Eine Mitte-20-Jährige, Typ Publizistik-Studentin mit starkem Hang zum IKEA-Mobiliar, klappt zufrieden ihr (anonymisiertes) MacBook zu und – freut sich über ihr Cash. Voll Wonne blickt sie aus dem Fenster. Ganz einfach, online Produkte testen, Spaß haben, abcashen. „Auf diese Weise unterstützen Sie Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Produkte – und verdienen damit Geld“, sagt eine sanfte Stimme im Werbevideo.
Für das Testen von Websites oder Apps sowie für die Teilnahme an Umfragen verspricht die Plattform empfohlen.de bares Geld. 40, 50, 60 Euro – im Video rasseln die Moneten. Das klingt zu schön, um wahr zu sein, denke ich mir. Aber Mitte 20 bin ich auch (grad noch so), ein paar IKEA-Möbel stehen auch irgendwo rum – also warum nicht? Natürlich gehe ich nicht in dem Glauben in die „Recherche“, ich werde Millionär. Aber, wenn ein bisschen was dabei rausspringt, wäre ich nicht böse. Denke ich mir.
„Du und ich, wir haben einen gemeinsamen Feind“
Die Anmeldung geht überraschend schnell: Vorname, Nachname, Mailadresse, Passwort, Häkchen setzen, bestätigen, los geht’s! Mit den persönlichen Daten wird auch sensibel umgegangen, heißt es. Das Prinzip ist einfach: empfohlen.de macht einem verschiedene Angebote, mit einer Beschreibung der Aufgabe, dem Verdienst und der dafür benötigten Zeit. Meist geht es darum, sich auf irgendeiner Plattform zu registrieren, ein Onlinegame zu spielen oder an einer Umfrage teilzunehmen.
Ich bin motiviert. Schnappe mir gleich was Großes. The Grand Mafia heißt das Game. 110 Euro verspricht empfohlen.de für 140 Minuten Aufwand. Klingt vernünftig – außerdem steh ich auf so Mafia-Kram.
Nach nur wenigen Minuten ist The Grand Mafia auf meinem Smartphone installiert. Schon offenbart sich mir eine Szenerie, die an einen billigen Abklatsch von Grand Theft Auto San Andreas erinnert. Immerhin, ich fühle mich wieder deutlich jünger als Mitte 20. In der nächsten Szene stirbt auch schon der Vater des Hauptprotagonisten, erschossen von einer auffällig leicht bekleideten Frau. Warum sie das getan hat, bleibt mir schleierhaft, aber ich bin ja wegen dem Geld hier. „Du und ich, wir haben einen gemeinsamen Feind“, heißt es. Aha. Gott oder der Capofamiglia weiß warum, aber gut.
Der Einstieg ist einfach, sämtliche „Aufgaben“ erledigen sich quasi von alleine. Später im Spiel wird es aufwändiger, aber insgesamt überschaubar. Hier mal ein paar Waffen produzieren, Casinos überfallen, da mal wen umlegen. Hin und wieder darf ich mit einer Leichtbekleideten Blackjack spielen. Ich verliere meist, aber sie findet mich trotzdem super.
Mühsamer Beginn
Nach 40 Minuten Spielspaß bekomme ich eine Mail. Mein erster Lohn: 0,10 Euro hätte ich bereits verdient, jubelt mir die Nachricht zu. Im Mafia-Game hingegen werde ich auffällig oft gefragt, ob ich nicht ein paar echte Euros in meinen Charakter, diverse Items und Gadgets investieren möchte. Ständig blinkt’s und piept’s, ich werde mit Belohnungen überhäuft. Ich muss toll sein.
Meine Mafia-Begeisterung verfliegt mit der Zeit, nach den vereinbarten 140 Minuten wird mir ein Euro gutgeschrieben – statt 110. Leider hätte ich nicht die erwartete Performance geliefert.
Nun gut, vielleicht bin ich einfach nicht der geborene Mafioso. Ich probier’s mit einer Online-Umfrage – und damit einer Nummer kleiner. Für 30 Minuten Aufwand werden mir 1,50 Euro versprochen. Die Registrierung ist deutlich aufwändiger und beängstigend intim. Neben den üblichen Abfragen wie Name, Adresse, usw. will die Plattform unter anderem wissen, wie regelmäßig ich zum Arzt gehe, welche Medikamente ich nehme und ob bei mir oder meiner Familie chronische Krankheiten vorliegen. Ob des von mir verlangten Datenstrips bin ich etwas zögerlich, entschließe mich dann zu lügen – und mache weiter.
„MEGA-HUUUUGE JACKPOOOT!“
Die Aufgabe besteht darin, an einer Umfrage zum Thema Lebensgewohnheiten teilzunehmen. Wie oft man sein Smartphone benutzt, ob man ein Diensthandy besitzt und dergleichen. Aus datenschutzrechtlichen Erwägungen entschließe ich mich auch hier zu lügen und denke auch nicht, dass ich das Unternehmen mit meinem Beitrag sonderlich unterstützt habe. Aber: am Ende erhalte ich – wie versprochen – für ca. 30 Minuten Aufwand meine 1,50 Euro.
Damit habe ich jetzt Bock auf Brettspiele. Leider funktioniert die App nicht, also wage ich mich ins Casino. Dort warten Dutzende digitale Einarmige Banditen auf mich, die alle dasselbe anbieten, nur in unterschiedlichen Designs. 13 Euro werden mir versprochen, wenn ich es bis Level 120 schaffe. 60 Minuten sind dafür veranschlagt.
Das Spiel ist elendig fad. Ich drücke auf einen Button. Die Symbole drehen sich. Ich gewinne, oder auch nicht. Fürs Gewinnen bekomme ich Punkte, mit denen man in den Levels aufsteigt. Ehe ich wirklich weiß, was ich da tue, erreiche ich Level drei. Das Beste am Spiel ist die „Automatik-Funktion“: Ich lege mein Handy beiseite und die App spielt für mich. Nichts passiert, nur hin und wieder eskaliert mein Bildschirm. „MEGA-HUUUUGE JACKPOOOT!“ – es blinkt, es piept, es fetzt.
Anders als bei derlei Automaten üblich, gewinnt man sonderbarerweise fast immer. Man möchte fast vermuten, da steckt ein System dahinter. Dazwischen hagelt es Angebote, ob man nicht dies oder jenes noch aktivieren, zukaufen oder ausprobieren möchte. Gefühlt für jeden Atemzug bekomme ich eine Belohnung. Totale Reizüberflutung. Nach exakt 60 Minuten bin ich auf Level 51. Für die verbleibenden 69 Level fehlt mir die Kraft, meinem Handy der Akku. Ich breche vorzeitig ab, das heißt: 0 Euro.
2,50 Euro für dreieinhalb Stunden – und kein MacBook
Nach gut dreieinhalb Stunden habe ich 2,50 Euro verdient. Pointe: Eine Gewinnauszahlung ist erst ab 50 Euro möglich. Ich hänge meine Produkttester-Karriere damit offiziell an den Nagel. Ich habe weder Geld verdient, noch Spaß gehabt. Auch dem Unternehmen habe ich mit meiner Umfrage wohl nichts Gutes getan. Die freudestrahlende Publizistikstudierende aus dem Werbevideo hat wohl etwas geflunkert. Oder aber sie freut sich ernsthaft darüber, dass sie für ihr MacBook (gemäß meinem Stundensatz) mindestens 1.200 Stunden, also sieben Wochen, Apps testen und Onlineumfragen machen musste. So leicht ist das mit dem Geldverdienen und Spaß haben nämlich nicht.
Ausprobiat von Johannes Greß