Passau. „Was ist denn das?“ Diese Frage werden sich viele stellen, wenn sie dieses Sextett erst sehen – und dann hören. Denn Stefan Hölzl, Marco Reitberger, Benedikt Kuhnen, Stefan Metzger, Jochen Rössler und Gerald Braumandl spielen anders, als man es sich von einer altbayerischen Kapelle erhofft, wünscht oder vorstellt.
Die Sturmberger Feiertagsmusi, benannt nach einer Erhebung in unmittelbarer Nähe der Dreiflüssestadt, ist ein Multikulti-Musi-Mix. Was genau man darunter verstehen darf, versucht Benedikt Kuhnen im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n zu erklären…
„Wir machen Weltmusik“
Benedikt, kennst Du die CubaBoarischen?
Ja, die kenne ich. 2016 habe ich sie mal live beim Eulenspiegel-Festival an der Passauer Ortspitze gehört.
Ist die Truppe von Hubert Meixner so was wie Euer Vorbild?
Nein, das würde ich nicht sagen. Wir machen unser eigenes Ding. Zwar haben auch wir kubanische Stücke im Repertoire und spielen sie in einer alpenländischen Tanzlmusi-Besetzung. Stilistisch sind wir aber breiter aufgestellt und konzentrieren uns auch nicht auf die Musik eines einzelnen Landes. Wir machen im wahrsten Sinne des Wortes Weltmusik: Nach einem Zwiefachen kommt ein Stück aus Serbien, auf ein französisches Chanson folgt ein argentinischer Tango – und an ein schwedisches Volkslied klebt sich ein weltweit bekannter Jazz-Standard.
Jazz, Latin, Kirchen- und Theatermusik, Rock & Pop
Wie ist es zu Eurem unverkennbaren Stil gekommen?
Der hat sich ganz organisch entwickelt. Ich denke, dass unser Stil das Ergebnis unserer individuellen musikalischen Erfahrungen und Prägungen ist. Mittlerweile können wir es uns zwar nur noch schwer vorstellen, aber es gab ja auch ein Leben vor den Sturmbergern. Und daraus bringt jeder von uns etwas ein: Einflüsse aus dem Jazz, dem Latin, der Kirchen- und Theatermusik – und natürlich auch aus Rock und Pop.
Das alles spiegelt sich wider in der Auswahl unserer Stücke, im Gesang, in unserer Phrasierung und in unseren Improvisationsteilen. Daneben verdanken wir unseren Stil aber vor allem Stefan Metzger. Er singt bei uns nicht nur und spielt virtuos so undankbar zu lernende Instrumente wie das Bandoneón. Er arrangiert eben auch alle Stücke für uns passgenau. Ein absoluter Glücksfall!
Euer Markenzeichen sind zudem alte Instrumente: Warum? Weil Ihr kein Geld für neue hattet – oder ganz bewusst?
Das ist eher Zufall als eine bewusste Entscheidung. Es macht einfach Spaß, aus alten Instrumenten was Hörenswertes rauszuholen. Ich muss aber dazusagen, dass nicht all unsere Instrumente wirklich alt sind. Kurioserweise sehen die relativ neuen Instrumente teilweise mitgenommener aus als die alten.
Wie setzt sich Eure Combo zusammen?
Zum hohen Blech gehören der schon genannte Stefan Metzger sowie Gerald Braumandl, der unsere Combo vor mittlerweile acht Jahren in seinem Haus am Passauer Sturmberg gegründet hat. Die zwei spielen bei uns aber nicht nur Flügelhorn, sondern auch noch zahlreiche andere Instrumente. Schon allein die beiden könnten mit ihren Instrumenten locker einen VW-Bus füllen. Stefan Hölzl, unser Tubist, und ich als Posaunist stellen das tiefe Blech. Jochen Rössler und Marco Reitberger sorgen mit Klarinette und Gitarre dafür, dass man uns nicht mit einer klassischen Brassband verwechselt.
„Sturmberger anhören, wann und wo immer man will“
Jüngst habt Ihr Euer Debütalbum „bussiundbabaa“ veröffentlicht. Warum? Weil Ihr so von Euch selbst überzeugt seid, dass die ganze Welt Eure Stücke hören will?
Nein, wir glauben definitiv nicht, dass alle Welt auf unsere Musik steht. Wir stehen auf Musik aus aller Welt. So herum passt’s. Was unsere Motivation zum Album angeht, war es einfach so, dass nach unseren Auftritten immer wieder Leute auf uns zugekommen sind, die gerne eine CD mitgenommen hätten. Die mussten wir vertrösten. Damit hat’s nun ein Ende. Ab sofort kann man sich die Sturmberger anhören, wann und wo immer man will.
Wie kommt es, dass Ihr so exotisch klingende Stücke wie „Misirlou“ oder „El Caburé“ im Repertoire habt?
Misirlou ist Griechisch und heißt so viel wie „ägyptisches Mädchen“. Alle, die Quentin Tarantinos Film Pulp Fiction gesehen haben, dürften die Melodie dieses Volkslieds kennen. Im Soundtrack ist nämlich eine Surf-Rock-Version davon zu hören. Wir haben Misirlou in seiner ursprünglichen Form aufgenommen – und zwar als Rembetiko. Das ist ein Musikstil, der vor rund 100 Jahren entstanden ist und auch als „griechischer Blues“ bezeichnet wird.
„El caburé“ ist ein alter argentinischer Tango von Arturo De Bassi. Aus dem Spanischen übersetzt bedeutet der Titel so viel wie Sperlingskauz. Vogelkundige werden es wissen: Der Sperlingskauz ist der Zwerg unter den Eulen. Länger als rund 20 Zentimeter wird er nicht. Für seine Größe ist er aber ziemlich furchtlos. Kurz also, aber nicht zu unterschätzen. Das gilt auch für das Tangostück.
Album-Finanzierung durch Crowdfunding-Kamapagne
Wie wurde das Album finanziert?
Unser Debütalbum konnten wir größtenteils mit den Einnahmen aus einer Crowdfunding-Kampagne finanzieren sowie mittels Unterstützung durch die ZF-Kulturstiftung Passau. Aber ganz gereicht hat es letztlich nicht. Wir mussten schon noch selbst etwas hinzuschießen.
Abschließend: Was kommt als Nächstes?
Vielleicht ein Album mit Kinderliedern aus aller Welt, ein Weihnachtsalbum oder ein gemeinsames Album mit einem befreundeten brasilianischen Musiker. Wir sind da für vieles offen. Wenn wir beim nächsten Album das Tempo an den Tag legen, mit dem wir das Debütalbum angegangen sind, haben wir auf jeden Fall noch genügend Zeit, in Ruhe darüber nachzudenken. Wie heißt es im Niederbairischen so schön: „Erst deama moi nix, dann schau ma moi – und dann seng mas scho!“
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute für die Zukunft.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer