Als die Bundesregierung am 23. März das sogenannte Energie-Entlastungspaket beschloss, erregte eine der Maßnahmen besonderes Aufsehen: das 9-Euro-Ticket. Manche sahen es als gar revolutionäres Mittel im Kampf gegen steigende Energiepreise. Andere befürchteten überfüllte Busse und Bahnen.
Die Idee dahinter klingt auf den ersten Blick vielversprechend: Für nur neun Euro soll es den Bürgern möglich sein, bundesweit den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen – unabhängig von Verkehrsmittel, zurückgelegter Strecke oder Häufigkeit der Nutzung. Grund genug für Hog’n-Autor Florian Fink einmal zu testen, ob das Ticket auch in unserer Region seinen Sinn erfüllt.
Viermal pro Woche pendle ich von Freyung nach Passau, wo an der Uni Vorlesungen, Seminare, wissenschaftliche Übungen und meine Freunde auf mich warten. Um am viel beschworenen „Unileben“ teilhaben zu können, muss ich allerdings erst dorthin kommen: Seit meinem Studienbeginn im Herbst 2021 fahre ich deshalb mit dem Auto zur Hochschule und nutze die kostenlose Parkgarage, die nur für Studierende offensteht, die außerhalb Passaus wohnen.
Für den Alltag kaum ein Nutzen
Was nun für manche nach einem großen Glücksgriff klingen mag, war für mich von Anfang an ein zweischneidiges Schwert. Selbstverständlich sah ich die großen Vorteile der Flexibilität und Zeitersparnis. Doch gleichzeitig empfand ich die engen Parkplätze der Tiefgarage und die Autofahrt auf der verkehrsträchtigen B 12 oft als unangenehm. Auch die ständig steigenden Benzinpreise ärgerten mich mit der Zeit immer mehr: 250 Euro im Monat sind nicht gerade wenig. Bereits vor der Einführung des 9-Euro-Tickets war mir deshalb klar, dass ich es unbedingt ausprobieren möchte – und so stieg ich dann am 1. Juni um 15 Uhr tatsächlich in einen Bus der sog. Linie 100, um zu meiner Vorlesung zu gelangen, die um 16.15 Uhr begann.
Jener Linie 100, welche die Städte Grafenau, Freyung und Waldkirchen an Passau anbindet, gilt das Hauptaugenmerk meines Erfahrungsberichts. Durch ihre relativ enge Taktung verkehren auf ihr nahezu stündlich Busse; die Fahrt dauert nur knapp 20 Minuten länger als mit dem Auto.
Allerdings sind nur wenige Buslinien im Landkreis FRG so eng getaktet, was bereits das erste Problem des 9-Euro-Tickets in unserer Region offenlegt: In den zahlreichen Dörfern und Weilern, die fernab der gut ausgebauten Busverbindungen liegen, nutzt das Ticket im Alltag den meisten wohl nur wenig bis gar nichts, da es kaum Direktverbindungen gibt und oft über viele Stunden hinweg kein Bus im Ort vorbeikommt. Häufig fahren die Busse hier nur zu den regulären Schulzeiten – und an Wochenenden gar nicht. Für den alltäglichen Einkauf oder den Weg zur Arbeit reicht das nicht – vor allem, wenn man dabei mehrfach umsteigen müsste.
Glückssache Busfahrer
Bei meinen knapp 25 Testfahrten waren die Busse fast jedes Mal pünktlich, nur einmal kam ich zu spät an meinem Ziel an. Weniger erfreulich war hingegen die Tatsache, dass sich das zuständige Landratsamt scheinbar nicht ausreichend auf die neue Situation vorbereitet hatte, obwohl lange genug Zeit dafür gewesen wäre. Mein Studierendenausweis wurde nämlich – trotz einer E-Mail der Uni Passau, die bestätigt, dass dieser als 9-Euro-Ticket gültig ist – zunächst von den meisten Busfahrern nicht akzeptiert.
Ich kaufte mir also notgedrungen eine separate Fahrkarte und kontaktierte daraufhin das Landratsamt, dem ich meine Situation schilderte. Die freundliche Dame am Telefon erklärte mir, dass man davon nichts wisse, schaute für mich aber direkt nach und fand erst auf der Website der Stadtwerke Passau heraus, dass mein Studierendenausweis als Ticket Gültigkeit hat. Sie entschuldigte sich für die Vorfälle und versicherte mir, schnellstmöglich die Busunternehmen darüber zu informieren. Wenige Tage später konnte ich dann tatsächlich mit meinem Ausweis fahren und hatte seither nie wieder Probleme, damit in den Bus zu kommen.
Unangenehm sind die Busfahrten manchmal aber trotzdem, da einige Busfahrer sehr unfreundlich sind. In meinen wenigen Wochen Testzeit habe ich beispielsweise erlebt, dass Fahrgäste angeschrien wurden, weil sie bei über 30 Grad einen Schluck Wasser tranken. Ein anderes Mal kamen zwei junge Männer um Punkt 19 Uhr an einer Haltestelle an und wollten in den Bus einsteigen. Als die Busfahrerin sie sah, schloss sie absichtlich die Türen und fragte hämisch: „Na? Wollt ihr rein?“ – und ließ sie dann erst kurz verzweifelt vor der vorderen Tür stehen, bevor sie wieder aufmachte und den beiden in rauem Ton erklärte, sie sollen nächstes Mal gefälligst pünktlich sein. Andererseits habe ich aber auch Fahrer erlebt, die Passagiere ohne Haltestelle aussteigen ließen oder sogar noch einmal anhielten, als jemand verspätet dem Bus nachgelaufen kam. Ob man also einen angenehmen Busfahrer erwischt, ist reine Glückssache, hat aber natürlich auch einen Einfluss auf die Qualität des ÖPNV-Angebots.
Fürs Nachtleben ungeeignet
Ein letztes Problem betrifft die Fahrzeiten der Linie 100. Für den normalen Alltag, also für Uni, Schule oder Arbeit, sind diese absolut ausreichend. Doch gerade für Leute, die auch am Nachtleben Passaus teilhaben möchten, gestaltet sich die Rückfahrt schwierig. In meinem Testzeitraum war ich einmal auf einer Party, die bis kurz nach Mitternacht ging – eine Rückfahrt per ÖPNV wäre aber undenkbar gewesen, da der letzte Bus wochentags um 20.19 Uhr losfährt, freitags bis sonntags um 23 Uhr. Daher nahm ich das Auto.
Zwar ist mir bewusst, dass nachts allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchgehend Busse verkehren können, aber zumindest eine weitere Verbindung an den Wochenenden um 1 oder 2 Uhr morgens wäre wünschenswert. An Arbeitstagen könnten die Verbindungen ebenfalls noch etwas enger getaktet sein. Der Bus um 9 Uhr, der mich montags und dienstags zu meinen Veranstaltungen um 10.15 Uhr bringen könnte, fährt nämlich nur bis Waldkirchen. Ich müsste also schon um 8 Uhr losfahren und dann noch eine Stunde in Passau überbrücken. Das hat dazu geführt, dass ich an diesen beiden Wochentagen in der Regel doch mit dem Auto zur Uni gefahren bin.
Eine etwas größere Freizeitreise mit dem 9-Euro-Ticket habe ich unternommen, als ich mich mit einer guten Freundin von Freyung nach Deggendorf aufgemacht habe. Mit einmaligem Umsteigen in Grafenau funktionierte das tatsächlich sehr gut – es dauerte aber natürlich wesentlich länger als mit dem Auto: etwa eineinhalb Stunden. Trotzdem konnten wir so die Deggendorfer Altstadt und den Donaustrand genießen – praktisch fast ganz ohne Fahrtkosten.
Künftig in hybrider Form
Insgesamt sehe ich – wie so viele – den ÖPNV für den Landkreis eher als Ergänzung zum Auto, weniger als kompletten Ersatz. Wie in den meisten ländlichen Regionen hierzulande ist es schlichtweg kaum möglich, flächendeckend guten ÖPNV anzubieten. Aber zumindest erfüllt die Linie 100 zwischen Grafenau, Freyung, Waldkirchen und Passau ihren Zweck, wenn man von kleineren Unzulänglichkeiten absieht. Solange es das 9-Euro-Ticket noch gibt, werde ich es weiterhin nutzen, allerdings eher in hybrider Form: Zweimal pro Woche fahre ich mit dem Bus nach Passau, zweimal mit dem Auto. Aufgrund des geringen Preises kann ich es aber jedem empfehlen, der es gerne ausprobieren möchte – vor allem, wenn er entlang einer der besser ausgebauten Buslinien wohnt.
Florian Fink