Tittling. „Was wäre die Welt ohne das Reisen?“, antwortet Peter Höltl, Geschäftsführer des 1945 gegründeten Tittlinger Touristikunternehmens „Rotel Tours“ auf die Frage, welche Bedeutung für ihn jene durchaus angenehme Form der Fortbewegung hat. „Reisen gibt einem immer etwas“, davon ist der 63-Jährige überzeugt. „Es geht ums Rauskommen. Darum, ganz andere Eindrücke zu bekommen. Man taucht ein in die Landschaft, die Kultur, tritt in Kontakt mit Menschen“, sagt er – und beschwichtigt sogleich: „Ich will aber nicht sagen, dass jeder reisen muss – das darf jeder für sich selbst entscheiden.“
Denn die Exotik könne auch schon unmittelbar vor der Haustür zu finden sein: „Wenn ich ins Ilztal gehe, weiß ich nicht, ob ich schon in Kanada bin oder irgendwo anders. Oder wenn ich den bayerisch-böhmischen Grenzkamm entlang laufe. Auch bei uns gibt’s sehr viele Möglichkeiten, die Welt zu entdecken.“
Namibia-Reise – ein echter Rotel-Tours-Klassiker
Erstmals mitgereist ist Peter Höltl in einem der roten Spezialbusse, in denen man vorne sitzen und hinten schlafen kann, in den 70er Jahren. Als Heranwachsender, mit seinen Eltern Georg und Centa, den einstigen Inhabern von „Rotel Tours“. 1984, er war gerade einmal Mitte zwanzig, machte er seinen Busführerschein – der erste Baustein in Richtung Betriebsübergabe, die offiziell im Jahr 2000 erfolgen sollte. Sogleich ging es für den damals jungen Mann auf Reisen – als Busfahrer und Reiseleiter. Die Welt anschauen. Das System kennenlernen, das sein Vater mit viel Fleiß und der nötigen Portion Unternehmerglück über die Jahrzehnte hinweg etablieren konnte. „Ich kenne das Gefühl, wenn sich die Räder wieder drehen“, blickt Höltl, der nach seiner Schulzeit BWL in Passau studierte, zurück auf seine eigenen Anfänge im Betrieb.
An die Trips nach Namibia erinnert er sich besonders gerne. Sie sind bis heute ein echter Klassiker im Portfolio des Reiseanbieters aus dem Bayerischen Wald, der mit seinen „rollenden Hotels“ („Rotels“) die Touristikbranche im deutschsprachigen Raum, ja auf der ganzen Welt mitgeprägt hat. 17 Tage für 2.390 Euro lautet das Angebot im aktuellen Katalog für die Rundreise durch den Staat im südlichen Afrika – inklusive Flug-Ticket, Bahnfahrkarte zum Flughafen, Bettzeug, Kleiderbügel und Halbpension (Frühstück und Abendessen). Apropos Verpflegung: In Ländern mit wenig gastronomischer Infrastruktur wird häufiger die „Rotelküche“, eine im Heck des Busses integrierte, ausfahrbare und vollausgestattete Möglichkeit zur Zubereitung von Speisen, bemüht. „Dann kochen Reiseleiter und Busfahrer gemeinsam das Essen für die Mitreisenden“, erklärt Peter Höltl. In strukturstärkeren Gegenden steht freilich auch ein Restaurantbesuch auf der Tagesordnung, um die landestypische Kulinarik zu verkosten.
Die Buchung einer solchen Reise läuft über das Büro in Tittling oder online via Homepage. Der Kunde erhält in der Folge alle nötigen Infos und Unterlagen, etwa zum jeweiligen Tagesprogramm oder zur Frage, von wo aus der Flieger zum Zielort startet und wo man letzten Endes in den Rotel-Bus einsteigt. „Alle Busse sind dabei in der Regel schon vor Ort“, erläutert der 63-Jährige. Im Gegensatz zu den Anfangszeiten, als man noch von der Firmenzentrale im Bayerischen Wald aus etwa nach Spanien oder Israel aufbrach. „Doch Süd-Afrika ist heute auf dem Landweg nicht mehr so einfach zu erreichen.“
„Ist ein Land stabil? Sind die Grenzen offen?“
Stets mit dabei ist ein Reiseleiter, der über Land und Leute bestens Bescheid weiß und den Gästen, die aus dem deutschsprachigen Raum (BRD, Österreich, Schweiz und Holland) stammen, die Kultur der jeweiligen Region näher bringt. „Die Reiseleiter sind ein sehr buntes Völkchen mit dem unterschiedlichsten Background“, weiß der Firmen-Chef aus eigener Erfahrung. Eine Tour steht und fällt mit der Person, die diesen Posten ausfüllt. Im Laufe der Jahre hat sich das Unternehmen ein weltweites Netzwerk von Experten aufgebaut. Dies sei erforderlich, um etwa unabhängig von der medialen Berichterstattung zu erfahren, wie sich die Lage vor Ort gestalte – „da braucht man gute Kontakte“.
Rund 60 Prozent Einzelreisende würden die Rotel-Tours-Angebote wahrnehmen – gefolgt von Paaren, manchmal auch kleineren Gruppen. Teilweise sind die Rotel-Kunden im Familienverbund, also Eltern mit ihren größeren Kindern, unterwegs, teilt Höltl weiter mit. Seit Dezember vergangenen Jahres befindet sich der afrikanische Kontinent zurück im Repertoire: Kenia, Tansania, Uganda. „Trotz Corona hat das gut geklappt.“ Jetzt, nach dem Wegfall des Großteils der Covid-Beschränkungen, wolle man ab Sommer verstärkt Namibia, ab Herbst dann auch wieder Süd-Afrika auf die Liste der möglichen Reiseorte setzen.
Dabei stellt sich die Frage: Wie werden die Routen durch die jeweiligen Länder eigentlich genau festgelegt? Dies erfolgt stets in enger Abstimmung mit den Reiseleitern bzw. durch die Busplanung selbst. „Für uns sind dabei immer folgende Hintergrundinfos wichtig: Ist ein Land stabil? Sind die Grenzen offen? Was gibt es Interessantes zu sehen? Welche Orte sind mit dem Bus erreichbar? Und vor allem: Wie kann man diese sinnvollerweise miteinander verbinden?“ Hinter all dem steckt ein großer logistischer Aufwand, der nicht selten von gewissen Unwägbarkeiten beeinflusst oder auch mal zunichte gemacht wird. Hier ist oftmals viel Flexibilität seitens der Busfahrer und Reiseleiter gefordert.
„Wir regen uns da schon gar nicht mehr auf“
„Unsere Stärken sind exotische Reisen, sprich: Ausflüge nach Afrika und Asien. Wir hängen dort aber immer wahnsinnig von den politischen Gegebenheiten ab“, sagt Peter Höltl. Kommt es irgendwo zu Krisen, ist auch sein Unternehmen meist davon betroffen. Genauso bei unvorhersehbaren Naturereignissen: „Wir hatten einen Bus an der Ostküste der USA, als ein Hurrikan aufzog. Wir brauchten einen Unterstand, eine Halle für das Fahrzeug. Die Gäste brachten wir ins Hotel, bis die Gefahr vorüber war. Man muss sich häufig auf solch abenteuerliche Situationen einstellen.“
Die geplanten Russland- und Ukraine-Reisen wurden freilich alle abgesagt – bereits lange bevor die Lage in Ost-Europa eskalierte. Zu brenzlig die Konstellation, zu groß die Spannungen. 1990, noch zu Zeiten der Sowjetunion, besuchte Höltl erstmals den Staat, der seit Wochen nicht mehr zur Ruhe und aus der medialen Berichterstattung kommt. „Wir sind von Kiew aus über Zentralasien bis nach Peking gefahren – ich bin damals auch manchmal selbst am Steuer gesessen.“
Aufgrund von Corona wurde der Tourismus weltweit heruntergefahren. „Wir hatten die letzten Gruppen aus Australien gerade noch zurückgeholt“, erinnert sich der Rotel-Tours-Geschäftsführer an durchaus schwierige Zeiten, in denen der komplette Betrieb stillstand. „Es war eine Phase der Ungewissheit, in der man nichts mehr planen konnte.“
Besonders die Delta-Variante bedeutete einen herben Rückschlag. „Unsere Fahrzeuge sind auf der ganzen Welt zum Stehen gekommen – so etwas hat es noch nie gegeben. Da gibt’s dann nur ein Ziel: Wie komme ich wieder aus der Sache heraus? Wie geht’s jetzt weiter?“ Staatliche Überbrückungshilfen und Kurzarbeit habe man – wie so viele andere auch – in Anspruch genommen. Aktuell wird der Betrieb schrittweise wieder hochgefahren.
Das Europa-Geschäft ist vor Kurzem von Neuem angelaufen, Afrika und Nordamerika sollen alsbald folgen. „In Asien ist vieles noch zu oder öffnet so spät, dass für Reisen im Sommer keine Planungssicherheit mehr besteht“, blickt der Tittlinger voraus. „Aber irgendwas ist immer – ob Corona oder Ukraine, wir regen uns da schon gar nicht mehr auf.“
Die Unternehmensnachfolge scheint geregelt
Dennoch sind bereits jetzt die Planungen für nächstes Jahr im vollen Gange. Dies und der geschäftliche Teil gehören zu Peter Höltls Kernaufgaben. Rege unterstützt wird er dabei von seinem Team und vor allem von seiner Frau Christina, die mit sämtlichen Abläufen ebenfalls bestens vertraut ist. Wichtig sind dem 63-Jährigen die Gespräche mit seinen Gästen, das Feedback nach den Reisen, was gut geklappt hat und was man noch verbessern könnte. Dafür hat man ein eigenes Beurteilungssystem installiert. Auch zwei Facebook-Gruppen gibt es mittlerweile, in denen sich die Anhänger der rollenden Hotels austauschen – und die auch gerne mal persönlich zum „Fan-Treff“ in der Bayerwald-Zentrale vorbeischauen.
Die Unternehmensnachfolge scheint bereits geklärt zu sein: Höltls haben zwei Söhne, der ältere hat neben dem BWL-Studium den Busführerschein gemacht und ist jüngst damit eine Tour durch Ostafrika gefahren. Somit wäre er der vierte in der Höltl-Reihe, der im Transportwesen tätig ist – neben Vater Peter, Großvater Georg jun. und Urgroßvater Georg sen. „Ja, er könnte in meine Fußstapfen treten – aber das soll sich entwickeln“, will der aktuelle Firmeninhaber keinerlei Druck auf den Sprössling ausüben. Das Reisen dürfte ihm jedenfalls im Blut liegen: „Wir sind weit umhergekommen mit unseren Kindern – mit und ohne Rotel Tours.“
Auf die Frage, ob es Länder gibt, die er in seinem Leben noch nicht bereist hat und die ihn noch reizen würden, antwortet Peter Höltl: „Das kann ich gar nicht so genau sagen. Je nachdem, was sich ergibt.“ In wie vielen Ländern er schon war, hat er nicht gezählt. Doch man könne in so manche Region durchaus auch ein zweites oder drittes Mal reisen, wie er findet. Etwa nach Ägypten oder nach Süd-Amerika, wo die alten Kulturen beheimatet sind, an denen er großes Interesse hat. Zuletzt war er mit seiner Frau in Myanmar. Doch auch an Europa habe er wieder großen Gefallen gefunden – „weil aufgrund von Corona der Massen-Tourismus noch nicht zurück ist, vor allem an Hotspots wie Venedig oder Barcelona. Diese Städte kann man sich in Ruhe anschauen. Die Chinesen und die Amerikaner sind noch nicht da.“
„Man sollte offen bleiben“
„Ich kann reisen, dass ich immer toleranter werde, oder dass ich immer intoleranter werde – je nachdem, was man sieht oder was man nicht sieht“, zieht Peter Höltl Bilanz über seine bisherigen Erfahrungen mit dem Unterwegssein in der Welt – und fügt hinzu: „Aber man sollte offen bleiben, das ist wichtig. Wenn ich reise und mich nicht öffne, habe ich das Ziel nicht erreicht.“
Vieles relativiere sich im eigenen Umfeld durch die Einblicke in andere Lebensverhältnisse. Man werde lockerer, entspannter. Und weitsichtiger. „Wenn man vor Ort ist, kann man oft schon Entwicklungen erkennen, die erst später eintreffen und auch Auswirkungen auf unser Leben daheim haben.“
Der Tourismus ist Höltl zufolge vor allem hinsichtlich seiner verbindenden Eigenschaft ein wichtiger gesellschaftlicher Bestandteil. „Er stellt Kontakte zwischen den Völkern her – auf einer globalen, menschlichen Ebene. Um etwa zu sehen: Irgendwie haben wir alle die gleichen Probleme, die gleichen Strukturen – auch wenn eine andere Kultur oben drüber steht.“
Stephan Hörhammer
Sehr geehrter Herr Hörmann,
ich habe mich gefreut, als ich in der Zeitschrift „Der Bayerwald“ 1/2022 über Sie von einem neuen Vereinsmitglied lesen konnte, das wegen seines Alters und seiner Talente wieder etwas mehr Schwung in die Vereinsfamilie des Bayerischen Wald-Vereins bringen kann. Mit großem Interesse verfolge ich den „da hogn“ und seine interessanten Berichte, Schilderungen, Fotos. Ich denke, sie sind vor allem für Waidler interessant, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr in ihrer angestammten Heimat sind oder sein können.
Im Heft 3/2020 hat mich auf Seite 32 Manuela Lang als einen Waidler vorgestellt, dessen Heimat dort ist, wo seine Seele zuhause ist.
Besonders interessiert hat mich Ihr Bericht über die Rotel-Tours. 1978 gründete und leitete ich als 1. Vorsitzender die Sektion Neu-Ulm des Bayerischen Wald-Vereins. Kurz nach deren Gründung bekam Georg Höltl für sein Hotel am Tittlinger See den Kulturpreis des Bayerischen Wald-Vereins für landschaftsgebundenes Bauen. Ich denke, kurz darauf fand der Bayerwaldtag in Tittling statt.
Jetzt zu mir persönlich: Dass ich über 20 Jahre immer wieder in Mali war, erfahren Sie aus der o. g. Vorstellung durch Manuela Lang.
In Bamako schmatzt ma boarisch.
Bei meinen Besuchen in Mali hatte ich immer ein Fahrrad dabei. Fahrradfahren in Mali ist in der Trockenzeit purer Luxus. Es regnet nie, die Straßen entlang des Niger sind eben. Man kommt in der Hauptstadt Bamako, das wörtlich übersetzt Krokodil-Tümpel heißt, schneller voran als jedes andere Fahrzeug. Dabei habe ich die Möglichkeit und die Chance, unmittelbar mit den Leuten auf der Straße in Kontakt zu kommen. Das nehme ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Anspruch, da ich im Laufe der Jahre immer mehr ihre Sprache, das Bambara oder „Bamanakan“ verstehen und sprechen konnte. Hie und da sprechen mich Frauen an, die am Straßenrand hockend kleine Häufchen von Erdnüssen verkaufen. Manchmal ruft mir jemand zu: „He Weißer, gestern habe ich Dich im Fernsehen gesehen.“ Das ist der Fall, wenn in den Fernsehnachrichten von der Eröffnung einer Schule im Beisein hoher Würdenträger und des deutschen Botschafters berichtet wurde. Die Schule wurde von den „Weißen Deutschen“ finanziert. Weiße sieht man in der Hauptstadt fast nie, und schon gar nicht auf einem Fahrrad.
Eines Tages, ich genoss es gerade bei glühender Hitze, die besonders unerträglich in der sogenannten heißen Trockenzeit herrscht, in der Hauptstadt Bamako entlang des Flusses Niger zu fahren. Ein frischer Windhauch lässt dort die Hitze leichter aushalten. Ich schaue hinunter auf den Fluss und bewundere die Wäscherinnen und Wäscher, wie sie sich über Tücher und Kleider im Flusswasser bücken oder die Stoffe zu Keulen geformt auf runde Steinrücken schlagen.
Unversehens fällt mir ein knallroter Bus auf, der durch das Chaos der Straße pflügt. Er schiebt schwitzende Menschen mit Ziegen, Schafen und Esel zur Seite. Hie und da taucht über dem Gewimmel flirrend der Kopf eines Kamels auf. Und dann wieder der rote Bus. In den vielen Jahren meines Aufenthaltes in Mali habe ich noch nie so einen ordentlichen, roten Bus gesehen.
Ich bleibe stehen und warte, bis er näherkommt. Er fällt auf im Gewimmel verwahrloster, verrosteter und ächzender Fahrzeuge. Die Luft flirrt über dem Straßenraum, schwebt wie ein Schleier stinkender Auspuffgase. Näherkommend sehe ich: es ist ein besonderer Bus, so einen gibt es nicht in Bamako. Jetzt interessiert er mich besonders. Passagiere, ausnahmslos weiße Menschen, schauen schwitzend aus den offenen Fenstern, neugierig spähen sie nach allen Richtungen. Der Fahrer sitzt konzentriert hinter dem Steuer seines riesigen Buses. Er kommt kaum vorwärts im Gewühle der Straße.
Unmittelbar vor mir stehend sehe ich das Autokennzeichen PA. Es muss ein deutsches Kennzeichen sein. Ich kann es kaum glauben, es ist das Kennzeichen von Passau, das Kennzeichen meiner Heimatregion in Deutschland. Ich bin sowas von überrascht. Ich schreie dem Fahrer hinter seinem offenen Fenster entgegen: Ich brülle, es brüllt aus mir heraus dem Fahrer in sein offenes Fenster entgegen: „Wou hats an es her“? Der Fahrer ist elektriziert, schreit zu seinen Passagieren nach hinten: „Do drasst segt´s an Waidla, schaats asse.“ Wie vom Blitz getroffen, springen die Passagiere von ihren Sitzen, sie drängen sich an die geöffneten Fenster auf meiner Seite und können es nicht glauben. Ich höre wie sie unisono sagen: „Do drassd is a Waidla mit seim Fohrradl“. Der rote Bus neigt sich beachtlich zu meiner Seite her. Ich kann es nicht glauben. Bayerwäldler fahren in einem Rotel-Bus sightseeing durch die Millionenstadt Bamako im armen Sahel.