Passau. Das Gasthaus „Zur Fels’n“ in der Passauer Ilzstadt stand fast ein Jahrzehnt lang leer. Durch das Engagement des Vereins „Felsenfreunde Passau“ konnte das mehr als 350 Jahre alte Denkmal vor dem endgültigen Verfall gerettet und ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte für kommende Generationen bewahrt werden. Bald soll auch wieder neues Leben in das historische Gebäude einziehen.
Viele kennen das Gasthaus „Zur Fels’n“ nur vom Vorbeifahren. Wer von Passau aus auf die B12 Richtung Bayerischer Wald fahren möchte, muss es unweigerlich passieren. Trotz seiner auffällig gelben Farbe wird das imposante Wirtshaus, das sich an die dahinterliegenden Felsen schmiegt, in all der Verkehrshektik oft kaum eines Blickes gewürdigt bzw. gänzlich übersehen. Etwas präsenter sind dem ein oder anderen da vielleicht die Bilder aus dem Jahr 2013: Beim Hochwasser stand das Gebäude – wie so viele – bis zum ersten Stock unter Wasser. Dass jener Schicksalsschlag die Rettung für das bereits damals verfallene Bauwerk sein würde, wusste zu dieser Zeit aber noch niemand.
Retter in der Not: Felsenfreunde Passau
„Zur Fels’n“ ist das älteste urkundlich bestätigte Gasthaus in der Dreiflüssestadt. 1647 wurde es in einem Kaufvertrag zum ersten Mal erwähnt – vermutlich ist es aber noch deutlich älter. Bis 1999 wurde es als Wirtshaus betrieben und dürfte so manchem noch ein Begriff sein. Vor allem seine außergewöhnliche Lage am Rande Passaus, kurz bevor es hinauf in Richtung Woid geht, machte es jahrhundertelang zum idealen Treffpunkt für Reisende und Händler. Kein Wunder also, dass es heißt, dort habe es einst den höchsten Pro-Kopf-Bierkonsum im weiteren Umkreis gegeben. Aber auch bei den Passauern erfreute sich das Lokal großer Beliebtheit. Vor den Straßenerweiterungen erhob es sich idyllisch an der Ilz und galt aufgrund seiner besondere Lage immer schon als Blickfang.
Im Gedächtnis geblieben ist wohl auch die „Fels’n-Liesl“, die die Wirtschaft bis 1897 betrieben hatte und deren Porträt als Wandmalerei im Ratskeller verewigt worden war. Nach einigen Eigentümerwechseln wurde der gastgewerbliche Betrieb 1999 jedoch endgültig eingestellt. Nachdem 2012 zudem die letzte Erbin des Anwesens verstarb, ging das Gebäude in den Besitz des Freistaats Bayern über. Zu jener Zeit befand es sich bereits in einem schlechten Zustand. Das Hochwasser im Jahr 2013 tat sein Übriges.
Richtig verantwortlich fühlte sich zu der Zeit niemand, sodass einige Jahre lang nichts passierte und das Haus weiter verfiel. 2015 kam dann die Rettung in Gestalt des neugegründeten Vereins „Felsenfreunde Passau“. Der ehemalige Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Professor Dr. Egon Johannes Greipl, setzte sich mit dem von ihm gegründeten Verein für den Erhalt ein. Der gelernte Historiker aus Passau erkannte sogleich dessen unschätzbaren Wert. „Hätte es die Felsenfreunde nicht gegeben, stünde sehr wahrscheinlich dieses viele Jahre lang vernachlässigte Denkmal nicht mehr, obgleich es sich zuletzt im Eigentum des Freistaats Bayern befand“, fasst er die damalige Situation zusammen.
„Bedauerlich, wenn ein solches Denkmal verloren geht“
2015 kauften die rund 50 Mitglieder des Vereins das verfallene Gebäude und begannen mit der Sanierung. Insgesamt sind seit Beginn der Arbeiten etwa 1,3 Millionen Euro in das Projekt geflossen. Zahlreiche Unterstützer sicherten durch ihre finanzielle Hilfe die Zukunft des Gasthauses. Zuschüsse gab es vom Freistaat Bayern, vom Bezirk Niederbayern, von der Bayerischen Landesstiftung und von der Bayerischen Volksstiftung. Hinzu kamen Spenden von Bürgern und Vereinsmitgliedern.
Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) förderte die Sanierung mit 170.000 Euro. Sie unterstützt Eigentümer von Denkmälern beim Erhalt historischer Bauwerke. DSD-Pressesprecher Thomas Mertz erklärt, welche Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sein müssen: „Zunächst einmal muss natürlich die Denkmalwürdigkeit gegeben sein. Dann muss es einen konkreten Finanzierungsplan geben – und die Denkmalpflege soll auch in Zukunft gewährleistet sein – etwa durch einen Verein, der sich um das Denkmal kümmert.“ All diese Faktoren wurden im Fall „Zur Fels’n“ eingehalten. Die Stiftung hat aber noch weitere Gründe gesehen, das Projekt zu fördern. „Das Gebäude ist sehr wertvoll und wäre ohne den Verein von Professor Dr. Greipl wohl in die Hände eines Unternehmers gefallen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn ein solches Denkmal verloren geht“, teilt Mertz weiter mit.
Mit sehr viel Eigenleistung haben die „Felsenfreunde Passau“ die Sanierung in Angriff genommen. Rund 1.500 Arbeitsstunden stecken bis dato in dem Projekt. Thomas Grassl vom gleichnamigen Planungsbüro, der die Bauleitung übernommen hat, ist auf die denkmalgerechte Instandsetzung von geschichtsträchtigen Bauten spezialisiert. Ziel sei es gewesen, das Moderne mit dem Historischen zu verbinden. „Zur Fels’n ist ein wichtiges Gebäude für die Stadt Passau. Es erzählt einen Teil der Geschichte. Deshalb ist es so toll, dass dieses Denkmal für die Menschen erhalten bleibt“, betont er die Bedeutung des Projekts. So wurde bei der Sanierung vor allem darauf geachtet, die vielen kleinen Details zu erhalten, die die Vergangenheit des Wirtshauses widerspiegeln. Wie etwa die Nische im ersten Stock, die im Laufe der Zeit als Eingang und später als Toilette genutzt wurde. Oder die kunstvollen Schiebeklappen in den Fensterläden im Erdgeschoss, die heute kein Schmied mehr herstellen würde.
Gewölbedecke erinnert an die vergangene Zeit
Das neue Konzept des Vereins sieht vor, die altehrwürdigen Gasträume im Erdgeschoss für Feiern oder Veranstaltungen zu vermieten. Die Sanitäranlagen wurden im Anbau untergebracht, wo schon der ein oder andere Passauer auf der einstigen Kegelbahn aktiv war. Auch die ehemalige Wirtswohnung im ersten Stock wurde vollständig renoviert und soll vermietet werden. Dort erinnert noch die ursprüngliche Gewölbedecke an die vergangene Zeit. Hüfthoch hätte man hier 2013 im Wasser gestanden. Die Hochwassergefahr wurde bei der Sanierung freilich bedacht: So hat man etwa die gesamte Technik unters Dach verlegt und einen hochwassersicheren Eingang geschaffen.
Im Dachgeschoss offenbart sich ebenso die Kombination aus Neuem und Altem. „Gebäude erzählen Geschichte und Denkmalschutz bedeutet, einen Teil unserer Geschichte zu bewahren“, weiß Thomas Grassl. Denn anstatt das gesamte zweite Etage zugunsten der Wohnfläche auszubauen, wollte man einen Teil der historischen Ziegeldecke erhalten, die den ersten Stock vom Dach abtrennt. Ebendiese Decke ist ein Relikt aus der Zeit nach dem Stadtbrand von 1662, wo eine neue Brandschutzverordnung vorschrieb, solche Decken in die Häuser einzubauen, um ein Übergreifen der Flammen auf das Dach zu verhindern.
Mittlerweile sind die Sanierungsarbeiten am Hauptgebäude abgeschlossen. Laut Professor Dr. Greipl sollen die beiden Wohnungen ab November vermietet werden. Nun steht noch die Sanierung des kleineren Nebengebäudes an. „Das Salettl ist noch in Arbeit. Hier geht es nur um Dach, Fassaden, Fenster und Türen – wir wollen heuer noch fertig werden“, erklärt Greipl dazu. Und Thomas Mertz von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz betont noch einmal die Wichtigkeit dieses Gebäudes: „Denkmäler sind Geschichtsspeicher. Sie erzählen uns etwas über unsere Entwicklung, unsere Kultur und unsere Identität. Deshalb ist es so wichtig, sie zu erhalten.“
Leontien Heidemann