Fürholz. Es macht den Anschein, als würden sich ausschließende Welten aufeinander prallen. In einer der vielen historischen Dorfwirtschaften von Fürholz (Gemeinde Grainet) hat der gebürtige Dresdener Norman Bielig einen sog. Coworking-Space initiiert. Was wie ein Begriff aus „Star Wars“ anmutet, ist kurz übersetzt ein Großraumbüro, in dem „Freiberufler, kleinere Start-ups oder digitale Nomaden“ (Quelle: Wikipedia) räumlich und im besten Falle auch wirtschaftlich zusammenarbeiten. Dort, wo vor Jahrzehnten ein gemütliches Bier bei manchmal hitzigem Diskurs zwischen Waidlern getrunken wurde, findet künftig vor Laptop und WLAN-Router eine Art digitaler Stammtisch statt.
Auch Norman Bielig selbst weiß, dass er Verursacher eines – auf den ersten Blick – Paradoxons ist. Der 37-Jährige ist aber gleichzeitig davon überzeugt, dass seine Idee funktionieren wird. Gerade in Fürholz, gerade im ländlichen Raum. Der gebürtige Dresdner hat in seinem Leben schon so einiges gesehen. Nach Stationen in Landshut, Dingolfing und Deggendorf hat er sich ganz bewusst dazu entschieden, aufs Land zu ziehen. „Die Region war dann Zufall. Der Graineter Kessel im zweiten Schritt bewusst ausgewählt. Mir gefällt es hier sehr.“
Der nächste Kunde ist zwei Stunden Fahrzeit entfernt
In Zeiten zunehmender Digitalisierung sei es egal, wo man arbeite. Und – das hat inzwischen nicht nur er festgestellt – im Bayerischen Wald ist die Lebensqualität höher als in irgendeiner Großstadt. Lieber Natur, schöne Landschaften und billige Preise als überteuerte, übersiedelte und überdrehte Metropolen. Bielig hat sich nicht nur beruflich in der Gemeinde Grainet niedergelassen, sondern auch privat. Kurz vor Ostern hat er mit seiner Familie ein neu gebautes Haus in Kurzsäge bezogen.
Nach der vollständigen eigenen Ankunft in der neuen Heimat, soll nun auch sein Betrieb „Desire lines“ heimisch werden am Fuße des Haidels. Bereits seit einigen Jahren betreibt Norman Bielig eine Werbeagentur, die sich vor allem auf Content-Marketing spezialisiert hat. „Wir betreuen Blogs von Firmen mit Inhalten aller Art – vor allem auch Videos.“ Insbesondere im Rad- und Outdoor-Bereich ist der 37-Jährige aktiv – und vereint somit Beruf und seine größte Leidenschaft. Arbeitstechnisch beschäftigt er sich damit, wie er Mountainbikes & Co. ins rechte Licht rücken kann. In seiner Freizeit bezwingt er selbst die Berge der Region auf zwei Rädern.
Mitarbeitersuche im Woid: „Potenzial ist da“
Sein nächster Kunde ist über zwei Stunden Fahrzeit entfernt. Kein Problem in Zeiten von Videokonferenzen und High-Speed-Internet. Seine vier Mitarbeiter arbeiten ebenso im Homeoffice – verteilt auf den süddeutschen Raum. „Es ist schwierig, in meiner Branche jemanden in der Region zu finden. Aber genau das ist mein Ziel, weil ich sicher bin, dass Potenzial da ist.“ Norman Bielig wünscht sich daher eine Belegschaft, die im Woid wohnt. Und er möchte viele weitere Start-Ups und/oder Freiberufler in sein neu geschaffenes Gemeinschaftsbüro in Fürholz mitaufnehmen. „Ich bin ein Mensch, der den Umgang mit anderen Menschen braucht. Das ist für mich ein angenehmeres Arbeiten.“
Helmut Weigerstorfer