Freyung. Sicherlich dürfte es sich um eines der ältesten Gebäude in Freyung handeln. Man vermutet, dass es um 1700 errichtet worden sein könnte. Schriftliche Belege über das Baujahr Schramlhauses, wo das Wolfsteiner Heimatmuseum untergebrach ist, gibt es jedoch nicht. Ein unbefriedigender Zustand, der den einstigen Museumsleiter Max Raab über die Jahre hinweg umtrieb – und ihn dazu veranlasste, der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Mit Erfolg.

Ein mächtiger, beeindruckender sowie ehrfürchtiger Bau und Zeitzeuge als längst vergangenen Bayerwald-Tagen: Das Freyunger Schramlhaus. Per dendrochronologischer Untersuchung der Uni Passau konnte nun sein Alter genauer bestimmt werden. Foto: Hog’n-Archiv

Raab schwebte vor, das Alter des Gebäudes wissenschaftlich ermitteln zu lassen – mit Hilfe der Dendrochronologie. Im Fokus stehen dabei die Holzelemente, deren Jahresringe mittels eines komplexen Verfahrens untersucht werden. Ein derartige Altersermittlung ist jedoch kostspielig. Man hätte wohl mehrere tausend Euro hinblättern müssen. Max Raab ließ aber nicht locker – und schließlich kam ihm ein glücklicher Zufall zu Hilfe.

Röhrenförmige „Holzwürstchen“ herausgelöst

Der ehemalige Kustos des Schramlhauses kam nämlich durch Vermittlung des Passauer Kreis-Archäologen Alois Spieleder in Kontakt mit Stefan Krottenthaler, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Lehrstuhl für Physische Geographie an der Universität Passau. Raab fragte an, ob die Uni Passau eine dendrochronologische Untersuchung durchführen könne. Der Uni-Dozent war sehr angetan von der Idee und regte an, die Untersuchung als Uni-Projekt anzulegen – zum Nulltarif. Auf diese Weise bekam der Student Stefan Kläß die Möglichkeit, die Altersbestimmung des Schramlhauses zum Gegenstand seiner Zulassungsarbeit für das Erste Staatsexamen zu machen.

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Zuerst schwitzte Stefan Krottenthaler, dann auch der Bohrer.

Im Juli 2020 begann die Untersuchung. Stefan Krottenthaler rückte mit einer Gruppe von Studenten an, um Holzproben aus Balken des Schramlhauses zu entnehmen. Was sich hier so leicht anhört, entpuppte sich letztlich als technisch schwierig und körperlich höchst anstrengend. Es sollten möglichst viele Holzproben entnommen werden, um geeignetes Untersuchungsmaterial zur Verfügung zu haben. Krottenthaler legte dabei selbst Hand an: Mit einem 30 Zentimeter langen und 19 Millimeter dicken Hohllochbohrer bohrte er Tragbalken in der „Stube“ des Schramlhauses und in weiteren Räumen an. 

Ein kitzliges Unterfangen, denn der lange und schwere Bohrer musste präzise in einem bestimmten Winkel angesetzt werden. Krottenthaler geriet bei dem Bohrvorgang mächtig ins Schwitzen. Doch nicht nur er, sondern auch der Bohrer. Durch Überhitzung zerbrachen zwei der ersten im Inneren des Bohrers befindliche Proben. Nachdem das Werkzeug gekühlt und eingeölt worden war, klappte es besser. Letztlich konnten neun brauchbare Holzbohrkerne entnommen werden. Optisch könnte man diese als röhrenförmige „Holzwürstchen“ bezeichnen, die mit großer Sorgfalt aus dem Inneren des Hohllochbohrers herausgelöst wurden.

Bilddateien von mehreren Hundert Megabyte

In einem nächsten Arbeitsschritt, der an der Universität Passau über die Bühne ging, wurden die Bohrkerne mit Holzleim auf einen Objektträger aufgeklebt und mit einem Bandschleifer vorsichtig so weit zugeschliffen, bis die Jahresringe auf den Bohrkernen deutlich sichtbar waren. Nach diesen mechanischen Arbeiten begann nun die Untersuchung mittels Computer und spezieller Software.

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Stefan Krottenthaler zeigt einer Gruppe Studentinnen und Studenten die Entnahmeprobe. 

Mit einem Hochleistungsscanner digitalisierte Stefan Kläß das Jahresringmuster der Bohrkerne. Dabei entstanden Bilddateien, die mehrere Hundert Megabyte umfassten. Als Nächstes erstellte der angehende Wissenschaftler mit einer hochspezialisierten Software eine Chronologie der Jahresringe. Diese sind je nach Wuchsbedingungen unterschiedlich ausgeprägt. Nun erfolgte der entscheidende Schritt: Um das Entstehungs- und das Fälldatum der im Schramlhaus verbauten Balken zu ermitteln, wurde die Chronologie der Bohrproben mit einer so genannten Referenzchronologie zur „Gemeinen Fichte“ im Bayerischen Wald verglichen.

Aus dem Vergleich der Jahresringprofile der Holzproben mit der Referenzchronologie kam Kläß nun tatsächlich dem Alter der Balken im Schramlhaus recht präzise auf die Spur: Der älteste Baum „lebte“ von 1632 bis 1671. Wenige Jahre nach dem Fälldatum 1671 hatte der Baum seine Bestimmung als Tragebalken im Erdgeschoss des Schramlhauses gefunden. Die Balken im Obergeschoss waren etwas „jünger“. Man hatte sie etwas später verbaut, das Obergeschoss wurde wohl nachträglich aufgestockt.

Auf jeden Fall nach 1671 errichtet

Ausgehend von dem ältesten Teil des Schramlhauses, dem Erdgeschoss, kann man also sagen: Das Gebäude in der heute bestehenden Form wurde in den letzten Jahrzehnten vor 1700 errichtet, auf jeden Fall aber nach 1671. Allerdings befand sich an dieser Stelle bereits wesentlich früher ein Vorgängerbau. Das belegen zahlreiche Scherbenfunde im Garten des Heimatmuseums. Schon im Jahr 1576 wurde dem Inhaber dieses früheren Anwesens das Bürgerrecht erteilt.

Kreisheimatpfleger Gerhard Ruhland


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