Passau. Handelt es sich bei Prof. Dr. Hans-Christof Kraus um einen, wie er sich selbst bezeichnet, „demokratischen Konservativen“? Oder ist der Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau bereits der sog. Neuen Rechten zuzuordnen? Eine Frage, die seit der Veröffentlichung des Twitter-Threads des antifaschistischen Internetportals „Infoticker Passau“, das Kraus langjährige Verstrickungen in die neurechte Szene vorwirft, im Raum steht (da Hog’n berichtete). Eine Frage, die seitens des „Allgemeinen Studierenden-Ausschusses“ (kurz: AStA) klar beantwortbar zu sein scheint – und die nach längerer Beratungszeit nun auch seitens der Unileitung abschließend bewertet werden konnte. Doch der Gesinnungsstreit bleibt.
Besonders eilig in puncto Aufklärung hatten es die Verantwortlichen der Uni Passau um Präsident Prof. Dr. Ulrich Bartosch offensichtlich nicht. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die Liste der Nachfragen seitens des Onlinemagazins da Hog’n zum Stand der Dinge in der „Causa Kraus“ in den vergangenen Monaten betrachtet. Gut vier davon vergingen, seitdem der AStA-Sprecher:innenrat die Recherchen des Infotickers Passau per Pressemitteilung (Juli ’22) in den Fokus der Öffentlichkeit stellte. Die Uni wolle sich mit „gebotener Sorgfalt“ mit den Behauptungen befassen – „mit voller Unterstützung des Betroffenen und unter Einbindung aller Beteiligten“, hieß es immer wieder von Seiten der Lehranstalt. Während der Sommermonate und der vorlesungsfreien Zeit habe es dazu jedoch keine Gelegenheit gegeben.
AStA: „Einzelgespräche hinter verschlossenen Türen“
„Die Ankündigung, die Vorwürfe zu prüfen und einen transparenten Austausch darüber zu gewährleisten, wurde nicht eingehalten“, konstatierte dazu noch Jana Riedmüller im Namen des Sprecher:innenrates kurz vor der auf Hog’n-Nachfrage vorgelegten Stellungnahme (siehe unten) der Universität. Diese, so Riedmüller, habe bisher hauptsächlich die Entscheidung des AStA kritisiert, mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegangen zu sein – und habe die Argumentation des Professors selbst, er vertrete lediglich “konservative” Positionen, übernommen. Auf den Kern der Vorwürfe, die sich auf die gut belegten Netzwerke des Professors beziehen, sei die Universität bis dato gar nicht erst eingegangen.
„Anstatt sich damit zu beschäftigen, werden Vertreterinnen und Vertreter des AStA mehrmals persönlich vorgeladen, um sich vom Präsidium mit Vorwürfen überhäufen zu lassen – dabei wird nicht einmal auf den Wunsch, den AStA als Gremium einzubeziehen, geachtet. Da eine Vertreterin des AStA von der Unileitung scheinbar als zu ‘uneinsichtig’ eingeordnet wurde, wurden zwei andere zum nächsten Gespräch gebeten – die allerdings gar nicht zu dem Thema arbeiten”, kritisiert Riedmüller weiter. „So soll die Studierendenvertretung durch Einzelgespräche hinter verschlossenen Türen dazu bewegt werden, das Thema aus der Öffentlichkeit zu halten.“
Verbindungen schon lange bekannt?
„Wenn ein Professor mit derart offensichtlichen Verbindungen in die extreme Rechte an unserer Universität lehrt, haben die Studierenden – insbesondere die, die zu von Rechten bedrohten Gruppen gehören – ein Recht darauf, das zu erfahren. Diejenigen, die solche Probleme aufdecken oder ansprechen, sollten in ihren Sorgen ernst genommen und unterstützt und nicht hinter verschlossenen Türen mundtot gemacht werden. Dass die Uni einen Professor nicht einfach kündigen kann, ist uns bewusst – dennoch könnte sie Maßnahmen ergreifen, damit sich wirklich alle Studierenden am Campus sicher fühlen können und sich kritisch und öffentlich mit dessen Positionen auseinandersetzen”, verdeutlicht Jana Riedmüller und ergänzt: „Wir wünschen uns, dass die Unileitung erkennt, dass nicht wir als Studierendenvertretung dem Ruf der Universität schaden, wenn wir Probleme ansprechen, sondern vielmehr die Tatsache, dass ein Professor mit engen Verbindungen in die extreme Rechte dort jahrelang unbehelligt lehren kann.“
Besonders verwundert zeigt man sich seitens des AStA darüber, „dass die Verbindungen des Professors und seine Rolle in der extremen Rechten bereits Ende der 1990er Jahre von der Geschichtswerkstatt Göttingen auf über zwölf Seiten offen gelegt und problematisiert wurden“ – und diese Hinweise der Universität Passau entweder bei der Besetzung der Professur nicht bekannt gewesen oder schlicht nicht berücksichtigt worden seien.
“Die Vorwürfe zu den Verbindungen von Hans-Christof Kraus in die Neue Rechte sind nicht neu. Sie wurden über die letzten zwanzig Jahre immer wieder kritisiert und auch von Kraus selbst im Grunde nicht bestritten. Im Gegenteil, er steht offen zu seinen Aktivitäten und führte seine Vernetzung in Milieus und Projekte, die inzwischen zum Teil eindeutig der extremen Rechten zugeordnet oder als rechtsextreme Organisationen eingeordnet werden, teils auch scheinbar unbeirrt fort. Professor Kraus deutete in der öffentlichen Stellungnahme der Universität Passau seine Netzwerke lediglich als ‘konservativ’ um und bestritt, je Mitglied in einer Studentenverbindung gewesen zu sein. Auch dazu liegen uns neue Erkenntnisse vor, die belegen bzw. stark darauf hinweisen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht“, bekräftigt Riedmüller.
Bartosch: Kein Anlass, an Verfassungstreue zu zweifeln
Vor wenigen Tagen hat sich die Universitätsleitung nun also auf Hog’n-Anfrage zur „Causa Kraus“ geäußert. Zum internen Klärungsprozesse hätten sowohl die Einbindung der Fakultät als auch der Austausch mit allen Beteiligten – einschließlich der Studierendenvertretung – gehört, wie die Universität eingangs betont.
„Als Präsident drücke ich zunächst mein Bedauern über die Form des öffentlichen Angriffs auf Prof. Dr. Hans-Christof Kraus aus“, wird Prof. Dr. Ulrich Bartosch in der Mitteilung zitiert. „Professorinnen und Professoren verpflichten sich wie alle Beamten ausdrücklich zur Treue gegenüber dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Für uns bestand zu keinem Zeitpunkt der Anlass, an der beeideten Verfassungstreue des attackierten Kollegen zu zweifeln.“
Des weiteren äußert sich Bartosch wie folgt: „Dass unsere Studierenden die Entwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens kritisch und mit sorgsamer Aufmerksamkeit begleiten, ist in jeder Hinsicht zu begrüßen – auf diesen kritischen Geist ist jede Universität angewiesen, und wir begreifen es als unseren Auftrag, diesem Diskurs Raum zu geben. Das Grundgesetz ermöglicht durch den besonderen Schutz der Wissenschaftsfreiheit, dass innerhalb dieses Raumes ein weites Spektrum an Überzeugungen verhandelt und ausgetragen werden kann, die alle legitim sind, auch wenn man sie im Einzelfall selbst ablehnt oder ihnen auch politisch entgegentritt. Alle Beteiligten an diesem wichtigen und notwendigen Diskurs sind selbstverständlich verpflichtet, die Auseinandersetzung nicht durch unangebrachte persönliche Angriffe zu diskreditieren.“ Von der jüngsten Stellungnahme des AStA-Sprecher:innenrats zu dieser Angelegenheit sei man daher „umso mehr verwundert“.
Riedmüller: „Problematisierung auf Augenhöhe“
Es seien laut Sprecher:innenrat besonders Vertreter des rechten Netzwerks gewesen, welche Kraus bis dato öffentlich zur Seite sprangen und forderten, der Allgemeinen Studierenden-Ausschuss möge sich mit Kritik zurückhalten, solange dem Professor keine strafbaren Aussagen nachzuweisen seien.
“Offensichtlich wird eine öffentliche kritische Auseinandersetzung mit problematischen Akteuren und Akteurinnen und ihren extrem rechten Netzwerken an der Universität nicht gewünscht und mit verschiedenen Mitteln behindert. Stattdessen wird uns als AStA immer wieder nahegelegt, wir sollten uns doch mit dem kritisierten Professor zusammensetzen und das Gespräch suchen oder ihn auf fachlich-wissenschaftlicher Ebene im Diskurs schlagen“, kommentiert Riedmüller.
Und weiter: „Uns wird suggeriert, dass wir uns mit öffentlichen Positionierungen an der Universität selber Probleme einhandeln. Was das mit wehrhafter Demokratie zu tun haben soll, ist uns schleierhaft. Wenn die Universität eine öffentliche Auseinandersetzung vermeiden möchte, muss sie daran arbeiten, vertrauliche und seriöse Wege eines Beschwerdemanagements zu schaffen, in welchem Austausch und Problematisierung auf Augenhöhe möglich ist. Die Kritikerinnen und Kritiker zum Schweigen zu bringen und ihre Anliegen im Sande verlaufen lassen zu wollen, halten wir für einen fatalen Umgang.“
Stephan Hörhammer