Frauenau. Glas nicht nur als funktionales Material, sondern als Werkstoff, aus dem große Kunst entstehen kann: Was heute selbstverständlich scheint, war Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein revolutionärer Gedanke. Künstler aus den Vereinigten Staaten galten als Avantgarde der so genannten Studioglasbewegung. In Europa war es der Niederbayer Erwin Eisch, der selbst einer traditionsreichen Glasmacherfamilie entstammte, der den Gedanken der „Poesie aus Glas“ mitprägte und zum Wegbereiter der Bewegung in Deutschland und weltweit wurde.
Das Lebenswerk des im Januar 2022 verstorbenen Glaskünstlers ist heute im Bayerischen Landesmuseum zur Geschichte der Glaskultur in Frauenau (Landkreis Regen) zu sehen. Um die Familien-Glashütte kümmern sich Erwin Eischs Nichte Julia, sein Neffe Eberhard Eisch und Florian Eichinger (vierte Generation, Sohn von Julia Eisch).
Einst kleinste Glashütte im Bayerischen Wald
Die Glasmacher-Tradition der Familie Eisch ist erforscht bis zu dem 1689 im Böhmerwald geborenen Mathias Alesch, der sich auf der Beschäftigten-Liste einer kleinen Glashütte findet. Der Gründer der Glashütte Eisch, Valentin Eisch, arbeitete seit 1914 als Graveurmeister in einer Kristallglasfabrik. 1946 gründete er zusammen mit seiner Frau Therese einen eigenen Veredelungsbetrieb, um seinen sechs Kindern eine Existenz aufzubauen. Im Dezember 1952 wurde in der damals jüngsten und kleinsten Glashütte Bayerns das erste Glas geschmolzen.
Eines der sechs Kinder war Erwin Eisch. Nach der Ausbildung zum Glasgraveur in der Werkstatt seines Vaters studierte er bis 1952 an der Akademie der Bildenden Künste München Glasdesign, Bildhauerei und Innenarchitektur. Danach kehrte er nach Frauenau zurück. Von 1956 bis 1959 setzte er sein Studium der Bildhauerei und Malerei in München fort. 1962 besuchte Harvey Littleton Frauenau, wodurch Eisch einen ersten Kontakt zur amerikanischen Studioglasbewegung erhielt. 1964 erhielt er eine Einladung zum ersten World Crafts Council nach New York City und zum ersten Glasseminar mit Harvey Littleton an der University of Wisconsin. In Frauenau gründete Eisch 1965 ein eigenes Glasstudio.
In Anlehnung an Erwin Eischs frei geblasenes Glas entstand 1977 die Unikatserie „Poesie in Glas“: Sammler- und Liebhaberstücke in fließenden Formen, die mit den verschiedensten Ofen- und Kaltglastechniken zu kunstvollen Objekten gestaltet wurden. Im Gründungsjahr der Glasstraße, also vor genau 25 Jahren, besuchte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die Glashütte Eisch. Erwin Eisch überreichte ihm den gläsernen Porträt-Kopf „Helmut Kohl“.
Erwin Eisch hat zahlreiche Objekte seines Schaffens bereits frühzeitig an das Frauenauer Glasmuseum übergeben. Für dessen Gründung im Jahr 1975 hatte er sich stark engagiert. Das Museum, heute das „Bayerische Landesmuseum zur Geschichte der Glaskultur“, ist durch die „Gläsernen Gärten“ direkt mit der Glashütte Eisch verbunden.
Das Bild-Werk Frauenau: Bühne für Glaskünstler aus aller Welt
Durch das Wirken Erwin Eischs, das von ihm maßgeblich mitinitiierte Glasmuseum Frauenau sowie eine rege Glaskunst- und Kulturszene gilt Frauenau bis heute als europäischer Treffpunkt der Internationalen Studioglasbewegung. Zentrum des Austauschs ist das renommierte Bild-Werk Frauenau, dessen Sommerakademie in diesem Jahr ihr 35-jähriges Jubiläum feiert. Das Bild-Werk Frauenau ist ein regionales und internationales Forum für Glas und Bildende Kunst, eine Bühne für Musik und Kultur und ein Ort der grenzüberschreitenden Begegnung im Glasmacherort Frauenau im Osten Bayerns.
„Das ausdrucksstärkste Weinglas der Welt“
Die Familien-Glashütte Eisch selbst begeistert Kunden in mehr als 60 Ländern. Mehr als die Hälfte der gesamten Produktion wird heute exportiert. Ein Erfolgsgarant sind dabei die in Frauenau entwickelten und inzwischen vielfach ausgezeichneten „SensisPlus Gläser„, die die Herzen von Weinliebhabern höherschlagen lassen. Denn in diesen Gläsern erlebe der Wein eine ungeahnte Entwicklung der Aromen, sagt Eberhard Eisch. Der renommierte neuseeländische Weinbotschafter Gavin Hubble würdigte die Serie einmal als „das ausdrucksstärkste Weinglas in der Welt“.
da Hog’n/ obx-news