Mauth. Wenn jemand „Zeitlang“ hat, dann hat er ein starkes Verlangen nach etwas oder jemandem, das bzw. der gerade nicht da ist. Der Begriff ist gleichzusetzen mit dem Wort „Sehnsucht“. Manchmal auch mit „Langeweile“. Zwei Zustände des menschlichen Daseins, die Sebastian Hackl (35) und Thomas Graf (33) alias „Tom & Basti“ in ihrem neuen Album „Zeitlang“ verarbeitet haben.

„Megalang“ haben Thomas Graf (links) und Sebastian Hackl gebraucht fürs neue Album, „weil wir die Zeit hatten – das einzig Gute an Corona“. Fotos: Martin Waldbauer
Gut zweieinhalb Jahre liegt „ausg’schmatzt„, das letzte Werk der beiden Ausnahme-Volksmusikanten aus dem Bayerischen Wald, nun zurück. Die mit Corona einhergehende Zwangspause hat es rund um das Duo – wie bei so vielen Künstlern – still werden lassen. Es war keine einfache Phase. Ungewissheit, Unsicherheit und auch eine Art Hilflosigkeit machten sich breit in der Kultur-Szene. Der Wunsch, wieder vor Publikum auftreten zu können, wuchs stetig. So auch bei Tom & Basti, die die Zeit nutzten, um ihr neues Album samt Bühnenprogramm auf die Beine zu stellen. Das Ergebnis: 14 Lieder, aufgenommen im Ton-Studio von Ex-Landluft-Schlagzeuger Maxi Maier.
Die Nervosität ist groß
„Unser Anspruch war es, dieses Mal so viele Stücke wie möglich selbst zu schreiben“, sagt Sebastian Hackl. Unterstützung haben sie dabei vom Wiener Autor und Liedermacher Helmut Emmersberger bekommen, den sie über die BR-Brettl-Spitzen kennengelernt haben. „Er hat uns durch unsere Gedanken hindurch manövriert, um sie zu Papier zu bringen.“
Die Vorpremiere des dazugehörigen, rund zweistündigen Bühnenprogramms findet standesgemäß auf heimischem Geläuf, im Mauther Gasthaus Fuchs, statt. Das hat Tradition. „Die Mauth’ler sind für uns immer das härteste Publikum“, weiß Basti zu berichten. „Sie wissen, wer wir sind – da können wir uns nicht verstellen.“ Und ja, die Nervosität ist groß, größer als sonst, weil es dieses mal eben ausschließlich Eigenkompositionen sind, die die beiden zum Besten geben. „Wir wissen von keinem einzigen Stück, ob es funktioniert.“ Gleiches gilt für die Kalauer zwischen den Liedern. „Man kann mit Lachern rechnen, aber sicher ist’s freilich nicht“, beteuert der 35-jährige Blondschopf, der im folgenden Interview näher auf „Zeitlang“ eingeht, die weiterhin bestehende Corona-Lage kritisiert und Spezl Max Grünzinger als bayerisches Original beschreibt. Und zum G’winga gibt’s am End aa no wos…
„Corona haben wir komplett ausgeblendet“
Basti: Warum habt ihr Euch für den Titel „Zeitlang“ entschieden?
Zum einen deswegen, weil das neue Album in der Corona-Zeit entstanden ist. Wir haben uns viele Gedanken gemacht und wollten das Ganze diesmal mit Konzept angehen. Am Ende haben wir uns für das Thema Dorf und all das, was das Leben in diesem Mikrokosmos betrifft, entschieden. Zum anderen wollten wir mit den gängigen Klischees, wie sich die Stadtmenschen das Leben auf dem Lande wohl vorstellen, etwas aufräumen. Der Grundgedanke war dabei, dass die Zeit auf dem Dorf sehr lange werden kann. Dass man eben schnell Zeitlang bekommt nach einer besseren Zeit – ob diese in der Vergangenheit liegt oder erst noch kommen wird, haben wir dabei offen gelassen.
Handelt es sich um ein eher typisches Tom-und-Basti-Album – oder um ganz was Neues?
In seiner Art ist es typisch für uns – wer uns kennt, wird das auch gleich merken. Wir haben – wie immer – versucht, das Ganze mit viel Humor zu betrachten. Und wir haben Corona komplett ausgeblendet, weil die Leute ohnehin nichts mehr davon wissen wollen, wenn denn die Pandemie erst einmal vorbei ist. Das Programm soll ja auch länger Bestand haben. Und wir auch (lacht).
Das CD-Cover ist in schwarz-weiß gehalten und zeigt zwei Buben, die sich an einem Zigaretten-Automaten zu schaffen machen. Wie kam’s zu dieser Idee?
Beim Cover hatten wir gewisse Ansprüche (lacht). Die Idee dahinter haben wir uns gemeinsam mit dem Fotografen Martin Waldbauer überlegt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir den Mikrokosmos ‚Dorf‘ in Kombination mit dem Begriff ‚Zeitlang‘ am besten verbildlichen können. Es sollte auch einen Kontrapunkt zu den klassischen Volksmusik-Covern darstellen, sprich: mit den Instrumenten vor irgendeiner kitschigen Landschaft posierend. Ich wollte etwas, das provoziert, insbesondere auch in der Volksmusik-Szene – und da gehört ja eh nicht so viel dazu, wenn man etwa LaBrassBanda betrachtet, die einfach nur mit nackten Füßen auftreten müssen…
Zum Schluss hat jedenfalls eine unserer Kindheitserinnerungen das Rennen gemacht: zwei Dorfbuben, die Schabernack im Kopf haben – und schöner kann man’s eigentlich nicht darstellen, dass die Zeit in einem Dorf manchmal ganz schön lang werden kann. Noch dazu haftet Tom und mir schon immer ein gewisses Lausbuben-Image an, obwohl wir ja nun doch schon auf den 40er zusteuern (lacht).
„Wir bräuchten schlichtweg klarere Ansagen“
Ihr werdet mit Eurem neuen Bühnenprogramm auf Tour gehen – welche Erwartungen habt ihr ans Publikum? Werden sie „kulturhungrigerweise“ in Massen kommen? Oder werden sie sich corona-bedingt zögernd zurückhaltend geben?
Wir sind aktuell mit dem Vorgänger-Programm unterwegs, da wir noch einige aufgrund von Corona verschobene Termine nachholen wollen. Es ist von Region zu Region total unterschiedlich. In Augsburg mit den Brettl-Spitzen hatten wir 700 Leute – und einen Tag später mussten wir absagen, weil nur sieben Karten verkauft worden sind. Ich denke, die Politik hat das ganz geschickt gemacht. Sie ist fein raus, denn: Mit der 3G-plus-Regelung wälzen sie die Verantwortung wieder ab auf den kleinstmöglichen Nenner, sprich: die Veranstalter bzw. die Künstler selbst.
Aktuell gibt’s ja drei Möglichkeiten: 2G, 3G oder 3G-plus – wobei letzteres im Endeffekt ja auch 2G entspricht, denn wer macht schon extra für ein Konzert einen teuren PCR-Test? Ich würd’s nicht machen – wobei ich als Geimpfter ja eh keinen Test brauche. Ich verstehe aber auch jeden, der sagt: Er will sich nicht impfen lassen. Das ist mein Verständnis von Freiheit.
Bei der 3G-Lösung mit einem Schnelltest gibt’s dann zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt die Menschen die Masken aufsetzen, dann kann man den Saal ausverkaufen – doch die Leute dürfen die Maske nicht abnehmen, während sie sich im Gebäude befinden. Oder man hält die Abstände zwischen den Leuten ein, dann dürfen sie zumindest die Masken am Platz abnehmen. Was wiederum für uns bedeutet, dass wir nur in etwa die Hälfte der möglichen Saalplätze verkaufen dürfen.
Für welche Variante habt ihr Euch entschieden?
Wir wollen niemanden ausschließen und wollen, dass unser Publikum die Maske während unseres Auftritts abnehmen darf. Daher sind unsere Konzerte nicht wirklich ausverkauft. Im Endeffekt sind wir es, die das politische Unvermögen zu bezahlen haben. Sie machen es sich leicht, denn sie sagen ja: Ihr dürft auftreten! Nur die Folgen für uns als Künstler sind da meiner Meinung nach außer Acht gelassen worden.
Da schwingt schon auch a bissal Wut mit, oder?
Natürlich. Es ist jetzt nicht so, dass man das auf die leichte Schulter nehmen kann. Gewisse Maßnahmen während des ersten Lockdowns hat jeder von uns Künstlern eingesehen und nachvollziehen können. Es ging in dieser Zeit einfach nicht anders. Doch wenn man mehr als ein Jahr später immer noch keine klare Ansage hat, wie gewisse Dinge geregelt werden müssen, fühlt man sich dann doch ein klein bisschen… (überlegt)… verarscht. Wir sollten nicht verantwortlich gemacht werden, sondern bräuchten schlichtweg klarere Ansagen. Wenn die Politik 2G eingeführt hätte, würden wir höchstwahrscheinlich generell vor leeren Sälen stehen…
„Viele haben sich einfach hilflos gefühlt“
Wie seid ihr grundsätzlich durch die Corona-Zeit bis dato hindurch gekommen?
Wir hatten davor zwölf gute Jahre, konnten gut wirtschaften – und haben von unseren Rücklagen, sprich: von der Altersvorsorge, gelebt. Ein paar staatliche Hilfen haben wir bekommen, doch es dauerte sehr lange, bis diese bei uns gegriffen haben. Wenn es jetzt so weitergeht, wollen wir uns dennoch nicht beschweren.
Mein Problem war eher persönlicher Natur: Ich wollte gar keine Hilfen. Denn wir sind ja nicht arbeitslos im klassischen Sinne gewesen. Wir hatten einen gut laufenden Betrieb – und ich wollte mir mein Geld verdienen, wollte es nicht ‚geschenkt‘ bekommen. Doch wir sind in eine Lage gekommen, in der wir als eine Art Bittsteller auftreten sollten. Viele Künstler – wie glücklicherweise nicht – mussten Hartz IV beantragen. Das war schon ein kleiner Schock. Denn jeder hat bis dahin ja sein geregeltes Leben geführt. Niemand hatte sich etwas zu schulden kommen lassen – und musste den Gang ins Hartz IV antreten, um überleben zu können. Viele haben sich einfach hilflos gefühlt.
Kommen wir nochmal zurück zu Eurem neuen Album und dem neuen Bühnenprogramm. Ihr habt auch Max Grünzinger zur bevorstehenden Premiere eingeladen – wird er denn vorbeischauen?

„Max ist kein künstlicher Bayer, der seinen Heimatstolz ständig an die große Glocke hängen muss.“ Foto: Hog’n-Archiv
Den Max kennen wir schon sehr lange. Meine Oma hatte neben ihm gewohnt. Wir sind sogar weitgeschichtlich verwandt. Doch leider treffen wir uns nicht mehr so häufig wie früher. Der Max ist, wie er ist – ein brutal netter Typ. Ich denke, er steht für ein aktuelles, gesellschaftliches Phänomen: Nämlich dafür, dass sich viele Menschen wieder nach mehr Einfachheit sehnen. Nach weniger Konsum, nach einem Zufriedensein mit dem, was man hat. Auch nach Authentizität. Max ist kein künstlicher Bayer, der seinen Heimatstolz ständig an die große Glocke hängen muss, sondern er ist einfach ein Bayer, der sich nicht verstellt.
Das verhält sich bei Dir und Tom ja ähnlich, oder?
Grundsätzlich ja. Bei den Konzerten spielen wir freilich auch eine gewisse Rolle auf der Bühne. Der Max würde das vermutlich nicht so machen. Deshalb ist er auch kein Künstler geworden. Obwohl auch wir bereits zu ihm gesagt haben, er müsste unbedingt mal etwas auf die Bühne bringen. Doch er möchte das nicht – und das ist völlig in Ordnung so. Dass wir uns gegenseitig ins Rampenlicht pushen, das würde unserer Beziehung keinesfalls gerecht werden. Dafür sind wir zu gut befreundet.
„Befinden uns in einer musikalischen Luxus-Situation“
Zum Schluss: Was wünschst Du Dir persönlich für die kommenden Monate und Jahre?
Ganz einfach: Dass wir spielen und auftreten können. Dass das neue Programm bei den Leuten gut ankommt und dass wir weitermachen dürfen mit dem, was wir tun und uns Freude bereitet. Tom und ich befinden uns ja ohnehin in einer musikalischen Luxus-Situation, in der die Menschen uns zuhören wollen. Aber das kann sich ja auch schnell mal ändern…
Wir sagen danke fürs Gespräch – und wünschen Euch beiden weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer
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Gewinnspiel: Euer Onlinemagazin da Hog’n verlost drei Exemplare des neuen Tom-und-Basti-Albums unter seinen Lesern. Alles, was ihr dafür machen müsst: Schreibt eine E-Mail mit dem Betreff „Zeitlang“ sowie Euren Kontaktdaten an info@hogn.de. Einsendeschluss ist Freitag, 29. November 2021. Die drei CD-Gewinner werden an diesem Tag (um 11.30 Uhr) hier bekannt gegeben. –> Freuen dürfen sich Ferdinand Weinbacher aus Viechtach, Teresa Hackinger aus Neuschönau und Manuela Lang aus Salzweg. Herzlichen Glückwunsch!