„Griaß God„, „froisn“ und „basst scha!“ – der Dialekt im Woid ist praktisch, liebenswert und in jeder Situation irgendwie passend. Zugereiste („Zuagroaste“) verstehen nicht immer jedes Wort sofort. Das ist nicht unbedingt schlecht, denn der Niederbayer, vor allem im Bayerischen Wald, ist direkt und kann auch mal einen derben Spruch raushauen, der aber nur in den seltensten Fällen wirklich böse gemeint ist. Da geht’s dann eher darum, sich in Schlagfertigkeit zu messen.
Mundart stiftet darüber hinaus Identität und ein Wir-Gefühl, dass Zusammengehörigkeit schafft. Im Bayerischen Wald ist Gemeinschaft sehr wichtig – und deshalb ist der Dialekt in der Region so wertvoll, aber auch bedroht. Eine Gastkolumne von Dr. Frederik Weinert.
Wir alle haben es selbst in der Hand
Die Rede ist nicht von der hochdeutschen Sprache, auch wenn Zuagroaste natürlich deutlich sympathischer sind, wenn sie zumindest einige bayerische Wörter verstehen und sich ab und zu im Dorfwirtshaus sehen lassen. Nein, es geht um die vielen Anglizismen, die sich mehr und mehr in die deutsche Sprache einschleichen – leider auch in den wunderschönen Dialekt im Woid. Anglizismen, das sind Wörter, die einen englischen Einfluss oder auch nur englischen Einschlag haben. Beispiele sind „joggen„, „nice“ oder auch „Boost“ bzw. „Booster„.
Im Rechtschreibduden stehen rund 150.000 Wörter. Diese sind sozusagen lexikalisiert, also offiziell in einem Lexikon verzeichnet. Hinzu kommen Ad-hoc-Bildungen – also Gelegenheitsbildungen -, die nicht zum etablierten Wortschatz einer Sprache gehören. Wenn solche Ad-hoc-Bildungen häufig verwendet werden, entsteht ein Neologismus, also ein neues offizielles Wort. Wir alle haben es also selbst in der Hand, welche Wörter es irgendwann in den Duden schaffen oder in einer Region häufig geschrieben oder gesprochen werden. Jeder kann also „Sprachwächter“ oder besser gesagt ein Verfechter des Dialekts sein, indem Dialektworte oft verwendet werden und auf Anglizismen wie „joggen“ oder „Home-Office“ verzichtet wird.
Übersetzungen sind möglich!
Doch ist das immer so einfach? Nehmen wir doch das Substantiv „Flatrate“. Es lässt sich nur kaum eindeutschen. Möglich wäre noch die Übersetzung „Pauschaltarif“. Im Bayerischen Wald könnte man statt Flatrate sagen: „Ois dabei!“ Und wie ist es mit dem Verb „zoomen“, wenn man auf dem Smartphone etwas vergrößern möchte? Auch da hat der echte Niederbayer aus dem Bayerwald ein Wort (oder besser gesagt zwei Wörter): „zuara zoing“. Und für das Verb „flirten“ gibt es die niederbayerische Nominalphrase „scheene Aung mocha!“ Wie man sieht, sind Übersetzungen ins Boarische möglich, auch wenn aus einem Wort dann vielleicht zwei oder gar drei Wörter werden. Dem „Waidler“ wird das ziemlich „wurscht“ sein, denn aus einer „Hoibn“ werden gerne auch mal „zwoa“ oder „viare“…
da Hog’n
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Dr. Frederik Weinert ist Medien- und Kommunikationswissenschaftler, promovierter Sprachwissenschaftler und Autor mehrerer Bücher. Der 41-Jährige lebt seit knapp zwei Jahren im Bayerischen Wald, genauer gesagt im Landkreis Freyung-Grafenau. Durch seine Frau Birgit, eine Urbayerin, lernte er den Bayerwald-Dialekt zu verstehen und zu schätzen.