Niedernhausen. Es ist günstig, unverbindlich und nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie eine beliebte Art des Reisens: Camping. Egal, ob mit dem eigenen Bus oder einem gemieteten Wohnmobil oder Anhänger – die Flexibilität und die Nähe zur Natur zieht Jahr für Jahr Tausende auf die Campingplätze. Vor allem im Sommer, wenn die Abende warm und hell sind, bietet jene Reiseform nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.

Egal, ob in Deutschland oder im Ausland, mit oder ohne Kinder, am See oder im Wald: für jede Vorliebe findet sich ein geeigneter Platz. Und gerade in den letzten zwei Jahren, in denen die Planung von (Fern-)Reisen durch die weltweite Pandemie erschwert wurde, rettete der Campingurlaub wohl den ein oder anderen Urlaub…
Vom BKA zum Klimaschützer
Die Nähe zur Natur zieht auch Albert Märkl seit vielen Jahren regelmäßig auf die Campingplätze. Im bayerischen Falkenstein aufgewachsen, lernte er schon früh den Wald zu schätzen. Nach dem Abitur begann der heute 63-Jährige eine Berufsausbildung bei der bayerischen Polizei und zog zwei Jahre später nach Wiesbaden, wo er 40 Jahre lang beim Bundeskriminalamt tätig war. Bereits während seiner Zeit beim BKA verreisten Albert Märkl, seine Frau Sabine und der gemeinsame Sohn Adrian in den Ferien regelmäßig mit einem gemieteten Camper. Vor einigen Jahren erfüllte sich das Ehepaar dann den Traum vom eigenen Wohnmobil. „Nachdem ich 2019 in den Ruhestand gegangen bin, ging es mir wie vielen: Plötzlich hatte ich so viel Zeit“, erinnert sich Albert Märkl. „Ich habe immer sehr gerne gearbeitet und blicke auf ein zufriedenes Berufsleben zurück. Trotzdem gefiel mir die Vorstellung, nun mehr Zeit für weitere Interessen zu haben.“
Sterbende Bäume, kaputte Wälder
Durch die Fridays for Future-Bewegung und weitere Aktionen rückte in jüngster Vergangenheit das Bewusstsein für Natur- und Klimaschutz immer mehr in den Fokus der Bevölkerung. „Ich bin in der Natur groß geworden, für mich ist es also selbstverständlich, bewusst mit unserer Umwelt umzugehen. Umso mehr haben mich die Berichte vom toten Wald erschreckt.“ Im Taunus, in Hessen, wo das Ehepaar Märkl lebt, sei inzwischen so viel Wald kaputt gegangen, dass man die Augen nicht mehr davor verschließen könne. „Aber den Anblick kranker und kaputter Bäume kennen wir mittlerweile leider auch von vielen anderen Wäldern“, berichtet Albert Märkl. „Einstweilen ist in Deutschland eine Waldfläche größer als das Saarland aufgrund von Trockenheit und Borkenkäferbefall abgestorben“. So entstand die Idee, der Natur etwas zurückzugeben und die Leidenschaft fürs Camping mit Engagement für die Natur zu verbinden. „Die kaputtgehenden Wälder sind für mich momentan die sichtbarste Form der Naturzerstörung. Gerade als Camping-Fan wollte ich deshalb ein Projekt starten, um diese Zerstörung aufzuhalten.“

So gründete die Familie gemeinsam mit weiteren Interessierten Ende 2019 den Verein WOHNmobil für Klimaschutz e.V. „Das hatte vor allem den Grund, von vornherein feste Strukturen zu schaffen“, erklärt Mitgründer Albert Märkl. Denn gerade, wenn es um Spenden geht, sei dies von Vorteil. Mit der Vereinsgründung begab man sich auf die Suche nach ersten Partnern und schrieb unter anderem Wohnmobilhersteller und Camping-Zeitschriften an. Das Magazin „Reisemobil-International“ antwortete direkt und veröffentlichte Anfang 2020 einen Artikel über den Verein. Mittlerweile hat dieser den Status „gemeinnützig“ erreicht. „Das war gar nicht so einfach“, berichtet Märkl. Denn wie so oft, wenn es um deutsche Behörden gehe, herrschen auch hier strenge Vorschriften: „Viele Formalitäten mussten erfüllt werden; wir mussten eine Satzung vorlegen und beschreiben, was unser genaues Ziel ist. In unserem Falle also der Beitrag für die Umwelt, um zu verdeutlichen, dass wir kein klassischer Wohnmobil-Verein sind.“ Doch der Mehraufwand lohnte sich, denn so kann der Verein nun Spendenquittungen an Unternehmen und Privatpersonen ausstellen.
Trotz Corona: Bäume pflanzen für den Klimaschutz
Bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2020 starteten die Mitglieder zwei Pflanz-Aktionen. „Leider war die Umsetzung etwas schwierig, wir wären gerne mit einer größeren Gruppe in den Wald gegangen, um die Bäume selbst zu pflanzen.“ Aufgrund der Corona-Pandemie entschied man sich daher für eine symbolische Aktion, bei der Albert Märkl mit wenigen Gefährten einige Bäume pflanzte – die restlichen Setzlinge wurden vom Forstamt eingesetzt. In diesem Jahr konnten so – trotz Pandemie – 220 Bäume in Hessen und weitere 200 im Oktober im niedersächsischen Harz gepflanzt werden.

Auch heuer fanden bereits zwei Aktionen statt – Pandemie-bedingt erneut mit wenigen Mitgliedern. In Nordrhein-Westfalen, in der Nähe von Bonn, wurden fünf Stieleichen vom Verein eingesetzt, die restlichen 295 Bäume übernahm das Forstamt. Im Bergwald bei Garmisch-Partenkirchen kreuzte Corona ebenfalls die Pläne des Vereins: „Eigentlich wollten wir uns mit ca. 30 Mitgliedern treffen, auf dem gleichen Campingplatz übernachten und gemeinsam alle 300 Bäume einsetzen.“ Doch der Campingplatz musste noch geschlossen bleiben. Vereinsgründer Märkl bleibt dennoch positiv: „Sicherheit geht eben vor, außerdem sind wir bereits sehr zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben“ Mehr als 1.000 Bäume konnten bis dato mit einer Spendensumme von mehr als 5.000 Euro der Natur übergeben werden.
Über 1.000 weitere Bäume allein in diesem Jahr
Für 2021 sind noch drei weitere Pflanzungen geplant. „Die Bäume können witterungsbedingt immer nur im Frühjahr und Herbst eingesetzt werden“, erklärt Albert Märkl. Im November will der Verein 400 Bäume in Nordrhein-Westfalen pflanzen, an die 600 sind für ein Waldgebiet bei Kehl am Rhein geplant. „Einer unserer Sponsoren seit Stunde eins ist der Wohnmobilhersteller Bürstner, dessen Hauptsitz sich in Kehl am Rhein befindet. Das Unternehmen sponsert 300 Bäume, die andere Hälfte übernimmt der Verein.“ Und auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen diesen Herbst noch rund 400 weitere Bäume hinzukommen.

Den Vereinsmitgliedern ist es ein Anliegen, deutschlandweit aktiv zu werden: „Abgestorbene oder kranke Bäume sind leider im ganzen Land ein Problem, außerdem sind unsere Mitglieder ja auch über die gesamte Republik verstreut.“ Damit jeder einmal (ohne zu lange Anfahrtszeit) mitmachen kann, sei es notwendig, in jedem Gebiet aktiv zu werden. Für das kommende Jahr fokussiert man sich auf noch mehr Waldgebiete im Norden Deutschlands, unter anderem in Schleswig-Holstein. „Und dann alle weiteren Bundesländer, die noch nicht an der Reihe waren. Aber die Entscheidung treffen wir in Absprache mit den Mitgliedern“, betont Märkl.
Das neueste Projekt: Der ökologische Wohnmobilstellplatz
Finanziert werden die Baumpflanzaktionen zum einen über Beiträge der aktuell 150 Mitglieder, die ein Cent pro gefahrenen Kilometer mit Camper oder Wohnmobil im Jahr bezahlen. Zum anderen hat der Verein mittlerweile 13 Fördermitglieder, die ebenfalls einen großen Teil dazu beitragen, die Umsetzung zu ermöglichen. Denn auch, wenn die jährliche Spendenhöhe freiwillig ist, kam bereits eine stolze Summe zusammen. Neben finanzieller Unterstützung profitiere der Verein aber auch von der Öffentlichkeitsarbeit der Förderer: „Wenn das Thema präsent ist, haben wir schon ein wesentliches Ziel erreicht!“

Denn für die Vereinsvorsitzenden ist klar: „Klimaschutz und Ökologie werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung für die Campingbranche gewinnen. In den letzten Jahren ist die Zahl der zugelassenen Wohnmobile stark gestiegen. Um diesen Bedarf zu decken, bedarf es neuer Camping- und Stellplätze. Unter anderem ökologische Aspekte sollten dabei eine wesentliche Rolle spielen.“ Beispielsweise könnten erneuerbare Energien, wassersparende Systeme und die Mülltrennung noch mehr in den Fokus rücken.“ Das neuste Projekt des Vereins setzt deshalb genau hier an. „Die zentrale Frage: Wie kann man die ökologische Gestaltung von Wohnmobilstellplätzen fördern?“

Sechs der Vereinsmitglieder erarbeiteten hierfür in Online-Sitzungen einen Katalog mit einer Checkliste für einen ökologischen Stellplatz. Dieser wird kostenlos auf der Vereinswebsite zur Verfügung gestellt. So können Reisende Stellplätze bewerten, woraufhin das Formular ausgewertet wird. Sind die vom Verein definierten Mindestkriterien erfüllt, wird der Stellplatz auf der Homepage gelistet und soll so Anhaltspunkte für Reisende bieten. Außerdem erhoffen sich die Vereinsmitglieder auf diese Weise einen Ansporn für Stellplatz-Betreiber zu bieten. „Ab 2022 werden wir zudem jährlich einen ökologischen Stellplatz des Jahres küren.“
Es lohnt immer, sich einzusetzen
Man muss das Rad nicht immer neu erfinden – vor allem, wenn es an einem Wohnmobil montiert ist. Campen liegt auch 2021 noch voll im Trend – und das obwohl (oder gerade weil) es sich um eine altbekannte Form des Reisens handelt. Dass Altbewährtes und Nachhaltigkeit sich keineswegs widersprechen, zeigt der Verein WOHNmobil für Klimaschutz e.V. und geht mit gutem Beispiel voran. Gleichzeitig macht es Mut zu sehen, dass auch während der Corona-Pandemie die Umsetzung persönlicher Ziele möglich ist, denn: Es lohnt immer, sich für die eigenen Werte einzusetzen.
Malin Schmidt-Ott