Bad Kötzting. „Bleib heimattreu, trink Lindner-Bräu„: Der einladende Spruch auf der Homepage des alteingesessenen Brauerei-Gasthofs in Bad Kötzting macht Lust und Durst auf mehr. Da Lindner – das Wohnzimmer der Kötztinger und ihres Umlandes. Lässt man den Blick jedoch über den Parkplatz schweifen, fallen schnell die vielen auswärtigen Kennzeichen auf, die zeigen, dass eine große Gästeschar weite Wegstrecken auf sich nimmt, um hier einzukehren.
Wie bei den meisten Brauereien oder auch Wirtshäusern fing die Erfolgsstory mit einem kleinen Bierausschank an, den Generationen vorher bereits betrieben. Oft gesellte sich dann noch eine Brotzeitstube dazu, denn der Gerstensaft will eine feste Unterlage haben. So schreibt es auch die Historie des Bad Kötztinger Brauerei-Gasthofs. Die eigentlichen Lindners waren kinderlos und verkauften ihren Betrieb schließlich an die Großeltern von Evi Kolbeck, der heutigen Chefin. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese bauten den Bierausschank aus und erweiterten ihn um eine überschaubare Speisekarte. Das Ehepaar Kolbeck hatte zwei Söhne – einer davon Heinrich (genannt: „Heinz“), der später der legendäre Lindnerwirt werden sollte. Eine Bad Kötztinger Institution, so eng verwoben mit der Bayerwaldstadt wie der Pfingstritt.
Aufbau, Ausbau, Aufschwung – und ein Schicksalsschlag
1992 schlossen Heinz Kolbeck und Inge den Bund fürs Leben. Ab diesem Zeitpunkt ging es mit dem Betrieb steil bergauf. Das Sägewerk wurde zu einer Festhalle umgebaut, in der heute die traditionellen Starkbierfeste der Familie zur Fastenzeit gefeiert werden. Lokale Vereine nutzen die Halle ebenso als Austragungsort für ihre Feierlichkeiten. In die Brauerei wurde investiert, die Gasträume wurden kontinuierlich renoviert und erweitert, so dass jetzt Platz für etwa 250 Gäste vorhanden ist.
Der idyllische Biergarten, direkt verbunden mit dem Kurpark, verfügt über 500 Plätze. Als weiteres Zugpferd etablierte die Familie durchgehend warme Küche – fest in der Hand von Fachfrau Inge Kolbeck, einer gelernten Köchin. Die Zuständigkeiten waren grob so aufgeteilt, dass Heinz Kolbeck die Brauerei und den Ausschank in der Gaststätte verantwortete – und seine Frau die Gastwirtschaft und die Büroarbeit. Der Lindner-Bräu erlebte einen beispiellosen Aufschwung. Wirtschaft und Biergarten wurden zum Treffpunkt schlechthin: Plätze waren – und sind auch heute noch – schwer zu ergattern.
Heinz und Inge Kolbeck schenkten zwei Kindern das Leben: Evi und ihrem älteren Bruder Heinrich. 2018 dann erlag „der Lindnerbräu“ im Alter von nur 67 Jahren überraschend einer schweren Krankheit. Die Todesnachricht breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Der Lindner ohne den Lindner? Den Wirt, das Herz des Brauerei-Gasthofs? Für viele Gäste nur schwer vorstellbar…
Was macht den Lindner-Bräu so außergewöhnlich?
Doch bald schon stand fest, wer in die großen Fußstapfen des Bad Kötztinger Originals treten und die Tradition weiterführen sollte: die damals erst 23-jährige Tochter Eva-Maria, von allen nur Evi genannt. „Es war immer klar, dass ich den Betrieb einmal übernehmen werde“, erzählt sie. Sie kennt sich aus und weiß genau, was zu tun ist. Als gelernte Hotelfachfrau setzte sie noch einen Studienabschluss in Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan drauf und war somit bestens für die Herausforderung gerüstet. Nicht zuletzt wuchs sie im Betrieb auf – beziehungsweise mit hinein. Zu Evis Lieblingsgetränken zählt mittlerweile das hauseigene Pils, sagt sie und lacht – denn das war nicht immer so.
Was macht den Lindner-Bräu nun neben dem süffigen Bier und der einladenden Lokalität so außergewöhnlich? Er verbindet die Menschen über jegliche Grenzen hinweg – Jung und Alt, unabhängig von Bildungsgrad oder Kontostand. Im Biergarten oder abends in den Gaststuben: Jungvolk in großen Cliquen, der Bad Kötztinger Stammtisch in fortgeschrittenem Alter, Paare, Mädelsrunden, Familien. Es wird gelacht, debattiert, durch die Gaststube gerufen, sich zu bis dato Fremden dazugesellt, manchmal begleitet von den Klängen echter Volksmusik. Völkerverständigung in Reinkultur – im Kleinformat.
Auch das Arbeitsklima stimmt. „Wir haben einen festen Mitarbeiterstamm. Manche waren schon da, als ich noch ein kleines Mädchen war“, erzählt die Chefin, die heuer auf das zehnjährige Jubiläum als Pfingstbraut zurückblicken kann. Im Sommer arbeiten etwa 55 Leute hier, im Winter sind es 35. Das Personal ist auf Zack und selbst bei übermäßigem Stress noch gut gelaunt und für ein Späßchen oder ein kurzes Schwätzchen zu haben. „Große Fluktuation kennen wir nicht“, sagt Evi.
Und nicht zuletzt oder vor allem das Bier
6.500 Hektoliter werden pro Jahr eingebraut. Nicht nur für den Eigenbedarf. Viele Liebhaber des Lindner-Biers holen sich den Gerstensaft direkt an der Brauerei ab. Von der Tür weg werden die Kästen umgehend in den Kofferraum geladen. Praktischer geht’s nicht. Das Biersortiment umfasst das Kaitersberg Hell und Dunkel, Bock- und Festbiere sowie seit 2012 das Pils. Auch weiterhin will man investieren und modernisieren. So wird etwa heuer noch das Sudhaus automatisiert – doch das läuft hinter den Kulissen.
Für den Gast ist und bleibt der Lindner-Bräu, was er ist und schon immer war: Heimat, Genuss und ganz viel Lebensfreude. Der Lindner ist Kult und Magnet für Freunde echter bayerischer Wirtshauskultur aus ganz Ostbayern und darüber hinaus. Ein Prosit der Gemütlichkeit!
Melanie Zitzelsberger
Dieser Text erschien erstmals im Magazin „Schöner Bayerischer Wald„, das im zweimonatigen Rhythmus vom Verein der Nationalpark-Freunde e. V. herausgegeben wird.