Spiegelau/Passau/Florida. Orion, Milchstraße oder der Abendstern: Egal, von welchem Ort der Welt aus man das Firmament betrachtet – der Sternenhimmel zeigt sich jedem Beobachter früher oder später mit diesen Konstellationen. Gerade im Sommer, wenn es draußen noch lange warm und der Himmel klar und wolkenlos ist, lassen sich die Sterne bestens beobachten. Wer Glück hat, sieht sogar eine Sternschnuppe.
Während dem ungeübten Auge schlechte Wetterverhältnisse oder zu helle Lichter einer Großstadt die Freude am nächtlichen Blick in den Himmel trüben können, haben die Astronomen dieser Welt derzeit andere Sorgen: Elon Musk, Tesla– und SpaceX-Mitbegründer und einer der wohlhabendsten Menschen weltweit, plant im August einen weiteren Start seiner sog. Starlink-Satelliten. Der Unternehmer möchte in naher Zukunft bis zu 42.000 Satelliten ins Weltall senden. Seit 2019 werden zweimal monatlich jeweils 60 Stück in den Orbit geschickt. Mehr als 1.600 umkreisen bereits die Erde. Damit, so Musk, ließe sich die Qualität und Verbreitung des Internets weltweit stark vorantreiben.
Wieso die Satelliten ein Problem werden könnten
Was für den normalen Beobachter vermutlich kaum auffallen wird, kann hingegen die (wissenschaftliche) Arbeit der Astronomen stark beeinträchtigen. Weltweit kam es daher zu einem Aufschrei in diversen Astronomen-Kreisen. „Die genauen Konsequenzen sind ja noch gar nicht absehbar“, kommentiert Josef Bastl dazu. Der 52-Jährige ist erster Vorsitzender der Astronomischen Vereinigung mittlerer Bayerischer Wald e.V. Seit Gründung der Vereinigung im Jahre 1999 ist der gebürtige Zwieseler Vereinsmitglied, 2003 übernahm er die Leitung.
Aufnahme der Starlink-Satelliten, die am 24. April 2020 ins Weltall ausgesandt wurden:
Nachdem der Betrieb der Sternwarte Spiegelau für Besucher coronabedingt lange Zeit pausieren musste, freute man sich gerade auf die vorsichtige Wiederaufnahme von Veranstaltungen. Und auch, wenn der Überflug der Space-X den Besucherbetrieb zunächst nicht beeinträchtigen wird, so bereitet er auch Josef Bastl gewisse Bauchschmerzen. „Eins ist klar: Die vielen Satelliten stören den Blick ins Universum. Auf unsere astronomischen Beobachtungen, die wir mithilfe von Fotografien mit Langzeit-Belichtungen durchführen, wirken sich die Satelliten durch entstehende Strichspuren auf den Bildern aus.“ Solange sich nur wenige der Körper am Himmel bewegten, könnten diese noch herausretuschiert werden. „Im Zweifel kann man auch warten, bis der Satellit aus dem Bild verschwunden ist. Wenn aber erstmal alle 42.000 oben sind, könnte das schwierig werden“, befürchtet der Vereinsvorsitzende.
Wenn die NASA ihre Software ändern muss
Und auch auf wissenschaftliche Beobachtungsprogramme der Observatorien weltweit werden die vielen neuen Satelliten Auswirkungen haben: „ESA, NASA und Co., die sich unter anderem mit der Kleinplaneten-Beobachtung beschäftigen, werden ihre Software anpassen müssen“, erklärt der Astronom. Derzeit arbeiten die meisten Programme mithilfe von Algorithmen, die automatisch dazu in der Lage sind, Asteroiden von Satelliten zu unterscheiden. Die Sorge, die Software könnte überfordert sein, eint die Observatorien weltweit. Eins sei klar: Der Plan des SpaceX-Gründers wird einen enormen Mehraufwand für das Erzielen wissenschaftlicher Ergebnisse bedeuten.
Auch in der Bayerwald-Sternwarte beobachtet man Asteroiden, also Kleinplaneten, die auf die Erde einschlagen könnten. „Wenn sich ein Objekt bewegt, kann es also immer ein Kleinplanet sein – oder halt ein Satellit“, berichtet Josef Bastl weiter. „Das Programm kann erstmal schlecht unterscheiden, worum es sich handelt.“
Trotz Abdunkelung: Was ist mit den Konsequenzen?
Doch wie kann es sein, dass Elon Musk ein so großes Unterfangen „einfach so“ durchsetzen kann, obwohl es wohl enorme Auswirkungen für die globale Wissenschaft haben wird? Grund dafür ist – wie so häufig – das gute Geld. Aufgrund der finanziellen Mittel, die dem Milliardär zur Verfügung stehen, ist es ihm möglich, enorme Geldsummen zu investieren. „Elon Musk wittert einen Markt“, mutmaßt Bastl. Und es gebe auch hier, wie überall im Leben, Gewinner und Verlierer. „Die Gewinner sind die Leute, die selbst in der Wüste Internet haben werden. Der Verlierer ist leider der natürliche Sternenhimmel.“
Die Marktmacht, die Elon Musk mit dem Überflug der Starlink-Satelliten initiieren wird, siegt am Ende wohl. Zwar wurden bereits Versuche unternommen, die Satelliten zu verdunkeln, doch ob das ausreichen wird, steht wortwörtlich noch in den Sternen. Denn noch sind die Flugkörper in Park-Position – und die Verantwortlichen veröffentlichen längst nicht alle Daten.
Für kleinere Sternwarten heißt es deshalb: abwarten. In Spiegelau kann man sich nicht auf die Veränderungen am Sternenhimmel vorbereiten, also bleibt ein ungutes Gefühl beim Vereinsvorsitzenden und den Mitgliedern zurück. Ein weiterer Punkt, der vor allem für die ESA Probleme hervorrufen könnte, ist die Störung der Überwachung des Weltraumschrottes. „Die Frage, ob die Systeme bei 42.000 Satelliten noch ungestört arbeiten und diese von Abfall unterscheiden können, kann derzeit wohl noch niemand mit Sicherheit beantworten“, befürchtet der Vereinsvorsitzende der astronomischen Vereinigung.
Reaktionen, wenn es eigentlich schon zu spät ist?
Von einem „Großen Unwohlsein“ für Astronomen spricht auch Rainer Klemm. Der gebürtige Passauer und Mitgründer der Sternwarte Passau-Oberhaus ist bereits seit 1964 Leiter der Sternwarte. „Wir sind eine Volkssternwarte, bieten Führungen und Vorträge an“, berichtet der 72-Jährige. Unter dem aufgehellten Sternenhimmel Passaus haben die Pläne Elon Musks wenig bis keine Beeinträchtigung für die Arbeit dieser Station. Dennoch versteht auch Rainer Klemm die Aufregung: „Man kann zwar Satelliten aus Bildern heraus retuschieren, doch es besteht auch immer die Gefahr, versehentlich andere Objekte von den Fotos zu entfernen.“
Die Pläne Elon Musks sieht also auch der Verantwortliche der Sternwarte Passau-Oberhaus skeptisch. „Es herrscht ja fast Rechtsfreiheit im Weltall. Meine Sorge ist, dass die Menschen erst aufwachen, wenn sich das Ausmaß zeigt“, vermutet Klemm. Und dann seien die Konsequenzen schwer wieder umkehrbar. Die Auswirkungen, die er beschreibt, unterscheiden sich je nach Forschungsprojekt. So wurde beispielsweise in Chile gerade erst der Grundstein für das größte optische Teleskop der Welt gelegt. Die Bilder, die künftig von der Atacama-Wüste aus entstehen werden, sollen unter anderem der Suche nach neuen Planetensystemen und der Analyse derer Atmosphäre dienen. Die enorm feinen Messungen, die dazu notwendig sind, könnten ebenfalls durch die Vielzahl an Satelliten gestört werden.
… lässt sich wohl nur erahnen
Für nächtliche Hobby-Sternschnuppen-Beobachter werden sich wohl zunächst keine bemerkenswerten Unterschiede feststellen lassen. Viele verstehen deswegen den Aufruhr des Projektes nicht, soll es doch der besseren Versorgung mit Internet dienen. Wie stark die Forschung jedoch durch die vielen Satelliten erschwert wird, lässt sich wohl derzeit nur erahnen. Bleibt also nur zu hoffen, dass jene Starlink-Himmelskörper bestmöglich abgedunkelt werden – und die Observatorien dieser Welt ihre Arbeit ungestört fortsetzen können…
Malin Schmidt-Ott
Lieber Hogn,
danke, dass Ihr das Thema noch einmal aufgreift. Hier muss wirklich etwas unternommen werden.
Bisher hatte ich dazu schon Initiativen gestartet. Siehe hier:
https://www.pnp.de/lokales/stadt-und-landkreis-passau/passau-land/MdL-Schuberl-fordert-Denkmalschutz-fuer-Sternenhimmel-3755650.html
Leider war ich nicht erfolgreich. Aber das ist bei neuen Initiativen am Anfang immer so:
https://www.pnp.de/lokales/stadt-und-landkreis-passau/passau-land/MdL-Schuberl-blitzt-mit-Denkmalschutz-fuer-Sternenhimmel-ab-4009309.html
Liebe Grüße