Reichenberg/Lam/Peking. Die Olympischen Spiele 2022 in Peking (4. bis 20. Februar) stellen für viele ein zweischneidiges Schwert dar. Auf der einen Seite sind diese Wettkämpfe, die nur alle vier Jahre ausgetragen werden, das absolute Highlight für die (Winter-)Sportler. Es wird darauf hingearbeitet und hingefiebert, es werden ganze Lebensplanungen darauf ausgerichtet. Auf der anderen Seite stehen die Spiele in China in der Kritik: Weder ist Peking eine Wintersportregion, noch werden in der Volksrepublik die Menschenrechte geachtet. Hinzu kommt die weiter unklare Corona-Lage. Der Ruf nach Boykott bzw. Absage wurde deshalb laut – und wird wohl bis zum Erlöschen des olympischen Feuers nicht verstummen.

Durch gute Platzierungen bei der „Tour de Ski“ schaffte es der Lamer Albert Kuchler, kurzfristig noch auf den Olympia-Zug aufzuspringen. Der Langläufer ist einer von zwei Waidlern, der in Peking an den Start gehen darf. Foto: NordicFocus

Zwei, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen müssen, sind Aliah-Delia Eichinger und Albert Kuchler. Die Reichenbergerin (Gemeinde St. Oswald-Riedlhütte/ Landkreis FRG) und der Lamer (Landkreis Cham) sind die einzigen beiden Waidler, die im Februar in Asien um Medaillen kämpfen werden, nachdem Skisprung-Ass Severin Freund nicht nominiert worden ist. Erstgenannte hat eine klare Meinung in (sport-)politischer Hinsicht: „Dass die Spiele in Peking stattfinden, ist schlimm. Man kann einfach nicht nachvollziehen, warum dieser Austragungsort ausgewählt worden ist.“ Zwar seien die Stadien „mega“, doch die negativen Aspekte würden überwiegen: „Wir Sportler fahren da nicht gerne hin, tun es aber trotzdem, weil wir unser Leben lang auf Olympia hinarbeiten.“

Seit Wochen in Selbstisolation

Während die 20-Jährige klare Kante zeigt, äußert sich Albert Kuchler etwas neutraler: „Man macht sich natürlich seine Gedanken, was in dem Land, in das man reist, so Sache ist. Aber als Sportler ist es meine Aufgabe alles auszublenden, wenn der Wettkampf beginnt. Wir Athleten können sowieso nichts an der Situation ändern. Dafür sind andere Menschen da, deren Wort weitaus mehr Gewicht hat.“ In die Geschichte, soviel steht bereits jetzt fest, werden die Spiele ohnehin eingehen – wegen der Corona-Pandemie, die „normale“ Wettbewerbe praktisch unmöglich machen wird.

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Aliah-Delia Eichinger, 20, aus Reichersberg, Freestylerin, startet für den SV  St. Oswald. Foto: Team Deutschland / Frank May

Bereits seit einigen Wochen befinden sich Aliah-Delia Eichinger und Albert Kuchler in Selbstisolation. „Ich verlasse das Haus eigentlich nur zum Trainieren“, macht Albert Kuchler deutlich. Testungen gehören zum Alltag – wie essen und trinken. Die große Angst besteht nicht vor der Krankheit an sich, sondern vielmehr vor den Restriktionen im Falle einer bestätigen Ansteckung. „Positiv“ bedeutet nämlich nicht nur Quarantäne, sondern auch das Ende des großen Traumes einer Olympia-Teilnahme. „Das wäre mega-ärgerlich“, stellt die Reichenberger Freestylerin dazu fest. „Deshalb habe ich echt extrem Angst davor, Corona zu bekommen.“

Ab 4.2. heißt es: Alles ausblenden

Es werden also „andere“ Olympische Spiele in vielerlei Hinsicht. Auf den oft beschworenen Geist, der vor allem im Olympischen Dorf mit Händen greifbar sein soll, werden die Athleten wohl verzichten müssen. Wenigstens an der stimmungsvollen Eröffnungsfeier samt traditioneller Entzündung des Olympischen Feuers dürfen die beiden Waidler teilnehmen. Und dann, ab 4. Februar, heißt es: Alles, was nicht mit dem unmittelbaren Wettbewerb zu tun hat, muss ausgeblendet werden, um eine Topleistung abrufen zu können.

Albert Kuchler, 23, aus Lam, Langläufer, startet für die SpVgg Lam. Foto Team Deutschland / Frank May

„Hätte mir vor acht Wochen jemand gesagt, dass ich überhaupt in Peking mit dabei sein darf, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, blickt Langläufer Albert Kuchler, der sich im klassischen Bereich in dieser Saison am wohlsten fühlt, zurück. Eigentlich nur im Continentalcup, der „2. Liga“ unter dem Weltcup, eingeplant, überzeugte der 22-Jährige bei der Tour de Ski rund um den Jahreswechsel. Die DSV-interne Norm verpasste er zwar – wegen des Corona-bedingten kürzeren Quali-Zeitraums wurde er letztlich dennoch in den Olympia-Kader berufen. „Zwar vorerst mal nur als Ersatzmann, aber immerhin“, berichtet der Lamer. „Wie genau ich eingesetzt werde, steht noch nicht fest. Aber ich gehe davon aus, mal starten zu dürfen.“

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Top 15 „schwierig, aber machbar“

Während der Ausdauersportler also auch für ihn selbst völlig überraschend in Peking mit dabei sein darf, war die Teilnahme bei Aliah-Delia Eichinger, die seit Jahren als großes Talent in ihrer Sportart gilt, fast schon absehbar. Oder doch nicht? „Eigentlich hatte ich Olympia bereits abgeschrieben, weil ich mit einem 9. und einem 16. Platz die interne Vorgabe von einer Top-8- bzw. zwei Top-15-Platzierungen nicht erreicht habe“, erzählt sie. „Dass ich zu den besten 30 der Weltrangliste gehöre, war am Ende ausschlaggebend. Ich bin überglücklich.“ Noch „krasser“ wäre es nun, wenn sie am Tag der Tage auf einem der ersten 15 Plätze landen würde. „Das wird schwierig, ist aber machbar.“

Aliah-Delia Eichinger und Albert Kuchler wollen insgesamt dafür sorgen, dass Peking 2022 für sie und somit auch ihre Heimat, den Bayerischen Wald, in guter Erinnerung bleiben wird. „Ist alles vorbei, hat alles gut geklappt und bin ich gesund wieder Zuhause, dann können wir gerne auch a bissal feiern“, sagt die 20-Jährige. Und um nochmals auf die belastenden Themen einzugehen, ergänzt sie: „2026 finden die Olympischen Spiele dann in Italien statt. Dann steht hoffentlich wieder einzig und allein der Sport im Mittelpunkt.“

Helmut Weigerstorfer

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„Spiel mit dem Feuer – Wer braucht noch dieses Olympia?“ Am Montag, 31. Januar (20.15 Uhr), setzt sich die ARD-Dokumentation kritisch mit dem Olympischen Spielen in Peking auseinander. Bayerwald-Filmemacher Robert Grantner hat daran maßgeblich mitgewirkt. Zu Wort kommen u.a. Ex-Skistar Felix Neureuther, DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier, Bobfahrer Johannes Lochner, ein Whistleblower aus dem IOC sowie eine Uigurin, die in einem Lager zwangssterilisiert wurde.


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