Finsterau. Wer schon einmal in einer Wald-Hütte einen oder mehrere Tage verbracht hat, der weiß, welch erhebendes Erlebnis so ein Aufenthalt mit sich bringt. Man entflieht der Routine des Alltags und begibt sich in eine Welt, die völlig entschleunigt zu sein scheint und von der man meinen könnte, dass sie viele Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte zurückliegt. Im neunten Teil unserer Hog’n-Serie über die Höfe und Häuser im Freilichtmuseum Finsterau stellen wir die Hirschkopfhütte vor, die einst in der Gemeinde Mauth-Finsterau stand.
Die Hirschkopfhütte ist das jüngste Gebäude des Freilichtmuseums. „Johann Degenhart Mauth 1907“ steht mit Bleistift an der Blockwand der ehemaligen Holzhauerhütte geschrieben. Es war wohl der Haumeister, der sich als Erbauer der Hütte dort verewigte.
Sie drohte zu verfallen…
Bauherr war das Königreich Bayern, dem der Forst um Lusen und Rachel gehörte, und in dessen Diensten Johann Degenhart stand. Die veränderte Arbeitsweise im Wirtschaftswald und vor allem die Rücknahme der Nutzung im Nationalpark Bayerischer Wald machten die Hirschkopfhütte nutzlos, sie drohte zu verfallen.
Der derbe Blockbau der Hütte ist auf einem Sockel von Granitsteinen errichtet worden. Die Bäume sind nur innen behauen – nach außen blieb das Rundholz sichtbar. Im Erdgeschoss befindet sich eine Stube mit Sesselofen, Tisch und Eckbank sowie ein breites Bett. Zwei Fenster machen den Raum hell, die Wände sind mit Nut-und-Feder-Brettern verschlagen. Im Dachgeschoss sind zwei Kammern ausgebaut. Die größere der beiden ist mit einem kleinen Ofen beheizbar.
Ursprünglich war die Hütte wohl etwas rustikaler. Das Erdgeschoss war ein einziger Raum, in dem die Blockwände sichtbar gewesen sind. Den Boden bildete gestampfte Erde. Der Dachboden stellte allenfalls ein notdürftiges Lager dar, das durch eine freie Treppe an der Rückseite des Hauses erreicht werden konnte. Diese Treppe ist erst in den 1950ern mit Holz verschlagen worden, als das Dach erneuert und mit einem Gaubenfenster versehen wurde. Auch die Raumabtrennungen in beiden Wohnebenen stammen aus dieser Zeit, genauso der Sesselofen.
Rückzugsorte belasteter Offiziere und Kassenverwalter
Zu dieser Zeit diente die Hütte jedoch nicht mehr vorrangig den Holzhauern, sondern dem Förster, der von dort aus zu seinen Reviergängen und zur Jagd aufbrach. Dort empfing er die Berichte der Hausmeister und saß mit Freunden oder auch seinen Holzhauern beisammen. Während das Feuer im Ofen prasselte, der Hafen mit dem Malzkaffee auf der Herdplatte dampfte und die klammen Hände auftauten, wurden die alten Geschichten erzählt, de schon so oft erzählt worden waren – und manchmal kam auch eine neue hinzu…
Man weiß, dass die Forsthütten im Bayerischen Wald – ebenso wie diejenigen in den Alpen – in den letzten Kriegstagen Rückzugsorte belasteter Offiziere und Kassenverwalter (samt Kasse) waren. Auch in punkto Hirschkopfhütte gibt es darüber einen Bericht. Er stammt von einem jungen Soldaten, der in jenen Tagen nur durch sein besonderes Geschick die Begegnung mit diesen Menschen überlebte.
Malerischer Blick auf Finsterau und Heinrichsbrunn
Rund um die Holzhauerhütte breitete sich eine großzügige freie Fläche aus, auf der gelegentlich eine Loudhütte (eine einfache Rindenhütte) errichtet wurde und wo man Stamm- und Blöcherholz gelagert und für den Abtransport vorbereitet hatte.
Vom alten Standort der Hirschkopfhütte aus hatte man einen malerischen Blick auf die Dörfer und Fluren von Finsterau und Heinrichsbrunn. Zuletzt aber waren die Fichten und Ahornbäume nahe am Haus so hoch gewachsen, dass sogar die Sonne nur wenige Stunden die Hütte beschien.
da Hog’n
Die Informationen stammen aus dem Buch „Freilichtmuseum Finsterau – Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ von Martin Ortmeier; Dietmar Klinger Verlag, Passau, 2009. ISBN 978-3-932949-87-6