Linden/Freyung/Berlin. Ein Wasserkraftwerk zu besitzen ist gleichbedeutend mit der Lizenz zum Gelddrucken – und das ohne großen Aufwand. Eine landläufiges Klischee, das nach Ansicht von Josef Demm senior jedoch nur wenig mit der Realität zu tun hat. Der 79-jährige Unternehmer betreibt seit 1991 eine entsprechende Anlage in der Leitenmühle bei Linden (Stadtgebiet Freyung). Er weiß also, wovon er spricht: „Es steckt eine Menge Arbeit dahinter, dass die Generatoren immer reibungslos laufen. Und – was eigentlich das Traurigste überhaupt ist – der Staat macht es einem nicht gerade einfach.“
Vor allem der zweite Teil der Aussage überrascht – wurde doch das ursprünglich grüne Thema „Erneuerbare Energien“ bzw. “ Energiewende“ längst von so gut wie allen Parteien im Zuge des Klimawandels ins Programm aufgenommen. Weg von Atomkraft, weg von Gas und Kohle. Strom soll bestenfalls komplett mittels Wasser-, Sonnen und Windkraft produziert werden. „Der Staat schneidet sich bei diesem Thema aber immer wieder ins eigene Fleisch“, kritisiert Demm. „Beispiel Wasserkraft: Hier werden die kleinen Stromerzeuger mit immer rigideren Auflagen belegt. Scheinbar will man hier nur noch Großanlagen. Doch was hat das dann noch mit Naturschutz zu tun, um den es eigentlich gehen soll?“
Restwassermenge hat sich von 80 auf 280 Liter pro Sekunde erhöht
Der Unternehmer kann seine Aussage mit Daten seiner Anlage in der Leitenmühle, die wegen ihres Vorbesitzer oft auch „Seglmühle“ genannt wird, unterstreichen: Zwei Generatoren mit einer Maximalleistung von 230 KW werden dort vom Saußbach angetrieben. Eine komplette Auslastung, der Idealfall also, sei aber nur zehn bis 15 Tage im Jahr möglich. Nämlich dann, wenn es längere Zeit regnet oder die große Schneeschmelze vonstatten geht. „Im Schnitt produzieren wir 110 bis 120 KW“, rechnet Josef Demm vor. Detailliert wie gewissenhaft geführte Aufzeichnungen bestätigen seine Angaben. So weit, so gut. In Sachen Erneuerbare Energien sei man eben von der Natur abhängig.
Doch auch der Staat und Naturschutz werfen Betreibern von Wasserkraftwerken wie Josef Demm sen. immer größere Prügel zwischen die Beine bzw. Treibgut ins Rechenhaus. Stichwort: Restwassermenge. 1991, als der Freyunger mit der Produktion von Strom in der Leitenmühle begann, reichte es noch aus, dass der eigentliche Bach mit 80 Liter Wasser pro Sekunde weiterläuft. Der Rest „durfte“ über einen eigens dafür angelegten Kanal ins Turbinenhaus fließen. Nach und nach wurde diese Vorgabe auf 280 Liter/Sekunde hochgestuft, was Demm zufolge einer Leistung von fünf KW entspricht.
Dr. Olaf Heinrich: „Entwicklung untragbar“
Hinzu kommen immer wieder geforderte Anpassungen der sog. Fischtreppe. Dabei handelt es sich laut Wikipedia um „eine wasserbauliche Einrichtung an Fließgewässern, um Fischen bei der Fischwanderung die Überwindung von Wanderbarrieren in Form von Stauwehren, Wasserkraftanlagen und gegebenenfalls auch Wasserfällen zu ermöglichen“. Josef Demms Meinung dazu ist unmissverständlich: „Das alles ist aus meiner Sicht vollkommen überzogen. Ich selbst bin ein Freund der Natur. Aber: Ich muss die Fischtreppe immer wieder anpassen, obwohl ich hier noch nie einen Fisch gesehen habe. Und als Restwassermenge würden 150 Liter pro Sekunde locker reichen. Hat ja früher auch funktioniert.“
In eine ähnliche Kerbe wie der Unternehmer schlägt auch der Bürgermeister der Kreisstadt. In einem Schreiben an Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihr bayerisches Pendant Thorsten Glauber, das auch dem Hog’n vorliegt, hält Dr. Olaf Heinrich die Entwicklung für untragbar. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Wasserkraftnutzung haben sich (…) massiv verschärft. Es besteht die Gefahr, dass (…) Wasserkraftanlagen zukünftig viel weniger Strom produzieren können.“ Für die Stadt Freyung, die ihrem Rathaus-Chef zufolge 80 Prozent des Bedarfs durch Ökostrom abdeckt, wäre das ein großer Schlag. Genauso für die bundespolitischen Ambitionen in Sachen Atom- und Kohleausstieg.
Zweimal täglich schaut Josef Demm nach dem Rechten…
„Wenn es gelingen soll, binnen weniger Jahre komplett auf Atom- und Kohlestrom zu verzichten, ist es in meinem Augen der völlig falsche Weg, dass wir bestehende, mit erheblichen finanziellen Mitteln ökologisch ertüchtigte – beispielsweise wurden überall für große Summen Fischtreppen gebaut – Wasserkraftanlgen ihrer Leistungsfähigkeit schrittweise berauben und damit die zu füllende Stromlücke noch weiter vergrößern“, schreibt Heinrich an die beiden Politiker.
Josef Demm hört diese Worte natürlich gerne. Immerhin – so ehrlich ist der Unternehmer – wäre jeder Liter weniger Restwassermenge für ihn bares Geld. Gleichzeitig aber auch der verdiente Lohn für seine Arbeit. Zweimal täglich ist er in der Leitenmühle zugegen, um nach dem Rechten zu schauen – und braucht für seine Kontrollgänge jeweils 15 Minuten. Er überprüft dabei, ob noch genügend Schmiermittel für die Generatoren bereit steht, und schaut, ob sich am Stauwehr größere Gegenstände wie Äste verfangen haben. Genauso säubert er im sog. Rechenhaus den Rechen, der kleinere Hindernisse aus dem Wasser fischt, die womöglich die sensiblen Turbinen beschädigen könnten.
…außer es stehen außertourliche Arbeiten an
Neben den alltäglichen Tätigkeiten gibt es aber auch größer angelegte Arbeiten zu bewältigen. So ist laut Demm vorgeschrieben, dass zum Wehr eine befestigte Straße führt, um im Extremfall mit schweren Fahrzeugen dorthin zu gelangen. Fallen Bäume in den Kanal, müssen sie umgehend entfernt werden, um zu verhindern, dass sie in die Generatoren gelangen. Auch stetige Sanierungen an den Häusern und übrigen Bauten seien wegen der Korrosionsgefahr an der Tagesordnung. So leicht verdientes Geld ist es dann eben doch nicht, ein Wasserkraftwerk zu betreiben – wegen der genannten Aufgaben und Pflichten, aber auch wegen der staatlichen Auflagen…
Helmut Weigerstorfer