Berlin. „Die Impfung ist nur abgeschlossen, wenn man dreimal geimpft wurde“, verkündete der erst vergangene Woche ins Amt beförderte neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Insbesondere vor der Coronavirus-Variante Omikron würde die dritte Impfung schützen. Ein Ratschlag, den sich auch Hog’n-Autorin Malin Schmidt-Ott, die nach Beendigung ihres Studiums von Passau nach Berlin weitergezogen ist, jüngst zu Herzen nahm. Im Folgenden schildert sie ihre Eindrücke von der Booster-Impfung in einem Impfzentrum der Bundeshauptstadt.
Es ist der Tag meiner dritten Impfung, der „Booster-Impfung„. Dass ich somit den offiziellen, vollen Impfschutz pünktlich zu Heiligabend habe, fällt mir erst beim Warten auf. Während die erste und zweite Impfung in der Praxis meines Berliner Hausarztes durchgeführt wurden, habe ich diesen dritten Termin online bei einem Impfzentrum vereinbart.
Wir Blauzettel rücken nach und nach auf
40 Minuten mit der S-Bahn, ein kurzer Fußweg, dann bin ich da. Draußen verschiedene kürzere Warteschlangen, Menschen jeglichen Alters stehen alleine oder mit Partner oder Freundin an. Die meisten halten einen Impfausweis in der Hand. Viele außerdem ihr Handy oder ausgefüllte Anamnesebögen. Auch ich habe die Dokumente gestern Abend noch ausgedruckt und ausgefüllt. Ja, dritte Impfung, ja, Biontech, nein, ich bin nicht schwanger – und Allergien habe ich auch keine. Die Daten der Erst- und Zweitimpfung muss ich nachschauen.
Den QR-Code, den ich bei der Bestätigung meines Termins per E-Mail erhalten habe, brauche man nicht mehr. Eine der vielen Helferinnen winkt mich zu sich. Sie trägt eine Jacke der Malteser und möchte wissen, zum wievielten Mal ich geimpft werde und ob ich unter 30 Jahre alt sei. Ich bekomme eine blaue Karte, die mir bei der nächsten Station – „Beim Kollegen mit der grünen Mütze“ – wieder abgenommen wird. Man schleust mich an einer Reihe Wartender vorbei. Aufgrund der roten Zettel in ihrer Hand vermute ich, dass sie einen anderen Impfstoff erhalten.
Ich werde in das Gebäude geführt und gebeten, meine Hände zu desinfizieren. Die Mitarbeitenden hier tragen gelbe Warnwesten. Niemand will meine Dokumente sehen, dafür bekomme ich einen hellblauen Zettel und soll einen der abgesperrten Gänge der großen Messehalle betreten. An einer Wand steht eine Reihe Stühle. Wir „Blauzettel“ rücken nach und nach auf. Im durch ein Band abgetrennten Bereich vor mir sitzen Wartende mit hellroten Zetteln. Sie sind alle älter und gehören vermutlich zu den „Ü30-Impflingen“, die einen anderen Impfstoff erhalten.
Alles erscheint wuselig und doch geplant
Die nächste Helferin, deren blaue Haare die gleiche Farbe haben wie ihre Weste, will mir einen Kugelschreiber anbieten. Als sie jedoch den ausgefüllten Zettel in meiner Hand sieht, nickt sie und weist auf einen Stuhl. Ich beobachte sie und die Menschen um sie herum. Die Helfenden sind ständig in Bewegung, winken Menschen von A nach B, alles erscheint wuselig und doch geplant. Auf ihren Westen steht „Wir helfen Berlin“. Um mich herum werden Zettel ausgefüllt, einige der Impf-Anwärter haben ein Buch dabei, andere tippen auf ihrem Handy herum. Nach einer Viertelstunde werde ich an einen der quer verlaufenden Schalter gebeten, hinter dessen Plastikscheibe ein Mann in Militär-Uniform sitzt. Ich gebe ihm meinen Impfausweis und die Unterlagen, ebenfalls meinen Personalausweis.
„Sie möchten geimpft werden?“ Er blickt mich an. „Ja“, sage ich verwundert. „Na, dann mache ich hier mal ein Kreuz“. Ups, das hab ich wohl vergessen. Mein Blick fällt auf das Namensschild an seiner Jacke. Der Name ähnelt dem Nachnamen meiner Großeltern. Unter dem gemusterten Ärmel seiner Uniform schaut ein großes Tattoo hervor. Er ist groß und kräftig gebaut. „Und die Impftermine fehlen auch – Mann, oh Mann!“ Grinsend schüttelt er den Kopf. „Ach ja, die wollte ich noch eintragen.“ – „Ja, ja, ja!“ Er wirkt trotz seiner Größe und der Uniform sanft und freundlich, tippt die Personalausweisnummer ein. Dann werde ich in den nächsten Wartebereich gebeten.
Der Helfer, der die Menschen Reihe für Reihe durchwinkt und auf wieder neue Stühle verteilt, wirkt unruhig und etwas zappelig. Kein Wunder, schließlich sorgt er dafür, dass es stetig weitergehen muss. Während ich auf die vorletzte Station, eine Reihe Stühle vor den Impfkabinen, warte, fällt mein Blick auf die übergroße Spritze, die als Sticker an der Wand hängt. Das Icon, deren Nadel bedrohlich groß aussieht, wirkt sicherlich nicht besonders beruhigend auf jemanden, der Angst vor Spritzen hat…
Aha, der wird mich also nicht piksen
Durch die einzelnen Gänge, Kabinen, Helferinnen in Westen und Uniformen, die Hinweise auf Maskenpflicht, Erste-Hilfe-Stationen und die Wartebereiche vergisst man, dass man sich in einer Messehalle befindet. Und dass hier eigentlich Konzerte stattfinden oder gemeinsam gefeiert wird. Doch auch, wenn der Auslöser, eine potenziell tödliche Krankheit, wegen der die Anwesenden hier sind, nicht verharmlost werden sollte, stellt sich dennoch ein Gefühl von Optimismus ein. Wir sind alle hier, um gegen diese Pandemie anzugehen. Wir haben die Entscheidung getroffen, uns nicht „querzustellen“.
Mittlerweile sitze ich vor den Impfkabinen und werde nach kurzer Zeit von einem Mann in Militär-Uniform hereingebeten. „An den Haken hängen Sie bitte alles, was den Arzt gleich beim Impfen stören könnte.“ Aha, der wird mich also nicht piksen. Dafür kontrolliert er Unterlagen, Impfausweis und vergewissert sich, dass dies die dritte Impfung ist. Der Arzt, der nun hereinkommt, möchte wissen, ob bei den ersten Impfungen Nebenwirkungen aufgetreten seien und ob ich Fragen habe. Er klärt mich zudem über mögliche Nebenwirkungen (Kopf- und Armschmerzen, erhöhte Temperatur und Müdigkeit) auf.
Die Impfung selbst merke ich kaum. Ein weitaus größerer Akt ist es, meinen Arm wieder in den Ärmel meines Thermo-Shirts zu stopfen. Vielleicht nicht die klügste Kleiderwahl zum Impfen, andererseits hatte man mich gewarnt, ich solle mit bis zu zwei Stunden Wartezeit in der Kälte rechnen. Glücklicherweise ging es ja weitaus schneller – und draußen musste ich auch kaum anstehen. Nach der Impfung kann man sich im Wartebereich ausruhen oder das Gebäude direkt verlassen. Ich entscheide mich gegen die Aktivierung des Impfzertifikats vor Ort – es dauere momentan etwa 50 Minuten und man empfehle den Gang in eine Apotheke.
Damit zügig viele Menschen geimpft werden können
Hätte man diesen Artikel vor drei, sogar noch vor zwei Jahren verfasst, hätten die meisten wohl den Kopf geschüttelt, so absurd wirkt die gesamte Prozedur. Im Dezember 2021 hingegen bin ich froh, dass alle Abläufe – so kompliziert und umständlich sie auch wirken mögen – im Endeffekt schnelle und doch organisierte Abläufe ermöglichen, damit zügig viele Menschen geimpft werden können, um sich und andere zu schützen.
Malin Schmidt-Ott