Hauzenberg/Waldkirchen. Sie genießen Heldenstatus. Selbst eine noch so tiefe Schlucht oder eine noch so steile Bergwand hindern sie nicht daran, verunglückte Menschen aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sie sind da, wenn sie gebraucht werden – ohne Wenn und Aber. Bergretter gehören deshalb zu den ungekrönten Königen im Hochgebirge – nicht nur in Fernsehserien, sondern auch im realen Leben. Im Bayerwald allerdings wird die Bergwacht immer noch ein bisschen belächelt. „Wer braucht bei unseren Hügelchen schon alpin ausgebildete Rettungskräfte?“, ist da öfters mal zu hören…
Doch die Bergwachten im Bayerischen Wald haben sehr wohl ihre Daseins-Berechtigung. Sie bilden sogar einen essenziellen Teil der Rettungskette im ländlichen Raum, der von dichten Wäldern und unübersichtlichem Gelände geprägt ist. So nehmen sie eine tragende Rolle u.a. bei der Bergung von verunfallten Waldarbeitern und Wanderern sowie bei der Vermisstensuche ein. Am Beispiel der Bergwacht Hauzenberg-Waldkirchen sind es 15 bis 25 Einsätze pro Jahr, wie stellv. Bereitschaftsleiter Rainer Schätzl vorrechnet. Allein diese Zahl macht deutlich: Bergrettung im Bayerwald ist mehr als eine steile These.
Sehr großes Einzugs- und Einflussgebiet
Die Strukturen einer Freiwilligen Feuerwehr sind hinlänglich bekannt. Immerhin gibt es derlei helfende Zusammenschlüsse in fast jedem Dorf – Übungen und Einsätze gehören quasi zum Leben auf dem Land mit dazu. Dass die Wehren von der jeweiligen Gemeinde finanziert werden, gehört zum Allgemeinwissen. Bei der Bergwacht gestaltet sich das Ganze etwas weitläufiger – und somit komplizierter. Oberster Dienstherr der Bergretter ist das Innenministerium, unsere Region („Bayerwald“) wird von Deggendorf aus verwaltet. Dort arbeiten zwei hauptamtlichen Kräfte. Die Gruppen vor Ort – Bereitschaften genannt – stellen sich ausschließlich durch Ehrenamtliche auf.
Zu ihnen zählt Rainer Schätzl. Der 53-Jährige aus dem Hauzenberger Ortsteil Bauzing engagiert sich seit seinem 15. Lebensjahr bei der Bergwacht. Er ist stellv. Bereichsleiter der Gruppierung „Hauzenberg-Waldkirchen“ – und somit zweiter Chef dieser Abordnung. Er verantwortet die aktive Mannschaft mit 28 Mitgliedern sowie acht Anwärtern. Hinzu kommt eine Jugendgruppe mit 15 Buben und Mädchen. Das Einzugs- und Einflussgebiet bei Bergwachten ist deutlich größer als bei Feuerwehren: von Hutthurm über Walkirchen, Röhrnbach, Sonnen, Hauzenberg bis Wegscheid sind Schätzl und Kollegen zuständig. Aus diesem Areal werden auch die Einsatzkräfte akquiriert.
Feuerwehr oder Bergwacht? „Jede Organisation ist wichtig“
Um trotz dieser großen Fläche relativ schnell am Einsatzort zu sein, stehen der Jeep mit Sonderaufbau in Hauzenberg sowie der Mannschaftstransporter in Waldkirchen bereit. „Was die Alarmierung betrifft, unterliegen wir genauso dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz„, weiß Schätzl. „Aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir etwas länger brauchen, um am jeweiligen Einsatzort zu sein.“ Diese Verzögerungen bringen jedoch den Vorteil mit sich, dass immer wieder frische Kräfte eintreffen, was bei der beschwerlichen Arbeit der Bergretter unbedingt nötig ist. „Eine verletzte Person mit der Gebirgstrage zu bergen, ist selbst für sechs bis acht Mann kein Kinderspiel. Da ist man froh, wenn man nach 500 Metern abgelöst wird.“
Die Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr und den anderen Bereitschaften im Umkreis funktioniert reibungslos. Man kennt und schätzt sich. Von einer Konkurrenzsituation im Kampf um Einsatzehren und Personal mag Rainer Schätzl erst gar nicht sprechen. „Jede Organisation und jeder einzelne, der sich da einbringt, ist unendlich wichtig.“ Nichtsdestotrotz kann der stellv. Bereitschaftsleiter nicht leugnen, dass nicht nur seine Bergwacht-Gruppe einen verstärkten Fokus auf die Gewinnung von Mitgliedern legt. Auch das Eintreiben von Spenden gehört zum täglich Brot.
Ausbildung dauert zwei bis drei Jahre
Denn den einzelnen Gruppierungen der Bergretter steht nur ein gewisses, sehr überschaubares Budget für die Ausrüstung zur Verfügung. „Das reicht gerade einmal, um den Aktiven die bekannte blau-rote Jacke zu bezahlen. Mehr ist nicht drin.“ Deshalb organisieren die Bergwachtler um Rainer Schätzl alljährlich ein Sonnwendfeuer, das zuletzt jedoch Corona zum Opfer gefallen ist. Die Kassen sind daher leer. „Es klingt traurig und bitter, aber wir sind auf Spenden angewiesen.“
Feststeht für den stellv. Bereitschaftsleiter: Bevor es seinen Jungs und Mädls an irgendetwas fehlt – und sei es nur die obligatorische Halbe Bier nach einem Einsatz – , geht er lieber „betteln“. Denn: Kosten verursachen nicht nur der gesellschaftliche Bereich und die Ausrüstung, sondern vor allem auch die Ausbildung. Und die ist bei den Bergrettern sehr umfangreich.
Auf Spenden angewiesen
„Wer alle Prüfungen in den sieben Ausbildungs-Abschnitten möglichst schnell durchmachen will, muss zwei bis drei Jahre einplanen. Dann allerdings ist man bestens geschult für alles, was auf einen zukommt.“ Während der Lehre gilt man als Anwärter. Man ist zwar bei den Einsätzen mit dabei, wirkt aber eher im Hintergrund aktiv mit – beispielsweise beim Materialtransport.
Notfallmedizin, Knotenkunde, Klettern in vielen verschiedenen Varianten, Skifahren, Lawinenkunde – in all diesen Themenbereichen ist ein ausgebildeter Bergwachtler bestens aufgestellt. Diese Vielseitigkeit verlangt viel ab von den Mitgliedern. Sie ist aber auch einer der Punkte, die die Tätigkeit als Bergretter so attraktiv macht – davon ist Rainer Schätzl überzeugt.
„Bestens aufgehoben“
„Hat man dann noch ein Faible für Natur, Berge, Wandern und Klettern ist man bei uns bestens aufgehoben“, rührt der 53-Jährige die Werbetrommel. „Hinzu kommt, dass das Miteinander bei uns einfach hervorragend ist.“ Teil dieser enthusiastischen Gemeinschaft zu sein und gleichzeitig etwas Gutes zu tun, indem man anderen Menschen hilft, ist für Schätzl Bestätigung genug für das, was er macht. Und manchmal werden er und seine Kollegen dann auch zu einer Art Helden – selbst im Bayerischen Wald.
Helmut Weigerstorfer
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Spendenkonto der Bergwacht Hauzenberg-Waldkirchen: VR Bank Passau EG, BIC: GENODEF1PA1, IBAN: DE59 7409 0000 0001 8003 70;