Finsterau. Jedes Bauwerk erzählt eine Geschichte. Über die Menschen, die darin gelebt und wie sie ihren Alltag bestritten haben. Die Häuser sind Zeitzeugen längst vergangener Tage. Sie sind die Hüter der Vergangenheit. Und wenn auch nicht alles, was sich damals zugetragen hat, bewahrt werden kann, so trägt zumindest ein gewisser Teil dazu bei, um die Erinnerung an früher am Leben zu erhalten. Im vierten Teil unserer Hog’n-Serie über die Höfe und Häuser im Freilichtmuseum Finsterau stellen wir den Kappl-Hof vor, ein offener Dreiseithof, der sich einst in Trautmannsried (Gemeinde Drachselsried) im Landkreis Regen befand.
Das Anwesen besteht aus einem Wohnstallhaus, einem Getreidekasten und einem Stallstadel, entsprechend der Hofsituation im frühen 19. Jahrhundert.
- Das Wohnstallhaus, ein eineinhalbgeschossiger Kantholzblockbau mit rekonstruiertem Legschindeldach, wurde wohl im Jahr 1835 erbaut. Bauteile eines Vorgängerbaus von 1605 wurden im Obergeschoss bei den Zwischenwänden wiederverwendet. Im späten 19. Jahrhundert wurden im Erdgeschoss die Fenster vergrößert, welche ursprünglich viel kleiner waren. Der Stall im rückwärtigen Teil des Hauses ist aus Feldsteinen gemauert. Erst vor wenigen Jahrzehnten war dieser noch ein ganzes Stück verlängert worden, damit mehr Rinder im Stall gehalten werden konnten. Zur gleichen Zeit wurde auch bei der Stube eine Wand, deren Holz offenbar verfault gewesen war, durch Ziegelmauerwerk ersetzt.
- Der Getreidekasten, ein geständerter Kantholzblockbau mit rekonstruiertem Legschindeldach, ist datiert auf das Jahr 1712; der trapezförmige Grundriss an der Westseite ist durch die enge bauliche Situation zu erklären.
- Der Stallstadel wurde 1816 erbaut und stammt ursprünglich aus Reichenberg im Landkreis Freyung-Grafenau; dabei handelt es sich um einen verbrettertern Holzständerbau mit rekonstruiertem Legschindeldach;
An der östlichen Stadelwand wurde im Jahr 1988 außen ein Kreuz mit geschnitztem Kruzifix angebracht, das aus Perlesöd (Stadtteil von Freyung) stammt. Der heutige Zustand nach der Restaurierung lässt nicht mehr erkennen, in welch schlechtem Zustand dieses Werk bei seiner Auffindung war.
Von 25 auf 150 Tagwerk Grundbesitz angewachsen
Bis 1972 hatten die ledigen Geschwister Josef, Franz Xaver und Maria Danzer den Kappl-Hof bewirtschaftet. Sie konnten auf eine ungebrochene Familientradition bis 1426 zurückblicken, als ein gewisser Martin Khäpl von den Wittelsbachischen Herzögen ein Gut in Trautmannsried auf Erbrecht verliehen bekam. Jahrhundertelang trugen die Besitzer des sogenannten Kappl-Hofes den Namen Khäpl, Khäppel oder Kappl – bis 1863 Anna Maria Kappl einen Georg Danzer heiratete. Von 25 Tagwerk (ca. acht Hektar) Grundbesitz war der Kappl-Hof zuletzt bis auf 150 Tagwerk (ca. 50 Hektar) angewachsen.
Als 1972 das letzte der Geschwister Danzer starb, war der Hof mit seinen alten Gebäuden nutzlos geworden und drohte zu verfallen. Deshalb wurden 1974 das Wohnstallhaus und der Getreidekasten für das Freilichtmuseum Finsterau gekauft. Die alten Häuser sind sorgfältig abgebaut und im Museum wiedererrichtet worden. 1980 wurde schließlich der „neue“ Kappl-Hof in Finsterau eröffnet.
In Form eines offenen Dreiseithofs, wie er im Inneren Bayerischen Wald häufig vorkam, sind das Wohnstallhaus und der Getreidekasten des alten Kappl-Hofs und ein dazu passender Stallstadel zueinander gruppiert. Alle drei Gebäude tragen ein flach geneigtes Legschindeldach. Zum Hof gehört außerdem ein kleiner Hausgarten mit einfachem Gemüse, ein paar Johannisbeerstauden sowie einige Blumen. Hinzu kommen eine Hundehütte, ein Klohäusl, ein gemauerter Backofen und ein hölzerner Schweinestall.
Adam Khäppel ließ den Kasten 1712 errichten
In die Stube gelangt man durch eine geräumige Flez, in der in den früheren Jahrhunderten wohl auch gekocht worden war. Zuletzt stand in der Stube ein emaillierter Sparherd, mit dem gekocht und geheizt wurde. Derselbe Ofen steht jetzt im Museum in der Stube. Auch Tisch, Stühle und das geflickte Kanapee sind originale Ausstattungsstücke des alten Kappl-Hofs.
Geschlafen haben die Bauersleute in der kleinen Kammer nebenan. In der darauffolgenden, noch kleineren Kammer, in der nun der Webstuhl steht, wohnte zeitweise eine Austragsbäuerin. Die ledigen Kinder hatten ihren Schlafplatz im Dachboden, der aus der Bauernschlafkammer und aus der Flez jeweils über eine Treppe zu erreichen ist.
Im Getreidekasten bewahrte der Bauer das ausgedroschene Brot- und Saatgetreide auf. Dies war ein wertvoller Besitz, deshalb wurde dieses Gebäude mit Sorgfalt gebaut. Und weil man auch immer darauf achtete, dass das Dach dicht war, blieb der Kasten des Kappl-Hofs bis heute erhalten. Nur die Holzständer zum Schutz vor Bodenfeuchte sind erneuert worden. Als Schutz vor Diebstahl dienen die verschiedenen Schlösser an der Innenseite der Türe. Dort finden sich auch die Initialen von Adam Khäppel, der den Kasten 1712 errichten ließ.
Das flache Legschindeldach des Stadels aus Reichenberg birgt Osen (ein abgetrennter Nebenraum im Stadel, in dem Sägespäne gelagert wurden), Tenne und Schafstall. Der eingebaute Stall aus Feldsteinmauerwerk ist mit nachträglich eingezogenen Schienengewölben, sogenannten Preußischen Gewölben, eingedeckt. In die Firstsäule am Rande der Tenne ist das Erbauungsdatum 1816 eingeritzt.
da Hog’n
Die Informationen stammen aus dem Buch „Freilichtmuseum Finsterau – Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ von Martin Ortmeier; Dietmar Klinger Verlag, Passau, 2009. ISBN 978-3-932949-87-6