Hinterschmiding. Timo Brandl ist frischgebackener Deutscher Meister im Juniorenbereich (U 17). Wäre er Fußballer, würden wohl allein aufgrund dieses Titels solvente Interessenten von Profivereinen schon Schlange stehen. Erste, lukrative Vorverträge wären wohl bereits unterschrieben – entsprechende Prämien bereits auf dem Konto eingegangen. Der 15-jährige Hinterschmidinger ist aber nicht Teil der „Geldruckmaschine“ Fußball, sondern in der sportlichen Nische beheimatet: Als talentierter Mountainbiker, dessen Trainer Josef Vogl überzeugt ist, dass er es in den Weltcup schaffen kann, fristet Timo Brandl eher ein Leben abseits der Schlagzeilen – und kann damit gut leben.

Nicht auf Asphalt, sondern über Stock und Stein: Timo Brandl in Action. Fotos: Brandl

Das einzige, was für den jungen Burschen zählt, ist sein Mountainbike und die Zeit, die er damit verbringen kann. Im Gegensatz zu vielen Gleichaltrigen liebt es Timo Brandl geradezu, sich so richtig zu schinden. Denn als Ausdauersportler ist der berühmt-berüchtigte innere Schweinehund sein täglicher Wegbegleiter, den es in schöner Regelmäßigkeit zu überwinden gilt. Seine größte Leidenschaft ist nicht die Spielekonsole, sondern die Wegstrecke rund um den Haidel. Dort ist der Hinterschmidinger fünfmal wöchentlich unterwegs, wenn Trainingseinheiten auf dem Plan stehen. „Ich trainiere eigentlich immer alleine und fahre einfach von Zuhause weg“, beschreibt der 15-Jährige im Hog’n-Gespräch seine einsamen Kämpfe auf zwei Rädern mit sich selbst.

„Es gibt keinen Tag, an dem ich keine Lust habe

Eineinhalb Stunden – am Wochenende gerne auch mal eine Stunde länger – dauert eine derartige Tour. Wird ausschließlich Ausdauer gebolzt, geht es mit erträglichem Puls über die Distanz. Stehen Intervalle an, geht’s immer wieder an die Grenzen der körperlichen (Leidens-)Fähigkeit – und darüber hinaus. Das Verwunderliche daran: „Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem ich keine Lust dazu habe“. Im Gegenteil. „Bei Timo besteht die Gefahr, dass er mehr macht, als er muss. Wichtig ist aber, dass er sich nicht übernimmt. Denn dann verliert er irgendwann einmal den Spaß an der Sache“, weiß Trainer Josef Vogl.

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Trainer Josef Vogl bescheinigt dem 15-Jährigen ein großes Talent, aber auch den nötigen Ehrgeiz.

Der 59-Jährige ist in sportlicher Hinsicht einer der wichtigsten Ansprechpartner des Moutainbike-Talents. Und es ist auf eine gewisse Weise bezeichnend, dass der Coach eines potenziellen Weltcup-Teilnehmers ehrenamtlich agiert – als Mitglied beim RSV Grafenau, bei dem Timo Brandl seine Karriere begonnen hat. Inzwischen gehört der Nachwuchssportler den „KTM Youngsters Bayern“ an, einer Art Auswahlteam.

Idealismus ist das Schlüsselwort

Seine Trainingspläne bekommt er trotzdem noch immer vom selben Coach wie zu Beginn seiner Karriere zugesteckt – und das unentgeltlich. „Ich könnte es mir einfach machen und gewisse Inhalte immer wieder kopieren“, berichtet Josef Vogl, der sich sein Wissen autodidaktisch sowie durch die Teilnahme an entsprechenden Seminaren angeeignet hat. Doch dann wäre er der falsche Mann am falschen Ort zur falschen Zeit.

Idealismus ist das Schlüsselwort bei der Talentförderung im Radsport – egal, ob offroad oder on the road. „Mein Anspruch ist es, jedem meiner fünf Schützlinge jedes Monat einen individuellen Trainingsplan an die Hand zu geben. Immerhin hat jeder andere Bedürfnisse. Und da macht es mir auch nix aus, dass ich pro Konzept bis zu zwei Stunden Ausarbeitungszeit brauche.“ Mühen, die sich auszahlen. Einerseits, weil der Gymnasiast den Aufwand in Form von Ehrgeiz und seinem beinahe schon überkorrektem Erfüllen der Vorgaben zurückzahlt. Andererseits, weil seine Erfolge inzwischen für sich sprechen.

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Das große Vorbild hat auch noch den gleichen Nachnamen

Wettbewerbe in ganz Deutschland und im angrenzenden Ausland gehören inzwischen zu seinem Alltag. Bis zu 20 Rennen stehen pro Jahr an. Seine bisherigen Erfolge: die Deutsche Juniorenmeisterschaft, die Teilnahme an der Europameisterschaft sowie diverse Einladungen zu Bundesnachwuchssichtungen. Auf diese Art und Weise wurde auch das Team „KTM Youngsters Bayern“ auf ihn aufmerksam. Die Aufnahme in diese Auswahl ist für das Talent – und insbesondere für seine Eltern – eine große Entlastung. „Dort wird mir die Grundausstattung wie das Rad oder die Kleidung zur Verfügung gestellt“, erzählt Timo Brandl. „Was die Finanzierung meines Hobbys betrifft also eine enorme Erleichterung.“

Für den Hinterschmidinger ist der oberste Platz auf dem Stockerl inzwischen keine Seltenheit mehr.

Der Weg nach oben ist – auch und vor allem in Nischensportarten – neben Trainingsfleiß und Willenskraft natürlich immer eine Frage des Talents. Aber auch des Durchhaltevermögens – moralisch wie finanziell. Da ist es freilich eine besondere Motivation, wenn Szene-Größen wie Max Brandl, der zufälligerweise den gleichen Nachnamen wie Timo hat, ihn bei gelegentlichen Treffen auf den Mountainbike-Strecken Europas erkennt und sogar anspricht. „Er ist mein absolutes Vorbild“, schwärmt der Hinterschmidinger. „Und dann ist es für mich natürlich eine Ehre, wenn er weiß, wie ich heiße – und sogar mit mir redet.“ Wenn es um den Umgang mit ihren Idolen geht, sind sie halt dann doch alle gleich – die jungen Fußballer und die jungen Mountainbiker.

Helmut Weigerstorfer


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