Passau/Berlin/Kalifornien. Hog’n-Autorin Malin Schmidt-Ott, einstige Passauer Studentin und spätere Wahl-Berlinerin, hatte stets ein klares Ziel vor Augen: den Erwerb der Green Card, um sich unbefristet im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ aufhalten zu dürfen bzw. ganz dorthin auszuwandern. Der Bundesstaat Kalifornien, wo sie Verwandtschaft hat, hat es der jungen Frau besonders angetan. Im dritten Teil unserer Serie schilderte sie ihre „Begegnung“ mit dem Formblatt „DS-160“. Im vierten und letzten Teil geht es für sie nun auf die Zielgerade…
(…Teil 3…) Und tatsächlich: Wieder an einem Freitag – diesmal fand der Online-Deutschunterricht bei meiner in Santa Barbara ansässigen Schülerin tatsächlich statt – blickte ich per Zufall in mein E-Mail-Postfach. Mir fiel der Spam-Ordner auf, in dem wieder einige Nachrichten gelandet waren. Ich klickte – und mein Herz machte einen Sprung: Absender war das Kentucky Consular Center, kurz KCC. Kurz dachte ich an eine Phishing-Mail, doch das Überprüfen der Absenderadresse zeigte mir, dass es sich tatsächlich um Informationen bezüglich der Lottery handeln musste.
Die nächsten Schritte auf dem Weg zum Interview
Alle gezogenen Bewerberinnen und Bewerber sollten sich auf weitere Nachrichten einstellen, da der Bewerbungsprozess nun voranschreite, war dort zu lesen. Obwohl es keine großartigen Neuigkeiten gab, steigerte sich meine Aufregung. Im Internet informierte ich mich über die weiteren Schritte: Noch mehr Dokumente, die eingereicht werden müssten, ein Termin beim Amtsarzt und letztendlich ein Interview beim Konsulat in Frankfurt – wenn man denn Glück hatte.
Die amtsärztliche Untersuchung dürfen, wie ich vorab in Erfahrung bringen konnte, in ganz Deutschland nur ausgewählte Praxen durchführen: in Berlin, München, Frankfurt und Hamburg. Spätestens an dieser Stelle war mein Berlin-Plan also aufgegangen. Neben einer kompletten Anamnese, zu der ein Drogenscreening, Blut- und Urinuntersuchungen, Seh- und Hörtest zählen, würde mein Impfausweis vorzulegen sein. Da mir schon bei der Losziehung bewusst geworden war, dass ich eine Menge Impfungen auffrischen lassen müsste, hatte ich den Impftermin bereits im Juni 2021 hinter mich gebracht. Zudem wird bei dem Termin die komplette medizinische und psychische Vergangenheit durchleuchtet. Nicht zu vergessen der Thorax-Röntgenscan, um Tuberkulose auszuschließen. Natürlich sind die Kosten für die Untersuchung vom Antragsteller selbst zu tragen.
Wichtig: Der Termin beim Amtsarzt darf – ähnlich wie das Ausstellungsdatum des Führungszeugnisses und der Passfotos – nicht irgendwann stattfinden. Der Arztbesuch muss innerhalb von drei Wochen vor dem Konsulatsbesuch realisiert werden. Ich konnte mich also bestmöglich darauf vorbereiten, Adressen und Website-Links sammeln – doch ins Handeln würde ich erst dann kommen, wenn ein Interviewtermin feststehen würde.
Gewinnen in der Green-Card-Lottery? Mehr als reines Glück!
Das Interview – der letzte Schritt vor der Ausstellung der Green Card – findet unter folgenden Voraussetzungen statt: Die Bewerberinnen und Bewerber haben eine niedrige Case-Number UND haben die Dokumente schnell eingereicht (denn: Für diejenigen, die zu spät dran sind, gibt es unter Umständen keine Interviewnummern mehr). Alle Anträge und Dokumente müssen außerdem vollständig sein und die angegebenen Infos dürfen nicht zu einem Ausschluss führen. Erst, wenn all diese Faktoren zutreffen, ist mit einer Einladung ins Konsulat in Frankfurt zu rechnen.
Es ist also – anders als viele denken – sehr viel mehr als nur Glück im Spiel, wenn man eine Green Card über die Lottery erhält. Das genaue Lesen, Ausfüllen und Einreichen aller Dokumente ist ebenso wichtig wie das benötigte „Kleingeld“, um für Anträge und Co. aufzukommen. Wichtig ist außerdem die zeitliche Planung. Obwohl ich zuversichtlich war, wollte ich mich immer noch nicht zu früh freuen…
Es dauerte weitere fünf Wochen, bis ich wieder eine Email erhielt: Und tatsächlich! Es war eine Einladung zum Interview. Anfang Dezember 2021 sollte ich nach Frankfurt kommen. Hat man einmal einen Termin erhalten, kann dieser nicht mehr verschoben werden. Da ich dies jedoch ohnehin nicht in Erwägung zog, ging es für mich nur noch darum, die letzten nötigen Schritte zu planen – wie eben jenen Amtsarzt-Termin oder das Anfertigen neuer Passbilder.
Arztbesuch in Berlin und Interview-Termin in Frankfurt
Die Arztpraxis befand sich in Berlin-Mitte. Bereits bei meiner Ankunft stellte ich fest, dass ich nicht die einzige Patientin war, die mit Reisepass und Green-Card-Unterlagen im Wartezimmer saß. Vermutlich werden die Konsulats-Untersuchungen immer an einem Tag durchgeführt. Insgesamt verbrachte ich mehr als vier Stunden in der Praxis – zwischen Tests, Röntgenaufnahmen, Blutabnahmen und Arztgesprächen kam es immer wieder zu längeren Wartezeiten. Gegen Ende der Untersuchung drückte mir die Dame am Empfang einen versiegelten Umschlag in die Hand, der unter keinen Umständen geöffnet werden durfte und dem Konsulat beim Interview vorgelegt werden müsste.
Anfang Dezember 2021 kam ich abends in Frankfurt an, wo ich mir in unmittelbarer Nähe des Konsulats eine Unterkunft gebucht hatte. Auch, wenn ich vor Aufregung vermutlich schon zwei Stunden vorher wachwerden würde, stellte ich mir fünf verschiedene Wecker, um bloß pünktlich zu kommen.
Am Morgen des Interviews hatte sich bereits eine längere Schlange vor dem Konsulatsgebäude gebildet. Im Nieselregen warteten Familien, Paare und einige Einzelpersonen darauf, eingelassen zu werden. Auch hier wurden wieder sämtliche Dokumente überprüft, Taschen und Jacken kontrolliert und alle elektronischen Geräte am Eingang abgegeben. Mit klopfendem Herzen betrat ich die große Halle und ließ mich auf einem der Stühle im Wartebereich nieder. Nach kurzer Zeit wurde ich zum ersten Schalter aufgerufen, an dem ich eine Gebühr über mehrere hundert Euro zahlen musste, bevor es weiter gehen konnte.
Das eigentliche „Interview“ fand ebenfalls an einem Schalter statt. Der Beamte war freundlich und sah meine Unterlagen durch, bevor er mir ein paar Fragen zu meinem Bildungsabschluss und Kontakten in die USA stellte. Anschließend scannte er meine Fingerabdrücke, ließ mich einen Eid ablegen und entließ mich mit einem versiegelten Umschlag, der unter keinen Umständen von mir geöffnet werden dürfte. Das war’s!
Als ich aus dem Gebäude trat, nachdem man mir am Sicherheitsschalter meine Tasche ausgehändigt hatte, war es mittlerweile hell, der Regen hatte aufgehört. Das war es! Nach all den Monaten zwischen Hoffen und Bangen: Ich hatte die Green Card! Der ausgehändigte Umschlag sei im Handgepäck mitzuführen und bei der Einreise in die USA abzugeben. Aufgrund meiner Internetrecherchen wusste ich, dass er meine ärztlichen Unterlagen so wie das Führungszeugnis enthielt.
Und endlich geht’s los!
02.02.2022. Das Datum war kein Zufall. Bei der Flugbuchung sprang mir die symmetrische Nummer sofort ins Auge. Als jemand, der an Zeichen glaubt, entschied ich mich also, meinen Flug auf diesen Tag zu legen. Zwischen Dezember und Februar hatte ich meine Masterarbeit beendet, mein Hab und Gut verkauft. Nun flog ich mit meinem 17 Kilogramm schweren Koffer nach New York. Denn anders, als von vielen in meinem Umfeld vermutet, sollte es nicht direkt an die Westküste der USA gehen. Weil mir klar war: Wenn ich direkt nach Kalifornien ginge, würde es für mich wohl so schnell keinen Grund mehr geben, den Staat für längere Zeit zu verlassen. Deshalb wollte ich der Ostküste wenigstens eine Chance geben – und mich bewusst ins Unbekannte wagen.
Denn hier, in der „Big Apple“ genannten Metropole, kannte ich niemanden. Die Umgebung war mir nicht vertraut – und die Möglichkeit, wenigstens für einen Zeitraum in New York zu leben, wollte ich nutzen. Nach einer ersten Euphorie-Phase, in der ich Manhattan, den Central Park und die gesamte Nachbarschaft fußläufig erkundet hatte, kam plötzlich die Ernüchterung. Zu meinem Glück hatte ich mich bereits vor der Abreise in einer Facebook-Gruppe namens „Germans in New York“ angemeldet und konnte so bereits Ende Februar erste Kontakte knüpfen. Dennoch war der Start in den USA nicht so einfach, wie erwartet.
Natürlich war mir schon vorher bewusst gewesen, dass einige Hürden auf mich zukommen würden. Um in den USA arbeiten zu können, braucht man etwa eine Social-Security-Number. Diese wiederum bekommt man nur bei Vorlage der Green Card, welche mir aber erst Ende März 2022 zugeschickt wurde. Ohne Arbeit wiederum ist es schwierig, eine Krankenversicherung zu erhalten. All diese Barrieren mischten sich mit einem mir sehr unbekannten Gefühl – Heimweh!
Seit Beginn meines Studiums hatte ich mich darüber identifiziert, alleine glücklich zu sein. In den vergangenen Jahren reiste ich achtmal alleine nach Barcelona, Portugal sowie weitere Orte. Ich lief den Camino ohne Begleitung und wurde nicht müde zu betonen, wie sehr ich das alleine leben genieße. Doch nun bemerkte ich zum ersten Mal, wie wichtig mir meine Freunde und Familie waren. Glücklicherweise liegt die Zeitdifferenz zwischen New York und Deutschland bei nur sechs Stunden – nicht bei neun, wie es in Kalifornien der Fall ist.
Mein New-York-Fazit: Die Stadt war spannend, laut und groß, doch mir kam es paradoxerweise nicht annähernd so „big“ vor, wie ich es erwartet hatte. Am meisten überraschte mich das Wetter: Nach einem Tag mit Sonne und angenehmen 18 Grad Celsius sanken die Temperaturen innerhalb einer Nacht in den Minusbereich. Kälte, Schnee und Sturm waren an der Tagesordnung, was sich meiner Meinung nach auch in der Stimmung der New Yorker Bevölkerung widerspiegelte.
Von Ost nach West
Mein Bauchgefühl, welches mich schon länger nach Kalifornien zog, wurde schließlich immer stärker – und so reiste ich Anfang April an die Westküste. Natürlich würden sich auch hier nicht gleich alle Probleme in Luft auflösen. Aber immerhin befand ich mich nun in einer gewohnteren Umgebung.
Nach dem Erhalt der Green Card ist man verpflichtet, innerhalb von fünf Monaten ein erstes Mal in die Staaten zu reisen. Das bedeutet glücklicherweise nicht, dass man direkt da bleiben muss. Ob man – wie die meisten Auswanderer – einige Male hin und her reist oder direkt im neuen Land sesshaft wird, ist jedem selbst überlassen. Für mich bleibt es also spannend – und ich versuche, mein (deutsches?) Planungsbedürfnis abzulegen und darauf zu vertrauen, dass alles so kommt, wie es richtig ist…
Malin Schmidt-Ott