München/Freyung. Ein Grundstücksbesitzer, der nicht verkaufen will. Lärmbelästigung aufgrund von Hubschraubereinsätzen und Schussübungen. Sowie eine „gigantische Steigerung“ der Baukosten in Milliardenhöhe. Dies sind laut Bayerns Innenminister die Gründe dafür, warum das vor sechs Jahren abgesegnete und mit großen regionalen Hoffnungen verbundene Trainingszentrum für die Spezialeinsatzkräfte der bayerischen Polizei nun definitiv doch nicht in Freyung installiert wird. Stattdessen soll ein Fortbildungs- und Tagungszentrum in der Kreisstadt angesiedelt werden, wie Joachim Herrmann am Mittwochvormittag im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport verkündet hat.

In der Klausurtagung der Staatsregierung wurde 2016 mit Ministerratsbeschluss entschieden, nach diversen Terroranschlägen in Deutschland und dem Anschlag im Münchener Olympiazentrum zur Stärkung der allgemeinen Sicherheit ein Trainingszentrum für alle Spezialeinheiten der bayerischen Polizei zu errichten. Die Wahl fiel auf Freyung im Bayerischen Wald. 50 Mitarbeiter waren zunächst für den Betrieb der Einrichtung vorgesehen. Mittelfristig sollte der Standort auch für die Ausbildung neuer Polizeianwärter ausgebaut werden. „Dazu wurde ein umfassendes Gesamtkonzept seitens der bayerischen Polizei und der Staatsbauverwaltung entwickelt“, fasste Herrmann die Ausgangslage vor dem Gremium noch einmal zusammen.
„So geht es einfach nicht“
Doch im Laufe der Zeit hätten sich verschiedene Probleme ergeben, wie der Minister im Folgenden berichtete:
- Problem 1: Ein Privateigentümer eines Grundstücks sei nicht verhandlungsbereit gewesen – „definitiv bis heute“, wie Herrmann betont. Ein Umstand, der eine „gewaltige Umstrukturierung der Planung“ zur Folge hatte. Die vorgesehenen Trainingsflächen hätten sich somit um etwa 40 Prozent verringert.
- Problem 2: Je detaillierter man in die Planungen eingestiegen sei, ist laut Herrmann ein weiterer Punkt erschwerend hinzugekommen: „Es hat sich im Hinblick auf das Training der Spezialeinheiten herausgestellt, dass sich hier doch eine erhebliche Lärmbelästigung für die Anwohner im Ortsteil Ahornöd ergeben würde. Das ist bei Schießübungen natürlich nicht ungewöhnlich. Es kam dann aber vor allen Dingen das Problem dazu, dass man gerade beim Training der Spezialeinheiten intensiv das Zusammenwirken mit Hubschraubern braucht.“ Man müsse, so der Staatsminister weiter, davon ausgehen, dass nach Rücksprache mit zuständigen Umweltämtern der Einsatz von Hubschraubern auf wenige Tage im Jahr reduziert – oder zum Schutze der Anwohner sogar ganz auf solche Übungen verzichtet worden wäre.
- Problem 3: Laut Bauministerium seien die Gesamtkosten des Projekts zuletzt auf 1,02 Milliarden Euro gestiegen. Herrmann bezeichnet diese Entwicklung als „gigantisch“.
Jedes einzelne Problem könnte man Herrmann zufolge „vielleicht noch irgendwo bewältigen – aber eine derartige Geldsumme auszugeben für ein Areal, das dann doch nicht wirklich optimal ist“, stehe in der Gesamtheit in keinem „vernünftigen Verhältnis“. Man würde seiner Einschätzung nach jede andere Bautätigkeit für die Polizei und die innere Verwaltung für die nächsten fünf bis sieben Jahre lahmlegen, sofern man nicht vom Bauministerium einen „Riesenbatzen Geld extra“ bekomme.
„Angesichts dieser Situation habe ich entschieden, dass unter diesen Umständen nicht an den bisherigen Planungen festgehalten werden kann – so wünschenswert die Sache ist. Bei Gesamtkosten von über eine Milliarde Euro ist das in der heutigen Zeit nicht vertretbar. Ich bedauere das extrem.“ Viel detaillierte Planungsarbeit seitens der Bauverwaltung sei bereits geleistet, viel Zeitaufwand betrieben worden. „Wir standen vor der Frage, ob wir nun in die Phase eintreten, wo’s dann wirklich Geld kostet – und da muss ich einfach sagen: Es ist reeler an dieser Stelle erst einmal Stopp zu sagen“, so Herrmann. „Wir können da nicht einfach in diese Situation hineinlaufen. Es ist besser jetzt ein Stück weit innezuhalten. So geht es einfach nicht.“
Die Alternative lautet: Fortbildungszentrum
Doch es gibt einen Alternativvorschlag, den Joachim Herrmann den Mitgliedern des Ausschuss sogleich präsentierte. Denn: „Es kann nicht sein, dass für Freyung gar nichts passiert.“ Deshalb sei man gerade dabei, ein modernes Fortbildungs- und Tagungszentrum der bayerischen Polizei zu konzipieren. „Wir haben nach wie vor einen hohen Mehrbedarf im Bereich der zentralen Fortbildung.“

Beim damit verbundenen Seminarangebot kommen dem Staatsminister zufolge zentrale und dezentrale Fortbildungen, Dienstbesprechungen sowie nationale und internationale Fachtagungen in Betracht. „Wie im ursprünglichen Konzept vorgesehen werden wir selbstverständlich auch weiterhin in Freyung unseren Polizei-Nachwuchs ausbilden.“ Als Ausbildungsschwerpunkte sehe das Konzept die Persönlichkeitsbildung in Form eines einwöchigen Interaktionstrainings sowie polizeiliche Einsatzübungen in Form eines ein- bis zweiwöchigen Intensivtrainings vor.
„Jeder angehende Beamte und jede angehende Beamtin wird künftig ein Ausbildungsmodul in Freyung durchlaufen. Der Standort Freyung wird damit einen wesentlichen Beitrag zur polizeipraktischen Ausbildung der künftigen Polizeimeister und -kommissare leisten. Auch für die Verwendung als Tagungszentrum besteht ein großer Bedarf“, betont Herrmann.
„Viel Neuarbeit, die geleistet werden muss“
Bis zu sieben parallel laufende Fortbildungsseminare mit insgesamt rund 160 Teilnehmern sollen demnach künftig in der Kreisstadt stattfinden. Zusätzlich soll wöchentlich mindestens eine Ausbildungsklasse vor Ort geschult werden. Die jährliche Kapazität werde somit bis zu 4.000 Beamten Fortbildungsmöglichkeiten bieten. Darüber hinaus diene die Einrichtung als repräsentative Tagungsstätte der Polizei mit rund 2.500 Teilnehmern. Für den Betrieb der Einrichtung sollen etwa 80 Mitarbeiter als Stammpersonal benötigt werden.
Im nächsten Abschnitt werde das Staatliche Bauamt nun eine neue Machbarkeitsstudie inklusive Kostenschätzung erstellen. Im Rahmen der Studie solle ebenso untersucht werden, welche Grundstücksflächen für das neue Konzept benötigt werden. Das überarbeitete Errichtungskonzept werde im Anschluss dem Ausschuss vorgestellt. Darauf erfolge der Erwerb der notwendigen Grundstücke sowie die Schaffung von Baurecht in Zusammenarbeit mit der Stadt Freyung.
„Wir befinden uns in der Planungsphase, doch im Moment noch nicht in der Lage die Kosten zu beziffern. Das muss von der Bauverwaltung neu ausgearbeitet werden. Einige Elemente der bisherigen Planungen können unmittelbar übertragen werden“, informierte Herrmann abschließend. „Aber es ist sehr viel Neuarbeit, die jetzt geleistet werden muss.“
Stephan Hörhammer
Hier geht’s zu den Reaktionen der regionalen Politik-Vertreter zum Aus für das geplante Trainingszentrum für die Spezialeinsatzkräfte der bayerischen Polizei sowie die angedachte Alternativlösung (einfach klicken).
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