Passau. Die Anton-Niederleuthner-Brücke über die Ilz oder den Niederleuthnersteig am Passauer Georgsberg hat der ein oder andere wohl schon beschritten. Auch den großen Gedenkstein an der Veste Oberhaus, unweit des Aussichtsturms, hat der ein oder andere wohl schon mal passiert. Gewidmet sind sie dem Gründer des Bayerischen Wald-Vereins, dem 1845 in der Dreiflüssestadt geborenen Anton Niederleuthner, weiland königlicher Oberamtsrichter und (seit 1887) Ehrenbürger von Passau.
Per Zufall gelangte die Redaktion des Onlinemagazins da Hog’n in den Besitz einer Schrift (mutmaßlich einer alten Ausgabe der „Heimatglocken“ aus dem Jahr 1935), die sich auf zwei Seiten – in zugegebenermaßen fast schon zu überschwänglicher Art und Weise – dem Schaffen des Anton Niederleuthner widmet. Im Folgenden wird der in altdeutscher Schrift einst verfasste Text, der mit den Worten „An den Fresken des Passauer Ratskellers, die von der Vergangenheit der Stadt erzählen, fallen zwei Köpfe auf mit dem Vers: Das sind die zwei Gesichter – Vom Maler und vom Dichter“beginnt, wiedergegeben:
„Weg- und Stegloses Sibirien für Beamte“
Der Dichter ist der königliche Oberamtsrichter Niederleuthner, der Gründer des Bayerischen Wald-Vereins. Der Vers, der von ihm stammt, spiegelt ein Stück seiner Persönlichkeit, seine launige, fabulierende Frohnatur. Er hatte eine schwere Zunge, aber der Geist, der sie lenkte, blitzte und funkte. Wer mit ihm anbandelte, spürte bald seine Schlagfertigkeit. Er war klein von Gestalt, aber er verstand es, sich in allen Lebenslagen durchzusetzen.
Eine Dame, die seine Bosheiten abwehrte, bezeichnete ihn als „Champagnerpropfen“. Dieses Wortbild porträtiert ihn körperlich und geistig. Das Seelische aber in ihm war Gold, blanker Idealismus. Weil er sich körperlich nicht zum Waffendienst eignete, ging er 1870 unter Führung des Generalarztes Dr. von Nußbaum als Sanitäter aufs Schlachtfeld und kehrte mit dem Militärverdienstkreuz mit Schwertern zurück. So war sein ganzes Leben Dienst an anderen, lautere Uneigennützigkeit. Sein Name steht seit 20. April 1887 im goldenen Buch der Stadt Passau als Ehrenbürger.
Oberamtsrichter Niederleuthner liebte den Bayerischen Wald, der seiner schwankenden Gesundheit immer wieder Kraft gab. Der Wald stand damals im üblen Ruf als unwirtliches Gebiet, als Sibirien für Beamte, als weg- und steglos und unterkunftsarm für Wanderer. Eine einzige Eisenbahn durchquerte ihn; Fremde mieden ihn; da wollte Niederleuthner Wandel schaffen.
Er traf sich im Sommer 1883 mit Forstleuten in Bodenmais und da entstand der Entschluss, die Freunde des Bayerwaldes zu sammeln. Dieses Treffen ist wohl als Gründungsversammlung anzusehen, denn bald darauf meldete Niederleuthner den Waldverein mit dem Sitz in Passau am Amtsgericht Passau an. Der jeweilige Vorort wurde immer auf vier Jahre festgesetzt von der Mitgliederversammlung, die alle zwei Jahre tagte.
Auf karger Scholle um sei Dasein ringend
Nun ging Niederleuthner an die Arbeit. Zunächst versuchte er unter Ausnützung seiner vielen Verbindungen Sektionen zu gründen, um durch sie die Schönheiten von Berg und Wald und See für den Wanderer zu erschließen. Die Sektion Passau besteht seit 9. Juni 1885. An der ersten Mitgliederversammlung am 22. August 1885 in Zwiesel beteiligte sich schon ein halbes Dutzend Sektionen. Dieser Versammlung legte Niederleuthner auch den Entwurf zum Vereinssymbol vor: „Arnica mit Farrenkraut“. Die Tagung schloss mit dem Aufruf an die Sektionen, in den Tälern für menschenwürdige Unterkunft, auf den Bergen für Schutzhütten zu sorgen. Stolz eröffnete Niederleuthner 1886 den Aussichtsturm Schardenberg und 1889 das Dreisesselhaus.
Niederleuthners ureigenstes Werk ist der Ausbau des Observationsturmes auf Oberhaus-Passau zum Waldmuseum, das am 13. Juni 1885 eröffnet wurde. Seit dieser Zeit, seit einem halben Jahrhundert, wird es alljährlich von Tausenden von Fremden besucht. Es gibt wohl keine wirksamere Werbung für den Bayerwald!
Niederleuthner war ein glänzender Organisator. Das bewies er anlässlich der Landesausstellung Nürnberg 1896, die er als Ausstellungskommissär für Niederbayern mitschaffen half. Wie er da den Waldler darstellte in seiner Einfachheit und Eigenart, wie er auf karger Scholle um sein Dasein ringt, das war wohl der Glanzpunkt der ganzen Ausstellung und eine einzigartige Werbung für den Bayerwald.
Niederleuthner war ein gewandter Schriftsteller. Er suchte in allen größeren Tageszeitungen und Zeitschriften seine lebensvollen, farbigen Schilderungen des Bayerwaldes unterzubringen. Es glückte ihm sogar die Aufnahme eines Aufsatzes im amtlichen Verkehrsbuch der Bayerischen Eisenbahnen, für damals ein außergewöhnlicher Erfolg, wie die Mitgliederversammlung zu Regensburg 1905 feststellte.
Nach zehn Jahren mehr als 2.500 Mitglieder
Niederleuthner war eine künstlerisch hochbegabte Natur. Was das Passauer Rathaus durch die Restaurierung wurde, das ist auf seinen Anstoß zurückzuführen. Er verstand es ferner, Feste schöpferisch zu gestalten. Bei der Hauptversammlung des Wald-Vereins 1887 bot er seinen Waldvereinsbrüdern, unterstützt von Kunstmaler Ferdinand Wagner, einen Abend an den Ufern der Ilz, ein Hafenfest voll Prunk und Glanz und Farbe, von dem heute noch gesprochen wird. Das Defizit von 2.200 Mark beglich Niederleuthner großenteils aus eigener Tasche.
Er war eine großzügige Natur nach jeder Richtung. Die großen Beleuchtungsfeste, die Passaus Ruf in alle Welt hinaustrugen, waren in ihrem Ursprung Waldvereinsfeste. Die Generalversammlung 1892 und 1903 in Passau gewannen einen solche Zugkraft, daß man nur mehr Mitglieder zu den Festen zulassen konnte. Der Wald-Verein zählte nach dem ersten Jahrzehnt schon über 2.500 Mitglieder.
Niederleuthner war vom Waldverein innerlich voll ausgefüllt, er wurde ihm zur Lebensaufgabe. Ihm opferte er Zeit, Gesundheit und Geld.
Niederleuthner war ganz „Präsident des Wald-Vereins“, heischte für diese Stellung Beachtung und fand sie. Die Spitzen der Regierung bekümmerten sich um seine Bestrebungen, Bischof Franz von Weckert und Erzbischof von Thoma förderten sie als Mitglieder, die königlichen Hoheiten Prinzregent Luitpold und Prinz Ludwig liehen ihre schützende Hand durch Übernahme des Protektorats.
Ihm zur Ehr ein Felsblock aus Büchlberger Granit
Niederleuthner lenkte nahezu ein Vierteljahrhundert die Geschicke des Wald-Vereines. Sein Name klang hell durch die weiten Wälder der Grenzberge, klang über die Grenzpfähle hinüber. Als er am 7. Juni 1907 starb, legten die von ihm gegründeten Sektionen, aber auch der Böhmerwaldbund Waldkränze an seinem Grabe nieder. Die Generalversammlung zu Straubing am 7. Juli 1907 gedachte seiner in hochehrenvoller Weise. Ein Felsblock aus Büchlberger Granit, umfriedet von einer Waldpflanzung, erzählt dem Wanderer auf Oberhaus von einem warmen Freund des Bayerwaldes. Niederleuthners Lebensarbeit ist die Entstehungsgeschichte des Bayerischen Wald-Vereins.
gezeichnet: W. Leidl