München/Pentling. Das Oktoberfest liegt schon wieder einige Zeit zurück. Und die Aufregung deshalb hat sich bereits wieder gelegt – sowohl in der Landeshauptstadt als auch in Pentling. Dort nämlich, in der Nähe von Regensburg, ist die Kapelle Josef Menzl, genauer gesagt ihr Chef Josef Menzl, heimisch. Die altbayerische Blaskapelle aus der Oberpfalz sorgte während des größten Volksfestes der Welt für Aufregung, worüber quer über die ganze Medienlandschaft hinweg ausführlich berichtet wurde. Auch das Onlinemagazin da Hog’n kommentierte das Wiesn-Aus der traditionellen Musikgruppe in Folge eines Internet-Shitstorms.
Im Rückblick, so stellt der Kapellmeister nun im Hog’n-Interview fest, hätten die vielen Schlagzeilen sogar einen Vorteil mit sich gebracht. Nämlich größtmögliche Aufmerksamkeit für seine Blasmusik – und generell für bayerische Traditionen und den Umgang damit. Erst wirkt der 49-Jährige im Gespräch beschwichtigend, dann allerdings wird er doch noch einmal emotional…
„Uns eint die Liebe zur altbayerischen Blasmusik“
Josef, bitte erzähl uns zunächst einmal, wie es zur „Kapelle Josef Menzl“ gekommen ist.
Die Kapelle wurde im Jahr 1995 gegründet und ist aus einem Jugendblasorchester – der Islinger Dorfmusik – hervorgegangen. Benannt ist diese Gruppe nach dem Regensburger Stadtteil Oberisling. Mein Bruder Sebastian und ich waren die Mitinitiatoren der Kapelle Josef Menzl. Ein weiterer maßgeblicher Begleiter war Franz Maß an der Trompete. Uns alle einte die Liebe zur altbayerischen Blasmusik – das Kernige, das Kracherte gefällt uns einfach.
Warum wurde die Kapelle dann ausgerechnet nach Dir benannt?
Zunächst haben wir uns um die Besetzung gekümmert, dann um das Repertoire. Und irgendwann mussten wir uns über den Namen Gedanken machen, was gar nicht so einfach war. Ich habe damals damit begonnen, selber Stücke zu schreiben. Irgendwann hieß es dann, dass deshalb die Kapelle nach mir benannt wird. Hört sich ja auch gut an… (schmunzelt)
…das klingt durchaus selbstbewusst.
Ist aber eher pragmatisch gedacht. Diesen Namen kann uns niemand streitig machen. Zudem ist Josef ein altbayerischer Vorname, der zu unserer Musik passt. Genauso wie Menzl, das – ganz wichtig! – ohne zweites „e“ hinten geschrieben wird
„Umso dümmer haben wir beim Oktoberfest-Debakel geschaut…“
Seid ihr Amateur- oder Profimusiker?
Im Vergleich zu den Anfängen hat die Qualität natürlich enorm zugenommen. Aber wir sind nach wie vor eine Amateur-Kapelle. Bei uns hat jeder nebenher einen Job. Natürlich gibt es einige, die mit der Musik hauptsächlich ihr Geld verdienen. Von der Kapelle Josef Menzl alleine lebt allerdings keiner. Ich bin Beamter, wenn auch nicht mehr in Vollzeit – und betreibe gemeinsam mit meiner Frau das Gasthaus zur Walba in Pentling. Musik ist nach wie vor mein Hobby, das mir Freude macht.
Habt ihr euch eigentlich bewusst gegen konzertante Auftritte wie die der Egerländer Musikanten entschieden?
Mir ist es einfach am liebsten, wenn die Leute zu unserer Musik tanzen, singen und feiern. Es ist ganz besonders schön, wenn zu unserer Musik getanzt wird. Dass wir in Bierzelten auftreten, ist die Folge einer langen Geschichte…
Erzähl doch gerne mal.
Ich habe selber nie daran geglaubt, dass man mit Blasmusik ein großes Festzelt füllen kann. Als wir Mitte der 90er begonnen haben, war es auf den Volksfesten so, dass tagsüber eine Blaskapelle gespielt hat – und abends eine Partymusik. Außer auf dem Oktoberfest… (schmunzelt). Deshalb hat mir die Wiesn damals immer schon ganz gut gefallen (lacht). Scheinbar hat sich das irgendwann aufgeweicht. Umso dümmer haben wir dann beim diesjährigen Oktoberfest-Debakel geschaut…
Erstmals in einem Bierzelt: „Eine Mordsgaudi“
Dazu später mehr. Noch einmal zurück zu den Bierzelt-Ursprüngen…
Wir hatten uns in der Anfangsphase auch schon mal an größeren Volksfesten versucht. Damals waren wir aber noch zu grün hinter den Ohren. Wir waren noch nicht so gut und hatten noch keinen eigenen Techniker. Auch wurden von den Festwirten zum Teil keine ausreichenden Tonanlagen zur Verfügung gestellt, weil den Veranstaltern das für eine Volksmusik zu aufwändig, sprich: zu teuer war. Der Erfolg in den großen Zelten blieb aus, dann haben wir es wieder sein lassen.
2009 jedoch war für uns ein sehr wichtiges Jahr. Damals hatte eine außergewöhnliche Konstellation dafür gesorgt, dass wir unseren Durchbruch feiern durften. Auf dem Gäubodenfest in Straubing hat es sieben Zelte gegeben. Wir haben bis dahin immer in einem kleineren gespielt. Das heißt: vor zirka 800 Besuchern. Das Glück war, dass in den anderen Zelten tagsüber die Blasmusiker aufgetreten sind – und diese dann abends zu uns gekommen sind. So hatten wir ein Publikum, das unsere Musik sehr schätzte. Eine Mordsgaudi, ein Riesenerfolg. Damals konnten wir beweisen, dass man auf einem Volksfest auch das Abendprogramm mit Blasmusik erfolgreich gestalten kann.
Auf dem Gäubodenfest ist Menzl eine Institution
Wie ging es weiter?
Unser kleines Zelt war irgendwann nicht mehr Teil des Gäubodenfestes. Generell hat es kein kleines Zelt mehr gegeben. Zuerst dachten wir, das wars dann in Straubing. Denn dass wir ein Zelt mit 4.000 Mann füllen könnten, haben wir selber nicht geglaubt. Dann allerdings ist Ludwig Beck von der gleichnamigen Ochsenbraterei auf uns zugekommen. Er hat uns gefragt, ob wir nicht bei ihm spielen möchten. Er sagte: ‚wenn’s jemand schafft, dann Ihr‘ Nach kurzer Bedenkzeit haben wir zugesagt, woraufhin sich die Presse regelrecht überschlagen hatte. Es löste eine Diskussion in Straubing aus. Ein Festwirt prophezeite: ‚wenn eine Blasmusik in einem großen Zelt abends auftritt, ist um 22 Uhr das Zelt leer. Auch wenn der Menzl spielt.‘ Das hat uns bei der Ehre gepackt…
Inwiefern?
Wir haben einen Aufruf gestartet an unsere Fans und Musikerkollegen, dass sie ausgerechnet nach 22 Uhr kommen sollten. Das Ergebnis: Dem Festwirt ist das Bier ausgegangen. Das Zelt war derartig gefüllt, dass Extra-Nachschub von der Brauerei geholt werden musste. Das muss man sich einmal vorstellen! Ein Triumph! (grinst)
Quasi der Start der Gäuboden-Institution Menzl.
Genau. Wir haben bewiesen, dass eine Blaskapelle ein großes Volkfest-Zelt auch abends füllen und in ausgelassene, bayrische Stimmung versetzen kann. Die Anfragen rissen in der Folge nicht mehr ab. Es folgten Engagements auf der Regensburger Dult, dem Karpfhamer Fest und der Oidn Wiesn.. – bis Peter Reichert, der neue Festwirt vom Bräurosl auf uns zugekommen ist. Der Rest ist bekannt…
„Das macht deutlich, wie widersprüchlich die Welt ist“
Wie blickst Du – nun mit etwas Abstand – auf die Schlagzeilen-trächtige Wiesn-Geschichte zurück?
Im Nachhinein hat sie uns nicht geschadet. Es wurde in den Vordergrund gerückt, wie widersprüchlich die Welt heute teilweise ist. Die Leute wollen zwar die bayerischen Traditionen haben. Lederhosen und Dirndl zu tragen ist cool. Eine Ente, ein Ochsenbraten oder ein Hendl muss auf dem Teller landen. Das Bier muss aus einem Holzfassl fließen und aus einem Steinkrug getrunken werden. Nicht zu vergessen das Platzkonzert bei der Bavaria. Und dann will im Bierzelt keiner Blasmusik hören. Soweit sind wir schon.
Dass Traditionen „in“ sind, stimmt also nur teilweise.
Auf der Wiesn: Ja.
Findest du’s bedenklich, dass man sich dafür rechtfertigen muss, auf einem Volksfest Blasmusik zu spielen?
Ja und nein. Wir sind es ja eigentlich aus Straubing gewohnt, dass es eben nicht so ist. Und dann München. Es war ja nicht so, dass wir anders, vielleicht sogar schlechter gespielt hätten. Zuvor haben wir es immer geschafft, das Publikum auf unsere Seite zu ziehen. Dort nicht. Die Besucher waren einfach anders.
Facebook, Instagram: „Lese dieses Zeug nicht“
Was hast Du Dir im ersten Moment gedacht, als der Internet-Shitstorm über Euch hinweg gefegt ist?
Gott sei Dank lese ich das ganze Zeug bei Facebook und Instagram nicht. Ich habe diese Apps auch nicht auf dem Handy. Das macht alles mein Bruder. Er hat die ersten drei, vier Nächte durchgeschrieben und versucht, so viel wie möglich zu beantworten und zu analysieren um es zu verstehen und es den Leuten zu erklären. Das, was ich abbekommen habe, waren die direkten Kontakte auf der Wiesn im Bräurosl-Zelt. Als ich gefragt worden bin, warum wir nicht „Layla“ oder „Atemlos“ spielen, habe ich nur gemeint, dass sie dazu in ein anderes Zelt gehen sollen. Lasst’s mir mei Ruah, habe ich gesagt.
So schlecht war dann die Stimmung auf der Wies’n…
Man kommt sich als überzeugter Blasmusikant scho a bisserl vergackeiert vor, oder?
Auch die, die uns nicht gut gefunden haben, sind wieder gekommen. Wir wussten nicht, warum – bis wir in Erfahrung bringen konnten, dass viele Besucher ihre Plätze über mehrere Tage hinweg für viel Geld reserviert hatten. Und in ein anderes Zelt zu gehen, ist nicht so einfach, weil ja alle brechend voll sind. Es ist einfach versäumt worden die Gäste zu informieren, dass es eine Änderung des Musikkonzeptes gibt.
Interessant.
Du kannst nicht so ein altes Dampfschiff wie das Bräurosl mit 8.000 Sitzplätzen, das seit Jahrzehnten die Partyband-Schiene fährt, von jetzt auf gleich umstellen. Das geht so einfach nicht. Noch dazu, wenn man den Leuten das vorab nicht mitteilt. Das wäre, wie wenn es in einem Steak-Restaurant auf einmal nur noch vegane Gerichte zu kaufen gibt – ohne es zu kommunizieren.
„Wir wurden nicht rausgeschmissen!“
Klare Worte.
Es ging dann einfach nicht mehr. Die Anlage war ja erst nicht richtig eingestellt. Wir sind nicht durchgekommen. An Tag drei haben wir festgestellt, dass die Lautsprecher an der Bühne nicht funktionieren. Spiel dann mal zehn Stunden – und alle sind unzufrieden. Das macht einen fertig. Der Hacker-Pschorr-Chef, die Wirte und ich haben uns die ersten Tage jeden Abend zusammengesetzt und die Probleme besprochen. Das hat die Öffentlichkeit noch nicht wirklich mitbekommen. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass abends jemand anderer spielen soll. Wir wurden nicht rausgeschmissen, wie überall geschrieben stand. Der Vorschlag mit den Bands ist von uns gekommen. Erwin und die Heckflossen und auch die Gipfelstürmer sind Freunde von uns.
Und euer Fazit fällt wie aus? Nie mehr Oktoberfest?
Da möchte ich keine generelle Aussage treffen. Die Ansätze des Oktoberfestes sind nicht schlecht. Ich habe daraus gelernt, dass öffentliche Kommunikation sehr wichtig ist – noch wichtiger als gedacht. Und dass wir nicht jeden Mist mitmachen müssen. Als Blasmusik kann ich nicht „Johnny Depp“ spielen. Das geht einfach nicht.
„Wie ein Jazz-Festival ohne Jazz“
(und nach einer kurzen Pause nochmals betonend:)
Es nervt nicht, wenn man 17 Tage nacheinander auf der Bühne steht. Musik ist mein, ist unser Leben. Der Zusammenhalt innerhalb unserer Kapelle ist gigantisch. Da haben Leute mitgespielt, mit denen würde ich meine Zahnbürste teilen. Mein Herz schlägt eigentlich auf der alten Wiesn, dennoch könnte ich mir ein erneutes Bräurosl-Engagement vorstellen, wenn alle mitziehen – und alles klar und ausführlich kommuniziert wird.
Es kann aber nicht sein, dass auf einem Volksfest – eine bayerische Tradition! – die Blasmusik als Exot gilt. Auf einem Jazz-Festival wird auch Jazz-Musik gespielt. Wenn eine Blaskapelle auf dem Oktoberfest nicht willkommen ist, braucht man auch keinen Umzug, keinen bayerischen Himmel im Festzelt, keine bayerischen Spezialitäten und keine Maßkrüge. Dann sollen’s einfach die Lichter rausdrehen, ein paar Disco-Blitzer aufbauen und einen DJ spielen lassen.
Die Solidaritätswelle anderer Musiker, die mit euch auf der Bräurosl-Bühne gestanden sind, entschädigt dann sicher für Vieles.
Absolut! Das war Wahnsinn! Und ein Extralob an meinen Bruder, der über die Social-Media-Kanäle das Ganze initiiert hatte. Das war dann richtig schön.
Ein versöhnlicher Abschluss also. Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer