Habischried. Montagmorgen, 8.30 Uhr. Eineinhalb Nächte nach dem Inferno von Habischried. Noch immer sind Feuerwehrler vor Ort am Charm Hotel. Immer wieder brechen kleinere Brände aus. Es gibt mehrere Glutnester. Vor allem in den Bereichen des Beton-Baus, die wegen Einsturzgefahr nicht betreten werden dürfen. Sehen die Einsatzkräfte, die für die sog. Feuerwache eingeteilt sind, Flammen auflodern, tun sie sofort das, was sie seit der Nacht auf Sonntag eigentlich immer machen: Sie löschen. Ein Vorgang, der inzwischen wie mechanisch vonstatten geht. Die Kräfte sind aufgebraucht, die Müdigkeit bleiern.
Martin Schreiner, Erster Kommandant der FFW Habischried, gehörte mit seinen Kollegen von der ortsansässigen Feuerwehr zu denjenigen, die als erste am brennenden Gebäudekomplex am frühen Sonntagmorgen eintrafen. „Bereits auf der Fahrt zum Einsatzort haben wir nachalarmiert. B4 reichte nicht aus. Das haben wir gleich gesehen.“ Innerhalb kürzester Zeit waren 455 ehrenamtliche Einsatzkräfte von 40 Feuerwehren aus der Umgebung vor Ort. Dass das Charm-Hotel („bereits bei unserer Ankunft hat ein kompletter Trakt gebrannt„) nicht mehr zu retten war, stand schnell fest.
Der Geißkopf-Stausee musste angezapft werden
Das große Augenmerk lag laut dem Kommandanten, der gemeinsam mit den Spitzen des Kreisfeuerwehrverbandes Regen die Einsatzleitung inne hatte, darauf, ein Übergreifen des Feuers auf den angrenzenden Wald zu verhindern. „Im ersten Moment ist mir natürlich das Herz in die Hose gerutscht, als ich das ganze Ausmaß wahrgenommen habe und wusste, dass ich ziemlich schnell die richtigen Entscheidungen treffen muss.“ Die vielschichtige Ausbildung zahlte sich aber aus. Die Feuerwehrmänner erreichten ihr Ziel, das aber mit einem enormen Kraft-, Material- und Personalaufwand verbunden war.
Zwar, erklärt Schreiner, sei ein Hydrantennetz vor Ort am Hotel verfügbar. „Wir haben aber rund 4.000 Liter pro Minute gebraucht. Und das gibt die Leitung einfach nicht her.“ Deshalb wurde in Windeseile eine zehn Kilometer lange Schlauchleitung aufgebaut. Der Löschteich am Feuerwehrhaus in Habischried wurde dabei genauso angezapft wie der Stausee am Geißkopf, in dem Wasser für die Beschneiungsanlagen gespeichert wird. „Es ist zugegangen wie am Stachus“, blickt der Habischrieder Feuerwehr-Häuptling zurück. „Denn mit Anbruch des Tages waren natürlich auch viele Schaulustige vor Ort.“
Zwei Tage im Dauereinsatz: „Brauche dringend Schlaf“
Im Laufe des Sonntags, als sich der erste Schock verflüchtigte und abzusehen war, dass sich die Lage einigermaßen kontrollieren ließ, machten sich unter den Einsatzkräften erste Gerüchte hinsichtlich der möglichen Brandursache breit. „In erster Linie kommt der Brand zum ungünstigten Zeitpunkt überhaupt, denn das Objekt stand kurz vor der Versteigerung“, weiß Schreiner. Ob der Grund für das Feuer überhaupt ermittelt werden kann, bezweifelt der Kommandant. Denn: „Es ist ja alles abgebrannt – und das auf einer riesengroßen Fläche. Aus meiner Sicht kann man einen Kurzschluss aber ausschließen, da das Gebäude ja stromlos ist.“
Ein Thema, das Martin Schreiner als Einheimischen natürlich interessiert – mit dem er sich aber nicht mehr näher beschäftigen muss. Läuft alles nach Plan, endet der Dauereinsatz für die Feuerwehrler am Montagabend. Am Dienstag sollen dann nur noch regelmäßige Kontrollen der Lage am Charm Hotel erforderlich sein. Bis auf zwei Stunden am Sonntag („Ich wollte mich einfach mal duschen„) war der Erste Kommandant der FFW Habischried stets vor Ort. Am Montagvormittag allerdings verabschiedete er sich – zunächst. „Ich brauche dringend Schlaf.“
Der Getränkemarkt-Händler wurde aus dem Bett geklingelt
Den bräuchte auch Walter Nirschl, Bürgermeister der Gemeinde Bischofsmais. Natürlich war auch er praktisch mit der Alarmierung der ersten Einsatzkräfte in Habischried zugegen. Einerseits, um als Oberhaupt der Kommune die Einsatzleitung zu unterstützen. Andererseits, um den Wehrlern, dessen Dienstherr er ist, beizustehen. „Der Bauhof, allen voran die Wasserwarte haben sofort geschaut, dass genügend Wasser zur Verfügung steht – u.a. haben wir deshalb sofort bei Waldwasser angerufen, um denen mitzuteilen, dass wir mehr Bedarf über die Fernleitung haben.“
Auch die Versorgung der Helfer musste sichergestellt werden. Der örtliche Getränkemarkt-Besitzer wurde deshalb aus dem Bett geklingelt, die nächstgelegene Tankstelle bezüglich einer ausreichenden Treibstoff-Versorgung kontaktiert – und das Rote Kreuz darum gebeten, Essen bereit zu stellen. „Alle Achtung, Ehre und Dank an alle Beteiligten. Ein Übergreifen auf den Wald wäre eine Katastrophe gewesen“, teilt Nirschl erleichtert mit. „Glücklicherweise wurde zudem kein Feuerwehr-Mann verletzt.“
Weiterhin ist eine Versteigerung geplant
Am Montag ist der Bürgermeister damit beschäftigt, Kontakt zum Insolvenzverwalter des Hotels aufzunehmen – was sich seit Monaten als sehr schwierig erweist. Wichtige Dinge wie die Verkehrssicherungspflicht müssten besprochen werden. Zudem steht der Kommunalpolitiker mit dem Gericht in Kontakt. Denn für den Komplex – unter sog. Lost Places-Jägern eine kleine Berühmtheit – wurde vor Kurzem ein Gutachten erstellt. Eine Versteigerung wäre in absehbarer Zeit endlich realisierbar gewesen. Doch der anfängliche Schock hat sich bei Nirschl inzwischen gelegt. Sein Blick ist nun nach vorne gerichtet. Weiterhin sei man darauf bedacht, eine sinnvolle Nachnutzung der Anlage zu ermöglichen.
Währenddessen nehmen die Brandermittler der Kriminialpolizei Straubing ihre Arbeit erst so richtig auf – vor Ort, aber auch was die Umfeld-Ermittlungen betrifft. Auf Nachfrage teilt Andreas Schrank, Sprecher der Polizei Niederbayern, mit: „Die Schadenshöhe wird nach wie vor auf 3,5 Millionen Euro geschätzt. Die Ermittlungen der zuständigen Fachermittler der Kriminalpolizeistation Deggendorf, die vom Landeskriminalamt unterstützt werden, laufen in alle Richtungen. Stand jetzt kann nichts ausgeschlossen werden. Personen wurden keine verletzt.“ Wer Angaben zu verdächtigen Personen und Fahrzeugen oder anderweitige sachdienliche Hinweise geben kann, wird gebeten, sich mit der Kriminalpolizei Deggendorf telefonisch unter 0991/3896-0 in Verbindung zu setzen.
Eine neuerliche Kontaktaufnahme seitens des Onlinemagazins da Hog’n via E-Mail zu den belgischen Insolvenzverwaltern des Charm Hotels blieb bis dato unbeantwortet.
Helmut Weigerstorfer
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- Charm Hotel Habischried: Verlassen, vergessen – und nun abgebrannt
- Charm Hotel Habischried: Verlassen, verwüstet und vergessen?