Bayerischer Wald. Nach den spektakulären Bildern, die in den vergangenen Wochen vom großen Saharastaub-Ereignis über Bayern entstanden sind, ist er wieder in aller Munde: Der surreal rotbraun-gefärbte Himmel, wie man ihn sonst nur vom Planeten Mars kennt. Auch hier im Woid waren viele im Freien geparkte Autos mit einer dicken, fast schon schlammartigen Schicht überzogen, als der Regen den Staub schlussendlich wieder ausgewaschen hatte. Kaum aber hat sich die eine Staubwolke aus Nordafrika verabschiedet und dem Himmel wieder sein bayerisches Weiß-Blau zurückgegeben, steht schon die nächste Ladung mit abertausenden Tonnen Sand vor der Tür. Und wieder wird der Saharastaub in vielen Wetterberichten heraufbeschworen, als handele es sich um etwas Außergewöhnliches.
Das alles geschieht heute in einer Zeit, in der täglich Meldungen zu Klimaveränderungen aus der ganzen Welt eintrudeln. Hier eine Hitzewelle, dort eine Dürre, Hungersnöte und vordringende Wüstengebiete rund um den Globus. Und jetzt dominiert der apokalyptisch wirkende Dünensand sogar schon das Bayerwald-Firmament. Sind dies schon die Vorzeichen dafür, dass die Sahara quasi bald vor der Haustür steht? Wie lässt sich dieses Phänomen eigentlich in die Epoche der globalen Erwärmung einordnen? Ein Gastbeitrag von Hog’n-Wetterfrosch Martin Zoidl.
Wie der Sand in den Woid gelangt
Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich zunächst einmal anschauen, wie der Sand vom afrikanischen Kontinent nach Deutschland kommt. Während im Frühjahr die nördliche Erdhalbkugel vom Winter noch ziemlich ausgekühlt ist, steigt der Sonnenstand über Nordafrika bereits wieder schnell an und sorgt über den unendlichen Weiten der Sahara für die ersten Hitzewellen.
Dringt nun die noch kühle Rest-Winterluft aus dem Norden über die Azoren oder Europa hinweg bis zur afrikanischen Küste vor, so bildet sich dort ein starker Temperaturgegensatz aus und es kommt zur Entstehung eines kräftigen Tiefs. Dieses sorgt dort für heftige Sandstürme, die dann zusammen mit der Thermik die Partikel bis in große Höhen transportieren.
Während die anfänglich kühle Luft Richtung Süden vorgestoßen ist und die Entwicklung in Gang gesetzt hat, bildet sich auf der Vorderseite des Sturmtiefs eine entsprechende Gegenströmung aus, die zum Ausgleich nordwärts gerichtet ist. So bahnt sich der aufgewirbelte Staub im weiteren Verlauf seinen Weg Richtung Europa – und am Ende auch in den Woid.
Erwärmung an den Polen stärker als am Äquator
Die meisten Klimaberechnungen für die nächsten Jahrzehnte kommen nun zu dem Schluss, dass die globale Erwärmung an den Polen stärker voranschreiten wird als am Äquator. Dies führt in der Folge dazu, dass insgesamt die Temperaturgegensätze im Vergleich zu den Tropen künftig eher abnehmen werden.
So kann es wohl auch immer wieder zu Kaltluftvorstößen in die Sahara kommen – allerdings wird die Kaltluft immer schwächer ausgestattet sein, während die Temperaturen in den Subtropen im Mittel nicht so stark steigen wie in den nördlichen Breiten. Dementsprechend schwächer fallen die Gegensätze und damit auch die sich entwickelnden Sandstürme aus, wie man logisch daraus folgern müsste.
Tatsächlich wird diese Theorie von einer Studie untermauert, die im Nature-Magazin im Jahr 2016 veröffentlicht wurde. In der selben Analyse ist ferner festgestellt worden, dass die Zeit der größten Sandstürme in Afrika zuletzt in den 1980er-Jahren stattfand und damit sogar schon länger zurückliegt. Eine weitere Studie, veröffentlicht 2020 im Wissenschaftsmagazin Frontiers, vermutet dieses Szenario auch für den asiatischen Raum.
Die einzige Wüste Europas
Nun spielt natürlich auch die Ausbreitung der Wüsten selbst eine Rolle beim Staubgehalt der Luft, denn: Wo kein Sand ist, kann natürlich auch keiner hochgewirbelt werden und umgekehrt. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Sahara im vergangenen Jahrhundert – also dem Zeitraum, in dem der Mensch im Klima-Geschehen nachweisbar ist – nicht weiter nach Norden ausdehnen konnte. Sie hat auf dem afrikanischen Kontinent schlicht ihre maximale Nordwärts-Ausbreitung erreicht, da sie bereits an die Mittelmeerküste grenzt.
Die nach wie vor einzige Wüste auf europäischem Boden bleibt bislang die Wüste von Tabernas in Südspanien, welche ihren Ursprung aber nicht wie die Sahara im subtropischen Hochdruckgürtel hat, sondern primär durch mehrere Gebirgszüge verursacht wird, die den Regen von diesem Fleck Spaniens fernhalten. Sie war auch vor dem Klimawandel schon da und diente in der jüngeren Vergangenheit übrigens gerne als Kulisse für Westernfilme wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) oder auch „Der Schuh des Manitu„. Im Rest Spaniens fallen bisher trotz der langen und oft trockenen Sommer nach wie vor genügend Niederschläge, um eine dauerhafte Wüstenbildung in der Fläche zu verhindern, denn selbst kurze Regenzeiten reichen meist schon zur Bildung zumindest spärlicher Vegetation, die bereits in Teilen Erosion durch Wind und Wetter verhindern kann.
Ein verstaubt-romantisches Wetterphänomen
Verschiedene Berechnungen zeigen aber, dass die subtropische Dauer-Trockenzone bei weiter voranschreitender Erwärmung doch noch auf Südeuropa überspringen könnte – und dann auch dort Sanddünen zum Alltag gehören würden. Wenn diese einmal in Europa lagern, bräuchte es auch keine großen Stürme mehr, die den Staub von weit her in den Bayerischen Wald transportieren. Sollte dieser Fall irgendwann eintreffen, dürfte ein rot gefärbter Himmel ohnehin das geringste Übel sein. Genießen wir also bis dahin noch die glühenden Saharastaub-Sonnenuntergänge, die – zumindest bis heute – noch keine kommende Apokalypse ankündigen, sondern einfach nur eines sind: ein verstaubt-romantisches Wetterphänomen!
Martin Zoidl