maß aller Dinge. Und Fleiß. 1980 erlernte Josef jun. den Beruf des Zimmerers. Mit großen autodidaktischen Vorkenntnissen und ohne Druck seitens der Eltern. 1985 machte er den Meister, 1994 übernahm er als Chef den Betrieb. „Wenn man ein Stück Holz bearbeitet, ist das ein unbandig’s Gefühl. Das war schon als Junge so – und ist bis heute so geblieben“, erklärt der 59-Jährige das Geheimnis seiner Leidenschaft.
„Natürlich hatten wir auch mal schlechte Phasen“
Ähnliches berichtet Sohn Stefan, designierter (Junior-)Chef, der die dritte Generation der Parockinger-„Holzwürmer“ anführt. „Mir standen alle beruflichen Wege offen. Aber ich habe mich bewusst dafür entschieden, in die Fußstapfen meines Papas und Opas zu treten. Die Faszination für Holz liegt offensichtlich in unseren Genen.“ Seine Eckdaten: Ab 2010 Ausbildung im elterlichen Betrieb, 2014 Fachabitur, 2014 bis 2018 Bauingenieur-Studium – und seitdem mittendrin statt nur dabei im Familienunternehmen.
Die Erfahrungen, die seit 1972 generationenübergreifend weitergegeben wurden, sowie die neuen Einflüsse von außen erzeugen eine Mischung, die eine erfolgreiche Zukunft verspricht – trotz aller Hürden, die es zu überwinden gilt. „Natürlich hatten auch wir mal schlechte Phasen“, gibt Josef Parockinger zu. „Es ist eine Art Wellenbewegung. Es geht nie nur in eine Richtung.“ Aktuell befindet sich die Wirtschaft, wie hinlänglich bekannt, auf dem eher absteigenden Ast. „Nach dem Bauboom, der vor allem 2021 herrschte, ist zu merken, dass es etwas ruhiger wird.“
Breit aufgestellt
Existenzängste haben die Parockingers allerdings nicht. Das liegt zum einen daran, dass man in der Vergangenheit stets vernünftig und solide gewirtschaftet hat. Zum anderen liegt es daran, dass der Zimmereibetrieb seit jeher breit aufgestellt ist. Zum Repertoire gehören das Fertigen von Dachkonstruktionen, Carports, Hütten sowie typische Spenglerarbeiten. Mittlerweile werden auch komplette Fertighäuser in Holztafelbauweise angeboten. Um den Kunden hohe und gleichbleibende Qualität zu gewährleisten, hat sich die Firma für eine Fremdüberwachung mit Zertifizierung entschieden. Die neue Halle spielt hier eine entscheidende Rolle. Denn: „Dadurch ist ein noch höherer Vorfertigungsgrad möglich, was weniger Aufwand und somit weniger Kosten für den Kunden bedeutet.“
Die Zimmerei Parockinger in Bildern:
In ihren 50 Jahren hat die Zimmerei Parockinger bereits viele Träume von den eigenen vier Wänden wahr werden lassen. Und auch selbst haben sich die beiden Unternehmensführer ihren großen Gebäude-Wunsch zuletzt erfüllt. Und: Was bringt die Zukunft? „Wir sind vorerst mal zufrieden“, erwidert der Seniorchef nüchtern. Für wie lange dieser Zustand anhält, darüber darf gemunkelt werden. Denn: Stillstand bedeutet Rückschritt. Und das weiß man gewiss auch in Ensmannsreut…
Helmut Weigerstorfer