Waldkirchen/Riva del Garda. Die Aufgabenverteilung war klar abgesteckt. Jeder hatte sein Spezialgebiet, auf das er sich konzentrieren konnte – ohne dass ihn der andere (nicht nur sprichwörtlich) aus der Bahn wirft. Und deshalb kamen die beiden Freunde Maximilian Hofmann und Emil Egger in Riva del Garda auch ohne größere Zwistigkeiten an – soviel darf vorweg genommen werden. Das zwischenmenschliche Miteinander der beiden Waldkirchener spielte bei ihrem Abenteuer auf zwei Rädern jedoch nur eine Nebenrolle. Die sportliche Leistung stand klar im Mittelpunkt.
An einem Freitag, Mitte August, in Waldkirchen gestartet, haben Emil Egger (23) und Maximilian Hofmann (32) innerhalb von 18 Stunden und 30 Minuten die Alpen überquert. An sich keine Besonderheit (mehr) in Zeiten, in denen viele Sportbegeisterte diese Herausforderung annehmen – und zu Fuß oder auf dem Rad die Hochgebirgskette passieren, um von Deutschland nach Italien zu gelangen. Diese weite und anstrengende Reise (530 Kilometer/3.200 Höhenmeter) auf einem Tandem zu wagen, ist dann allerdings doch ein Alleinstellungsmerkmal. Zur physischen Strapaze kam nämlich noch die psychische Belastung hinzu – möchte man zumindest meinen.
„Unmöglich, dem anderen einen Vorwurf zu machen“
„Das Ganze lief sehr harmonisch ab“, blickt Emil Egger zurück – und schmunzelt. „Es war praktisch unmöglich, dem anderen einen Vorwurf zu machen.“ Maximilian Hofmann saß auf dem Tandem vorne und fungierte somit als Lenker. Der 23-Jährige selbst bildete das Ende des Vehikels und war für die Navigation zuständig. Einer konnte nicht ohne den anderen. Der Vorder- war auf den Hintermann angewiesen – und umgekehrt. „Und das Gute daran: Wir haben uns unabhängig voneinander für den Platz entschieden, den wir dann auch eingenommen hatten.“ Zudem waren die zwei Konditionssportler auf ziemlich demselben Fitnessstand, sodass beide gleich stark (bzw. schwach) in die Pedale traten.
Während auf der Strecke von Waldkirchen über Passau, Braunau und Burghausen bis in den Chiemgau zunächst noch munter getratscht wurde – und zudem Freunde, die das Duo bis an das „Bayerische Meer“ (Chiemsee) begleiteten, für zumeist lockere Stimmung sorgten -, ging die Konversation der Fahrrad-Alpinisten mit Fortgang ihrer Reise praktisch gegen Null. „Irgendwann war jeder mit sich selbst beschäftigt. Wir riefen uns nur noch die nötigen Kommandos zu.“
Die Macht der Gedanken
Wie oft Eger und Hofmann sich selbst dafür verwünschten, sich derartigen Qualen auszusetzen – wie etwa beim 30 Kilometer langen Anstieg hinauf zum Brenner -, bleibt wohl für immer deren Geheimnis. Echte Sportler geben jedenfalls nicht so schnell auf – und zeigen bekanntlich keine Schwäche. Doch: Wie kommt man überhaupt auf die Idee, diese beschwerliche Tour auf sich zu nehmen? Wieder einmal war „Kollege Zufall“ nicht ganz unbeteiligt:
Emil Eggers Familie betreibt seit vielen Jahren in Waldkirchen ein Fahrradgeschäft. Selbstredend, dass der 23-Jährige mit bzw. auf dem Drahtesel aufgewachsen ist. Viele Kilometer auf den Straßen der Region sowie das ein oder andere Rennen gehören da dann obligatorisch dazu. Dies trifft auch auf Maximilian Hofmann zu, der in eben jenem Zweirad-Laden beruflich beschäftigt ist. Und ein langjähriger Kunde war es, der den beiden Männern ein Tandem schenkte. „Derjenige wollte, dass es weitergenutzt wird, weil er nicht mehr damit fahren konnte.“
Die Idee war nicht neu…
Bereits bei dieser Übergabe vor einigen Jahren blitzte bei Emil Egger und Maximilian Hofmann kurz die Idee auf, mit diesem Gefährt einmal die Alpen zu überqueren. Doch, wie in so vielen andere Fällen auch, landete das Zweier-Zweirad samt Geistesblitz erst einmal in der hintersten Ecke. „Und auf einmal, im Frühjahr dieses Jahres, haben wir es wieder bewusst wahrgenommen und uns an unser Vorhaben erinnert.“ Dieses Mal wollten sie am Ball bleiben – und ihren Plan von einst in die Tat umsetzen.
Leichter gesagt als getan. Denn natürlich war einiges an Training nötig, um sich für diese Aufgabe zu wappnen. Außerdem: Maximilian Hofmann ist mittlerweile zweifacher Familienvater, seine intensivste Zeit als Radsportler liegt schon etwas zurück. Genauso bei Emil Egger, der sich selbst nur noch als „Hobbyfahrer“ bezeichnet.
Doch der Ehrgeiz hatte am Ende gesiegt: Am 12. und 13. August von Waldkirchen nach Riva del Garda – ohne größere Pause, ohne Schlaf. „Vor der Müdigkeit hatte ich den größten Respekt. Und freilich waren wir dann auch zwischendurch mal erschöpft. Aber solche Momente gehören dazu“, blickt Emil Egger zufrieden zurück. Angenehmer Nebeneffekt der gemeinschaftlichen Strampelei: Im Zweifelsfall stand sein Kumpel Maximilian stets Gewehr bei Fuß. Eine sportliche Beziehungsprobe, die die beiden mit Bravour bestanden haben…
Helmut Weigerstorfer