Aktuelle Zahlen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau stimmen Hog’n-Autorin Sabine Simon genauso nachdenklich wie ihren Kollegen Helmut Weigerstorfer: Die Inzidenz liegt über 800 (Stand: 11. November 2021), wöchentlich kommen rund 500 Neu-Infizierte dazu, das Krankenhaus füllt sich erneut rasant mit Covid-Patienten. In einem Aspekt unterscheiden sich die Meinungen der beiden Redakteure jedoch grundlegend: Wenn es ums Thema Impfen geht. Denn Sabine Simon findet: Impfen ist keine persönliche Entscheidung, sondern eine gesellschaftliche. Und sie ärgert sich: Über den Wert von 56,3 Prozent. Das ist nämlich die aktuelle Impfquote im Landkreis FRG. Ein Kommentar.
Mit Meinungen, warum man Impfverweigerer nicht angreifen oder kritisieren dürfe, warum impfen eine persönliche Entscheidung bleiben müsse, sehe ich mich aktuell ständig konfrontiert in den sozialen Medien. Die Gegenmeinung, nämlich dass wir einfach eine höhere Impfquote brauchen und es deshalb eben nicht nur eine persönliche Sache ist, ob man sich impfen lässt oder nicht, lese ich im Netz dagegen eher selten. Allerdings nicht, weil es diesen Standpunkt nicht gibt. Sondern weil die Leute, die ihn vertreten, nicht so laut gegen 2G, Impfzwang und ähnliches schimpfen. Die Mehrheit der Deutschen befürwortet sogar eine Impfpflicht.
Es geht nicht ums persönliche Risiko, sondern ums gesellschaftliche
Ich frage mich: Warum musste es so weit kommen, dass man überlegt Leute zu zwingen – und es andererseits nicht schafft, sie von der Impfung zu überzeugen? Meine Meinung und meine Argumente sind klar: Impfen könnte uns weiterhelfen. Aber nur, wenn (fast) alle mitmachen! Wenn bei der Impfung weiterhin jeder nur das ganz persönliche Risiko einer Corona-Erkrankung abwägt und nie an das gesellschaftliche Risiko dieses Virus denkt (bzw. es versteht), dann wird uns die Impfung keinen Schritt weiterbringen. Wir stürzen vielmehr in den nächsten Wochen in eine Situation, wie sie bisher in dieser Pandemie nur aus anderen Ländern bekannt ist.
Ja, Corona ist für 98 Prozent der Bevölkerung weder lebensgefährlich noch bringt das Virus den Großteil der Menschen ins Krankenhaus. Covid ist keine gefährliche Krankheit für jeden Einzelnen von uns. Covid ist aber richtig gefährlich für uns als Gesellschaft! Eigentlich kann es sich jeder ausrechnen: Bei Inzidenzen um die 1.000 bedeutet das für jedes kleinere Krankenhaus mindestens ein Duzend neue Patienten pro Woche. Und die bleiben dann auch eine Weile. Dass unser Gesundheitssystem nicht darauf vorbereitet bzw. ausgelegt sein kann, sollte eigentlich klar sein…
Mich persönlich macht es wütend, dass wir auf eine Situation wie in Portugal Anfang 2021 zusteuern: Auf Krankenwagenschlangen vor den Kliniken, auf volle Intensivstationen, auf erneute Schulschließungen und so vieles mehr. Aber anscheinend verstehen es sehr viele erst dann, wenn man es tatsächlich so weit kommen lässt. Das heißt, wenn man uns in diesem Winter keine Kontaktbeschränkungen und keinen Lockdown mehr „zumutet“. Auf beides hätten wir verzichten können – wenn wir rechtzeitig genug Geimpfte gehabt hätten…
Zusammenspiel aus niedriger Inzidenz und hoher Impfquote nötig
Impfungen waren noch nie in ihrer langen Geschichte ein Wundermittel, mit dem man Krankheiten von heute auf morgen verschwinden lassen konnte. Eine Impfung kann das Ansteckungsrisiko nie komplett ausschalten, sie kann es nur senken. Deshalb kann die Impfung das Infektionsgeschehen nur dann positiv beeinflussen, wenn sich möglichst ALLE impfen lassen. Das wurde von der Wissenschaft von Anfang an so kommuniziert: Wir brauchen über 80 Prozent Impfquote!
Dass es Impfdurchbrüche gibt, heißt nicht, dass die Impfung nicht wirkt. Aber es braucht eben die große Masse an Geimpften, um das Ansteckungsrisiko dadurch in der gesamten Gesellschaft zu senken. Denn der Impfstoff senkt bei jedem Einzelnen das Ansteckungsrisiko nur um einen gewissen Grad – in der großen Masse summiert sich das Ganze dann zu genügend Schutz, um Wellen zu brechen. Gäbe es dagegen das Impf-Wundermittel mit 100 Prozent Wirksamkeit, würde es reichen, nur diejenigen zu impfen, die ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben.
Erst wenn so viele geimpft sind, dass dadurch das Infektionsgeschehen signifikant nach unten geht, hat die Impfung den Effekt, den sich alle wünschen: Dass wir auf sämtliche Maßnahmen verzichten können und trotzdem keine neue Welle entsteht. Es ist das Zusammenspiel aus niedriger Inzidenz und sehr hoher Impfquote, die uns ein sorgenfreies Leben bescheren würde: Denn in dieser Situation wäre es für jeden Einzelnen sehr unwahrscheinlich, sich anzustecken. Momentan haben wir das Gegenteil: Auch Geimpfte können das Infektionsgeschehen vorantreiben, wenn auch weniger als Ungeimpfte. Für sie persönlich ist das Krankheitsrisiko gering, aber ebenfalls da. Und wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, sich anzustecken, ist eben auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es jemanden erwischt, den die Impfung gar nicht schützt, weil sie bei ihm nicht angesprochen hat.
Wenn eine Zecke mich beißt, betrifft das nur mich
Ich persönlich habe in den vergangenen Jahren eigentlich nie an mein persönliches Risiko gedacht, hatte nie Angst vor einer Ansteckung für mich selbst. Ich habe trotzdem alles gemacht, damit ich nicht dazu beitrage, dass das Virus sich rasant ausbreitet und dadurch zu viele andere in Gefahr bringt. Genauso war es bei der Impfung: Hätte ich rein mein persönliches Risiko gesehen, schwer an Covid zu erkranken, hätte ich auf den Piks verzichten können. Genauso wie ich auf den Zecken-Piks bisher verzichtet habe, weil ich in meinen gesamten Leben bisher eine einzige Zecke hatte. Aber Corona ist nicht Hirnhautentzündung: Wenn eine Zecke mich beißt, betrifft das nur mich. Wenn Corona mich erwischt, stecke ich im schlimmsten Fall viele andere an.
Daher mein ganz persönlicher Appell an alle, die bisher ungeimpft geblieben sind: Denkt noch einmal über das Risiko von schweren Impfnebenwirkungen nach. Kann es tatsächlich so hoch sein, bei mittlerweile weltweit über 7,3 Milliarden (!) verabreichten Dosen in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren? Ist es tatsächlich so wahrscheinlich, dass die große Mehrheit der Wissenschaftler und der Pharmakonzerne nur ans Geld denkt?
Länder wie Portugal und Spanien haben die Wucht des Coronavirus erlebt. Hier gibt es mittlerweile sehr hohe Impfquoten über 80 Prozent. Müssen wir wirklich erst durch so eine Extrem-Welle hindurch, damit die Impfverweigerer „aufwachen“ (um deren eigenes Lieblingswort hier noch zu zitieren)? Oder schaffen wir vorher die nötige Impfquote?
Kommentar: Sabine Simon
Hallo Sabine, du sprichst mir aus der Seele. Genau so empfinde ich diese Situation. Wo ist die Solidarität? Warum fühlen sich bei der Impfung alle so vom Staat bevormundet? Auf der Straße muss ich mich auch an Geschwindigkeitsregeln halten. Eine Gesellschaft funktioniert nun mal nur mit Regeln. Warum nicht bei der Gesundheit. Das höchste Gut das wir haben. Bleiben Sie gesund!
Liebe Sabine,
großen Respekt für deine klaren Worte, für deinen unmissverständlich klaren, eindringlichen, beinahe flehenden Appell!
Ich unterstütze das aus ganzem Herzen!
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Ich teile deine Wut, ich möchte schreien und beinahe verzweifen angesichts von Meldungen, die beschreiben, wie selbst betreute Intensivpatienten in ihrer wahnhaften Verbohrtheit das „eigene“ Pflegepersonal beschimpfen.
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ergänzend ein O-Ton aus der Pflege:
„… noch nicht mal mehr Klatschen für die geleistete Arbeit …“
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Was ist das für eine Gesellschaft?
Es gibt wohl nur noch Ich´s und Ich´s und nochmal Ich´s …
wie armselig, was sich eine hochentwickelte Spezies da leistet!
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… und doch bleibt uns nur die Hoffnung und das beständige Gegensteuern, das Appellieren an Vernunft, das Arbeiten an einem fruchtvollen Miteinander, das Überspringen der eigenen Grenzen in der Arbeit für ein „mehr und besser als das“.
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Bleibt kraftvoll, bleibt zuversichtlich, bleibt beständig, bleibt kämpferisch …
es sind die Sätze, die ich mir täglich selbst predige.
Herzliche Grüße an alle, bleibt (auch im Kopf) gesund!
Peter