Hohenau. Josef „Mirtei“ Drexler hat sich den Traum erfüllt, den sein vor über zehn Jahren verstorbener Vater sein Leben lang hegte. „Neidisch wäre es deshalb nicht“, glaubt er zu wissen. „Im Gegenteil: Er wäre unglaublich stolz auf mich.“ Der 62-Jährige hat nämlich dafür gesorgt, dass seiner Familie eine unglaubliche Ehre zuteil wird. Er ist nicht nur vor zehn Jahren außertourliches Mitglied der „Bruderschaft der 33 Brüder“ geworden, sondern seit 2015 auch deren Vorsteher – „Zechprobst“ genannt. Drexler ist somit maßgeblicher Teil einer Hohenauer Tradition, die nachweislich bis ins Jahr 1691 zurückgeht.
Bruderschaft – dieser Begriff klingt zunächst einmal nach einem geheimnisvollen Bündnis wie den „Illuminaten„. Eine Gruppe von Männern, die sich irgendwo im Untergrund trifft und einen gewissen Hang zu Verschwörungstheorien hat. Doch – und das ist Zechprobst Josef Drexler ein großes Anliegen: Von derartigen Vorurteilen möchte er sich genauso klar und deutlich distanzieren wie von etwaigen rechtsradikalen Tendenzen, die solchen Gemeinschaften oft nachgesagt werden. „Wir sind in keiner Weise irgendwie extrem“, verdeutlicht der Familienvater, der im Hohenauer Ortsteil Buchberg lebt. Ihm ist es wichtig, noch einmal zu betonen: „Wir sind absolut friedlich.“
Gegründet, um die armen „Kleinhäusler“ zu unterstützen
Um zu erklären, was genau eine Bruderschaft ist, muss man etwas weiter ausholen – zumal sich die Intention dieser Gemeinschaft im Laufe der Jahrhunderte deutlich verändert hat. Ins Leben gerufen wurden die Hohenauer Brüder in einer Zeit, in der noch die Pest im Bayerwald wütete. „Damals haben sich die Honoratioren der Dörfer – also oft der Bürgermeister, der Pfarrer, der Wirt und wohlhabende Bauern – zusammengetan, um ärmere Mitbürger zu unterstützen. Es war in unserem Fall kein Muss, aus Hohenau zu kommen. Schon damals gab es Mitglieder unter anderem aus Atzldorf, Perlesreut oder Kreuzberg.“ Starb beispielsweise das Familienoberhaupt von sog. „Kleinhäuslern“, kam die Bruderschaft mit Geld oder einer unterstützenden Hand zur Hilfe. Die sozial eingestellten Männer traten bei Bedarf auch als Seelsorger in Erscheinung.
Denn einen Zusammenhang mit Religion und Glaube, allen voran der katholischen Kirche, gibt es seit jeher. Am 2. Juni 1691 wurde das Bündnis am Lusen mit dem Segen des Hochstiftes Passau (heute: Bistum) gegründet – und dem heiligen „St. Salvator“ gewidmet. Die Hohenauer Bruderschaft ist nach seinem Schönberger Pendant den Recherchen von Josef Drexler zufolge übrigens die zweitälteste im Bayerischen Wald. Auch in Gottsdorf und Rinchnach gibt es ähnliche Zusammenschlüsse – allerdings deutlich jüngere. Einige Bündnisse wie das in St. Oswald gibt es heute nicht mehr.
Wahlkampf um einen Platz unter den 33
In Hohenau legt man hingegen großen Wert darauf, dass die über 300 Jahre alte Verbindung auch in Zukunft fortbestehen wird. Generell ist das Ansehen der 33 Brüder im Ort und der unmittelbaren Umgebung sehr hoch, wie der Zechprobst erzählt. „Es ist den Leuten hier schon noch was wert, Mitglied zu sein.“ Zumal es gar nicht so einfach ist, Mitglied in der Bruderschaft zu werden. In Normalfall wird diese Ehre innerhalb einer Familie weitergegeben. Stirbt das männliche Familienoberhaupt, übernimmt traditionell meist der älteste Sohn die Mitgliedschaft. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich zu bewerben. „Dann wird in einer geheimen Wahl darüber abgestimmt, ob derjenige aufgenommen wird oder nicht.“
In der Vergangenheit gab es manchmal regelrechte Wahlkämpfe und bis zu vier Bewerber für einen frei gewordenen Platz, berichtet der Zechprobst weiter. „Manche haben viel Geld geboten, wurden aber dennoch nicht aufgenommen.“ Seit er im Amt ist, hat es ausschließlich traditionelle, familieninterne Nachfolger gegeben. Er selbst kam als Letzter in den Genuss einer Sonderlösung, „weil die anderen gewusst haben, dass ich für Vereine was übrig habe, gläubig und zudem ein geeigneter Vorbeter bin“. Das Begleiten des kirchlichen Alltags ist inzwischen die Kernaufgabe der „Bruderschaft der 33 Brüder.“ Vor allem ein Feiertag steht dabei besonders im Fokus.
Die Zahl 33 geht auf Jesus zurück
An Fronleichnam („Kranzltag„) begleiten die Männer den Kirchzug durch die Ortschaft – in blauen Mänteln, die ihre Sonderstellung unterstreichen und gleichzeitig einen Gegensatz zu den priesterlichen Farben darstellen. Ebenfalls mit dabei: die historische Fahne.
Am Montag darauf findet der Jahrestag statt. Dieser beginnt mit einem Gottesdienst, ehe der gesellschaftliche Teil folgt. Seit 1691 wird mittags ein Rinder- oder Schweinebraten serviert, gefolgt von Kaffee und Kuchen. „Früher waren das richtige Volksfeste, bei dem jeder dabei sein wollte, aber eben nur die 33 Männer durften. Die sind mitunter zwei Tage nicht heimgegangen. Mittlerweile ist das Ganze etwas ruhiger geworden“, berichtet Josef Drexler. Die Zeche teilen sich die Brüder, wobei der Zechprobst immer etwas mehr einsammelt.
Es gibt zwar keine Vereinsstruktur mit Vorsitzendem, Kassier und Schriftführer, aber eine Kasse ist vorhanden – und wird auch gebraucht. Zum einen muss die Fahne immer wieder restauriert werden, „weil sie doch schon recht in Mitleidenschaft gezogen worden ist die Jahre über“. Zum anderen werden jedem verstorbenen Bruder nach seinem Ableben 33 Messen bezahlt – praktisch von jedem Kollegen eine. Die Zahl 33 geht übrigens auf Jesus Christus zurück, der der Überlieferung nach 33 Jahre alt wurde.
Alles in allem spielen sich die Pflichtaufgaben für Zechprobst und – wenn man so will – „Brüder-Chef“ Josef Drexler in einem überschaubaren Bereich ab. Die lange Geschichte der „Bruderschaft der 33 Brüder“ hat ihn aber inzwischen so in den Bann gezogen, dass er immer mehr historische Nachforschungen rund um das Bündnis angestellt hat und in die gesamte Historie der Gemeinde Hohenau eingetaucht ist. Sein Vater, ein überzeugter Buchberger bzw. Hohenauer, wäre wohl stolz auf ihn…
Helmut Weigerstorfer